RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0031-1271503
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Indikationen und aktuelle Datenlage zur Bisphosphonat-Anwendung
Prof. Dr. med. E.-F. Solomayer
Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66421 Homburg / Saar
eMail: erich.solomayer@uks.eu
Dr. med. I. Juhasz-Böss
Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66424 Homburg
eMail: ingolf.juhasz-boess@uks.eu
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
17. Juni 2011 (online)
Bisphosphonate sind derzeit Standard in der Therapie der Osteoporose, der Hyperkalzämie und der Knochenmetastasen.
Bei Frauen mit Knochenmetasen ist die Therapie mit Bisphosphonaten etabliert und zum Standard geworden. Sie reduzieren die Anzahl und die Schwere der skelettalen Ereignisse, wie Knochenschmerzen, pathologische Frakturen, Notwendigkeit der Bestrahlung, Hyperkalzämie. Beide Applikationsformen, sowohl die intravenöse als auch die orale Gabe, sind sehr gut verträglich und sehr wirksam. Das Nebenwirkungsspektrum besteht aus gastrointestinalen Beschwerden bei oraler Gabe und aus Akuter-Phase-Reaktion, Kieferosteonekrose und Nierenschädigung bei parenteraler Gabe. Bei sachgerechter Verabreichung und Aufklärung können die meisten Nebenwirkungen vermieden oder in ihrer Intensität reduziert werden [11].
Bei Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose erhöhen Bisphosphonate die Knochendichte und können die Anzahl pathologischer Frakturen reduzieren. Sie sind auch bei Therapie-induziertem Knochenmassenverlust (z. B. unter GnRH-Analoga- oder Aromataseinhibitor-Therapie) wirksam. In zahlreichen Untersuchungen wurde gezeigt, dass Bisphosphonate parallel zu einer adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms ein Knochendichteverlust verhindern können [5].
Präklinische Daten haben gezeigt, dass Bisphosphonate die Entstehung von Metastasen verhindern können. In klinischen Studien konnte demonstriert werden, dass bei Frauen mit primärem Mammakarzinom Bisphosphonate disseminierte Tumoreinzelzellen eliminieren können ([1] [6] [12] www.senologie.org ). In einigen Kollektiven können sie, entsprechend den präklinischen Daten, sowohl Fernmetastasen als auch lokoregionäre Rezidive verhindern [4].
Die Datenlage bei postmenopausalen Frauen ist eindeutig. Hier führt die adjuvante Gabe von Zoledronsäure 2-mal jährlich zu einer signifikanten Reduktion der Metastasen (AZURE-Studie). In der gleichen Studie konnte bei prämenopausalen Frauen kein Vorteil zu Gunsten der adjuvanten Bisphosphonatgabe gesehen werden. In der Gruppe der prämenopausalen Patientinnen, die GnRH erhalten, bewirkt Zoledronsäure eine Verbesserung des rezidivfreien Intervalls [8] [9] . Es scheint, dass Bisphosphonate in der adjuvanten Therapie einen Vorteil bei Frauen haben, die keine Hormone mehr produzieren. Eine adjuvante Gabe der Bisphosphonate (Clodronat, Zoledronsäure) ist intensiv untersucht worden und scheint sinnvoll zu sein. Eine Zulassung besteht allerdings noch nicht, was für die Praxis ein schwieriges Problem darstellt.
Es wurde auch die Wirksamkeit der Bisphosphonate in der neoadjuvanten Situation untersucht (AZURE-Studie). Hier stellte sich heraus, dass Bisphosphonate sogar den Tumor in der Brust verkleinern können [3]. Eine Indikation für die Bisphosphonatgabe in der neoadjuvanten Situation besteht allerdings nicht.
In einer Studie an 154 768 Frauen (Womens Health Initiative – WHI-Studie) entwickelten Frauen (ohne Mammakarzinomerkrankung), die orale Bisphosphonate für eine Osteoporosetherapie eingenommen haben, in 32 % seltener ein Mammakarzinom als Frauen, die keine Bisphosphonate eingenommen haben. Es stellt sich die Frage, ob die Reduktion durch Bisphosphonate entstanden ist, oder ob die Kollektivselektion zu diesem Ergebnis geführt hat [10]. Eine prophylaktische Gabe der Bisphosphonate, um Mammakarzinom zu verhindern, wird derzeit nicht empfohlen.
Die exakte Wirkweise ist trotz zahlreicher Untersuchungen nicht bis zum letzten Detail geklärt. Bisphosphonate unterdrücken zwar in erster Linie die Aktivität der Osteoklasten, aber sie greifen in mehrere Mechanismen ein, wie z. B. Verhinderung der Adhäsion der Tumorzellen an der Knochenoberfläche, Unterdrückung der Neoangiogenese und sie können in höheren Dosierungen sogar tumorizid wirken. Diese Beobachtungen unterstützen die „Sead and Soil“-Theorie zur Entstehung von Metastasen. Bisphosphonate unterdrücken die Aktivität der Osteoklasten und scheinen in die Interaktion zwischen Knochenmatrix und disseminierte Tumorzelle einzugreifen. Dieser Effekt wird von zahlreichen präklinischen und klinischen Studien bestätigt. Es gibt Daten, dass Bisphosphonate sogar die Entstehung von Fernmetastasen verhindern können. In der AZURE-Studie konnte sogar der Primärtumor mit Bisphosphonaten in der neoadjuvanten Therapie verkleinert werden.
Alle diese Daten zeigen, dass die Wirkweise der Bisphosphonate sich nicht nur auf die Unterdrückung der Osteoklastenaktivität beschränkt, sondern dass sie eine direkte antitumorale Aktivität beim primären Mammakarzinom haben. Allerdings konnte bislang noch nicht geklärt werden, ob die Wirkung der Bisphosphonate auf Tumorzellen auf direkte oder indirekte Wege erfolgt.
Bisphosphonate sind Standard in der Therapie der Osteoporose und in der Prävention skelettaler Komplikationen bei ossären Metastasen. Der exakte Wirkmechanismus ist derzeit noch nicht endgültig geklärt. Zahlreiche präklinische und klinische Studien zeigen, dass Bisphosphonate in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms die Entstehung von Metastasen verhindern können. In der AZURE-Studie konnte sogar gezeigt werden, dass Bisphosphonate den Tumor in der Brust verkleinern können. Diese Daten lassen stark vermuten, dass Bisphosphonate tumorizid wirken können. Die Wirkung kann entweder direkt auf die Tumorzellen selber erfolgen oder indirekt, durch die Beeinflussung der Interaktion zwischen Tumorzelle und Umgebung (microenvironment). Die Bisphosphonatstudien untermauern damit die „Seed and Soil“-Theorie. Chlebowski et al. haben untersucht, ob Bisphosphonate die Entstehung von Mammakarzinomen verhindern können. Es zeigte sich, dass Frauen, die orale Bisphosphonate einnehmen, seltener Brustkrebs bekommen. Allerdings gibt es einige Faktoren, die diese Studienergebnisse beeinflussen könnten, sodass die Daten sehr vorsichtig interpretiert werden müssen. Aktuell können Bisphosphonate zur Vermeidung von Mammakarzinom nicht empfohlen werden.
Empfohlen werden gemäß AGO-Empfehlungen die Bisphosphonate bei Mammakarzinom-Patientinnen mit Hyperkalzämie (++), zur Reduktion skelettaler Komplikationen (++), zur Therapie bei ossärer Progression, zur Prävention von Metastasen beim primären Mammakarzinom in Subgruppen (+) sowie zur Prävention (++) und Therapie (++) des tumortherapieinduzierten Knochenverlustes (www.ago-online.de).
#Literatur
- 1 Aft R, Naughton M, Trinkaus K et al. Effect of zoledronic acid on disseminated tumour cells in women with locally advanced breast cancer: an open label, randomised, phase 2 trial. Lancet Oncol. 2010; 11 421-428
- 2 Chlebowski R T, Chen Z, Cauley J A et al. Oral bisphosphonate use and breast cancer incidence in postmenopausal women. J Clin Oncol. 2010; 28 3582-3590
- 3 Coleman R E, Winter M C, Cameron D AZURE (BIG01 / 04) Investigators et al. The effects of adding zoledronic acid to neoadjuvant chemotherapy on tumour response: exploratory evidence for direct anti-tumour activity in breast cancer. Br J Cancer. 2010; 102 1099-1105
- 4 Diel I J, Solomayer E F, Costa S D et al. Reduction in new metastases in breast cancer with adjuvant clodronate treatment. N Engl J Med. 1998; 339 357-363
- 5 Eidtmann H, de Boer R, Bundred N et al. Efficacy of zoledronic acid in postmenopausal women with early breast cancer receiving adjuvant letrozole: 36-month results of the ZO-FAST Study. Ann Oncol. 2010; 21 2188-2194
- 6 Fehm T, Müller V, Janni W. et al . Konsensusempfehlungen zu methodischen Aspekten und zur klinischen Relevanz des Nachweises disseminierter Tumorzellen (DTZ) im Knochenmark (KM) von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom. Senologie. 2007; 4 85-91
- 7 Fehm T, Felsenberg D, Krimmel M et al. Bisphosphonate-associated osteonecrosis of the jaw in breast cancer patients: recommendations for prevention and treatment. Breast. 2009; 18 213-217
- 8 Gnant M, Mlineritsch B, Luschin-Ebengreuth G Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) et al.,. Adjuvant endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal women with early-stage breast cancer: 5-year follow-up of the ABCSG-12 bone-mineral density substudy. Lancet Oncol. 2008; 9 840-849
- 9 Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W ABCSG-12 Trial Investigators, Marth C et al.,. Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. N Engl J Med. 2009; 360 679-691
- 10 Rennert G, Pinchev M, Rennert H S. Use of bisphosphonates and risk of postmenopausal breast cancer. J Clin Oncol. 2010; 28 3577-3581
- 11 Solomayer E-F, Wallwiener D, Fehm T. Aktuelle Bedeutung der Bisphosphonate in der systemischen Therapie des Mammakarzinoms. Senologie. 2005; 4 210-213
- 12 Solomayer E, Gebauer G, Hirnle P et al. Influence of Zoledronic Acid on Disseminated Tumor Cells in Primary Breast Cancer Patients. SABCS. 2008;
1 Konsensusgruppe Bisphosphonate der DGS
Prof. Dr. med. E.-F. Solomayer
Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66421 Homburg / Saar
eMail: erich.solomayer@uks.eu
Dr. med. I. Juhasz-Böss
Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66424 Homburg
eMail: ingolf.juhasz-boess@uks.eu
Literatur
- 1 Aft R, Naughton M, Trinkaus K et al. Effect of zoledronic acid on disseminated tumour cells in women with locally advanced breast cancer: an open label, randomised, phase 2 trial. Lancet Oncol. 2010; 11 421-428
- 2 Chlebowski R T, Chen Z, Cauley J A et al. Oral bisphosphonate use and breast cancer incidence in postmenopausal women. J Clin Oncol. 2010; 28 3582-3590
- 3 Coleman R E, Winter M C, Cameron D AZURE (BIG01 / 04) Investigators et al. The effects of adding zoledronic acid to neoadjuvant chemotherapy on tumour response: exploratory evidence for direct anti-tumour activity in breast cancer. Br J Cancer. 2010; 102 1099-1105
- 4 Diel I J, Solomayer E F, Costa S D et al. Reduction in new metastases in breast cancer with adjuvant clodronate treatment. N Engl J Med. 1998; 339 357-363
- 5 Eidtmann H, de Boer R, Bundred N et al. Efficacy of zoledronic acid in postmenopausal women with early breast cancer receiving adjuvant letrozole: 36-month results of the ZO-FAST Study. Ann Oncol. 2010; 21 2188-2194
- 6 Fehm T, Müller V, Janni W. et al . Konsensusempfehlungen zu methodischen Aspekten und zur klinischen Relevanz des Nachweises disseminierter Tumorzellen (DTZ) im Knochenmark (KM) von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom. Senologie. 2007; 4 85-91
- 7 Fehm T, Felsenberg D, Krimmel M et al. Bisphosphonate-associated osteonecrosis of the jaw in breast cancer patients: recommendations for prevention and treatment. Breast. 2009; 18 213-217
- 8 Gnant M, Mlineritsch B, Luschin-Ebengreuth G Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) et al.,. Adjuvant endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal women with early-stage breast cancer: 5-year follow-up of the ABCSG-12 bone-mineral density substudy. Lancet Oncol. 2008; 9 840-849
- 9 Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W ABCSG-12 Trial Investigators, Marth C et al.,. Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. N Engl J Med. 2009; 360 679-691
- 10 Rennert G, Pinchev M, Rennert H S. Use of bisphosphonates and risk of postmenopausal breast cancer. J Clin Oncol. 2010; 28 3577-3581
- 11 Solomayer E-F, Wallwiener D, Fehm T. Aktuelle Bedeutung der Bisphosphonate in der systemischen Therapie des Mammakarzinoms. Senologie. 2005; 4 210-213
- 12 Solomayer E, Gebauer G, Hirnle P et al. Influence of Zoledronic Acid on Disseminated Tumor Cells in Primary Breast Cancer Patients. SABCS. 2008;
1 Konsensusgruppe Bisphosphonate der DGS
Prof. Dr. med. E.-F. Solomayer
Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66421 Homburg / Saar
eMail: erich.solomayer@uks.eu
Dr. med. I. Juhasz-Böss
Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin · Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrbergerstr. 100
66424 Homburg
eMail: ingolf.juhasz-boess@uks.eu