Prävention meint im Kontext des Mammakarzinoms sekundäre Prävention. Denn bisher stehen
keine Substanzen oder Maßnahmen im Sinne einer primären Prävention zur Verfügung,
die in einem akzeptablen Nutzen-Risikoverhältnis gesunden Frauen mit nicht erhöhtem
Brustkrebs-Risiko angeboten werden könnten zur Verhinderung der Erkrankung.
Brustkrebs-Früherkennung versteht sich als übergeordneter Begriff für alle Strategien,
die es erlauben, Brustkrebs in einem Stadium zu erkennen, in dem das Fortschreiten
des malignen Prozesses gestoppt werden kann. Ziel ist die Senkung der Inzidenz im
Fall der Entdeckung eines Vorstadiums und vor allem eine Verringerung der Sterblichkeit
an der Erkrankung. Aber auch die Chance, weniger eingreifend behandeln zu müssen als
Folge der Reduktion fortgeschrittener Tumorstadien, hat hohen Wert bezüglich der Lebensqualität
der Betroffenen.
Wir unterscheiden populationsbezogene (Screening) und individuelle Früherkennungsstrategien.
Zweifelsfrei hat das Mammografiescreening, d. h. der Einsatz eines einzigen Tests
(der Mammografie) zur Sekundärprävention, seine Effektivität unter Beweis gestellt
sowohl innerhalb großer internationaler randomisiert kontrollierter Studien als auch
außerhalb, im Rahmen der Normalversorgung ( Schweden und die Niederlande). Keine andere
Methode konnte bisher sekundäre Prävention mit so günstigem Schaden-Nutzen-Verhältnis
erreichen. Vorraussetzung ist ein stringentes Qualitätssicherungskonzept, wie es in
den Europäischen Empfehlungen zur Qualitätssicherung des Mammografiescreenings und
der Diagnostik (4. Auflage) vorgegeben ist.
Betrachtet man sekundäre Prävention unter einem populationsbezogenen Aspekt, müssen
hohe Detektionsraten, günstige Stadienverteilung und Mortalitätsreduktion auch unter
Kosten-Nutzen-Aspekten gesehen werden. Ungute Extreme einer Betrachtung in Hinblick
auf die Kosten sind z. B. die 3-Jahres-Intervalle im englischen Mammografiescreening,
die der Wachstumsgeschwindigkeit nur des hoch differenzierten, indolenten Mammakarzinoms
gerecht werden sowie die ehemals extrem restriktiv vorgegebenen Abklärungsraten von
∼ 1 % im niederländischen Screening. Der Preis waren hohe Intervall-Karzinomraten
von bis zu 50 %.
Andererseits bedarf es aber auch der sorgfältigen Balance zwischen hohen Detektionsraten
und Überdiagnose / Übertherapie. Die stetige, umfassende wissenschaftliche Evaluation
bevölkerungsbezogener Projekte ist daher zwingend, um gegebenenfalls frühzeitig steuernd
eingreifen oder verbessern zu können.
Die Vorraussetzungen für ein umfassendes Früherkennungskonzept wurden mit der ersten
Aktualisierung der Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland erarbeitet
unter Zugrundelegung der vorhandenen Evidenz, konsensbasiert und niedergelegt unter
der Maßgabe, dieses Wissen letztendlich den Frauen verfügbar zu machen mit dem Ziel
verbesserter Versorgung.
Senologische Aufgabe der Brustkrebs-Früherkennung ist es, jeder Frau die Chance der Sekundär-Prävention zu eröffnen und nicht nur einem begrenzten
Alterssegment. Das entsprechende Leitlinien-Statement lautet: „Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen
sind für alle Frauen nützlich, deren individuelles Risiko-Profil durch Alter und / oder
weitere Risikofaktoren (endogene und exogene hormonelle Faktoren, Brustdrüsendichte,
reproduktives Verhalten, Lebensstil, erbliche Faktoren) beschrieben ist (LOE 2 a,
Empfehlungsgrad A)“. Leider ist bis heute die Implementierung der Leitlinien-Inhalte
in die Versorgung nur rudimentär und punktuell vonstatten gegangen. Größte Hindernisse
sind berufspolitische, fachgruppenspezifische und versorgungsstrukturbedingte Interessen
und Widerstände.
Ein Früherkennungskonzept muß sich am individuellen Risiko orientieren. Größtes populationsbezogenes
Risiko ist das Alter. Daher haben Frauen inzwischen seit 2010 jenseits der Mammografie-Screening-Altersgrenze
von 70 Jahren im Rahmen der sogenannten kurativen Versorgung Anspruch auf eine Früherkennungs-Mammografie.
Diese Indikation muss natürlich gegenüber altersbedingter begleitender Morbidität
abgewogen werden.
Die Datenlage für Frauen unter 50 Jahren hat sich weiter verbessert, einerseits durch
die randomisiert-kontrollierte Studie aus Großbritannien („Age Trial“) als auch durch
aktuelle Publikationen aus den Niederlanden und Schweden. Die publizierten Ergebnisse
weisen auf eine gegenüber dem üblichen Alterssegment vergleichbare Mortalitätsreduktion
hin in einer Größenordnung zwischen 19 % für das Age-Trial (immer noch mit zu kurzer
Nachbeobachtungszeit und daher knapp unter Signifikanz-Niveau) und 26 % im schwedischen
Mammografiescreening junger Frauen (SCRY) für die eingeladenen Frauen bzw. 29 % für
die Teilnehmerinnen. Die Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie unter Einbeziehung
junger Frauen aus dem Nijmegen-Screening kommt zu einer statistisch signifikanten
Mortalitätsreduktion von 50 %. Es besteht somit kein Grund mehr, Frauen unter 50 Jahren
aus dem Mammografiescreening auszuschließen.
Es ist ebenfalls nicht einzusehen, ein qualitätssicherndes Konstrukt nur für das Screening
anzubieten. Die vergleichbare Umsetzung von Prozess- und Ergebnisqualität leitlinienkonform
für die sogenannte kurative Versorgung in Schleswig-Holstein führte zu einem statistisch
signifikanten Vorteil für das Gesamtüberleben der Teilnehmerinnen mit einer HR von
0,78 (95 % CI 0,65–0,94).
Die Zukunft muss es daher sein, die Altersgrenzen im Mammografiescreening zu öffnen,
die neutrale wissenschaftliche Evaluation auf die Beine zu stellen, Frauen intensiv
zu informieren über Nutzen und Risiken und die so genannte kurative Versorgung in
eine qualitätssichernde Struktur einzubinden, um so z. B. auch die Sonografie bei
ACR 3/4 gezielt anbieten zu können. Weitergehendes Zukunftsziel sollte eine individualisierte
Präventionsstrategie sein auf der Basis zu entwickelnder „Marker“.