Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 8(2): 84
DOI: 10.1055/s-0031-1271504
Kooperation und Konsens

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Konsensusempfehlungen „Tumorzelldissemination“ und „Sentinel-Lymphknoten“

T. Fehm, T. Kühn
Weitere Informationen

Prof. Dr. med. T. Fehm

Universitätsfrauenklinik Tübingen

Calwerstraße 7

72076 Tübingen

eMail: tanja.fehm@t-online.de

Prof. Dr. med. T. Kühn

Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Klinikum Esslingen

Hirschlandstraße 97

73730 Esslingen

eMail: t.kuehn@klinikum-esslingen.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. Juni 2011 (online)

Inhaltsübersicht

Die Standardisierung von diagnostischen und therapeutischen Prozessen hat die Versorgungsqualität in der Onkologie nachhaltig verbessert. Gerade bei der Einführung von neuen Methoden ist es notwendig, eindeutige Qualitätsstandards zu definieren, um die Innovation zügig in der klinische Routine zu nutzen, aber gleichzeitig die Risiken eines neuen Verfahrens zu minimieren. Bei ungenügender wissenschaftlicher Evidenz für eine Methode ist die Konsensfindung von Experten ein geeignetes Instrument, um ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität zu ermöglichen. Am Beispiel der Konsensusempfehlungen „Tumorzelldissemination“ und „Sentinel-Lymphknoten“ soll die Erfolgsgeschichte der Konsensusempfehlungen demonstriert werden. 

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Konsensusempfehlung „Tumorzelldissemination“

Das Mammakarzinom wird mittlerweile als systemische Erkrankung verstanden. Basierend auf tierexperimentellen Studien werden bereits zum frühesten Zeitpunkt der Erkrankung Tumorzellen in die Blutzirkulation gestreut. Der Nachweis der Tumorzelldissemination kann sowohl im Blut als auch im Knochenmark erfolgen. Werden Tumorzellen im Blut detektiert, so bezeichnet man sie als „zirkulierende Tumorzellen (ZTZ)“. Die Positivitätsrate liegt zwischen 10 und 20 %. Die prognostische Relevanz von ZTZ ist derzeit noch Gegenstand aktueller Studien. Werden Tumorzellen im Knochenmark nachgewiesen, so bezeichnet man diese als „disseminierte Tumorzellen (DTZ)“. Im Rahmen einer gepoolten Analyse der Collaborative Group Bone Marrow Micometastasis von insgesamt mehr als 4300 Patientinnen konnte gezeigt werden, dass Mammakarzinompatientinnen mit DTZ ein kürzeres rezidivfreies Überleben und Gesamtüberleben als Patientinnen ohne DTZ aufweisen. Darüber hinaus ist die Prognose der Frauen mit Tumorzellpersistenz nach adjuvanter systemischer Therapie im Vergleich zu den Patientinnen ohne Tumorzellnachweis deutlich schlechter. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Studienkonzepten, die die Eliminierung von DTZ zum Ziel haben. Eine entscheidende Voraussetzung für die Durchführung von solchen (Multizenter-)Studien ist, dass ein standardisiertes Vorgehen zum Nachweis von disseminierten Tumorzellen im Knochenmark definiert ist. 

Im Rahmen der Dreiländertagung der Gesellschaften für Senologie traf sich daher 2005 ein internationales Expertenpanel aus Deutschland, der Schweiz und aus Österreich, um die bestehenden Methoden zum Tumorzellnachweis im Knochenmark zu evaluieren sowie einen Kon­sensus für die standardisierte Knochen­marks­entnahme, -aufbereitung und -analyse sowie die klinische Implementierung festzulegen. Der Konsensus wurde unter dem Titel „A concept for the standardized detection of disseminated tumor cells in bone marrow from patients with primary breast cancer and its clinical implementation“ in Cancer und Senologie 2006 pu­bliziert und hat bis dato seine Gültigkeit [1] [2] . 

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Konsensusempfehlung „Sentinel-Lymphknoten“

Während der Nachweis einer Tumorzelldissemination noch keine klinische Routine darstellt, ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie mittlerweile Standard. Bereits Ende der 90er-Jahre deuteten erste Ergebnisse auf die hohe Zuverlässigkeit der Sentinel-Lymphknotenbiopsie hin, den Nodalstatus beim Mammakarzinoms sicher zu erfassen. Trotz fehlender Daten aus randomisierten Studien erschien die Notwendigkeit hoch, Frauen mit frühem, nodalnegativen Mammakarzinom die erheblichen Folgen einer radikalen Lymphknotenentfernung aus der Axilla zu ersparen. Zahlreiche Fragen wie die optimale technische Vorgehensweise, die histopathologische Aufarbeitung des Sentinel-Nodes sowie die klinischen Implikationen neuer Befundkonstellationen (Mikrometastasen, okkulte Tumorzellen) waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Senologie wurde 2003 der erste interdisziplinär abgestimmte Konsensus verabschiedet, der wichtige Fragestellungen zu der neuen Methode in Absprache mit allen beteiligten Fachdisziplinen standardisierte. Der Konsensus wurde unter dem Titel „A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance“ in Cancer 2005 publiziert [3] und mit einem eigenen Editorial gewürdigt. Auch der deutsche Konsensus zur Sentinel-Node-Biopsie ist exemplarisch für das hohe Potenzial einer interdisziplinär ausgerichteten Fachgesellschaft, klinische Innovation flächendeckend und qualitätsgesichert zu implementieren. 

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Literatur

  • 1 Fehm T, Braun S, Müller V et al. A concept for the standardized detection of disseminated tumor cells in bone marrow of patients with primary breast cancer and its clinical implementation.  Cancer. 2006;  197 885-892
  • 2 Janni W, Fehm T, Rack B et al. Der Nachweis von isolierten Tumorzellen in Knochenmark und Blut von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom – Standardisierte Methodik und klinische Relevanz.  Senologie. 2007;  4 92-98
  • 3 Kuehn T, Bembenek A, Decker T Consensus Committee of the German Society of Senology et al. A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance.  Cancer. 2005;  103 451-461

Prof. Dr. med. T. Fehm

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72076 Tübingen

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Prof. Dr. med. T. Kühn

Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Klinikum Esslingen

Hirschlandstraße 97

73730 Esslingen

eMail: t.kuehn@klinikum-esslingen.de

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Literatur

  • 1 Fehm T, Braun S, Müller V et al. A concept for the standardized detection of disseminated tumor cells in bone marrow of patients with primary breast cancer and its clinical implementation.  Cancer. 2006;  197 885-892
  • 2 Janni W, Fehm T, Rack B et al. Der Nachweis von isolierten Tumorzellen in Knochenmark und Blut von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom – Standardisierte Methodik und klinische Relevanz.  Senologie. 2007;  4 92-98
  • 3 Kuehn T, Bembenek A, Decker T Consensus Committee of the German Society of Senology et al. A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance.  Cancer. 2005;  103 451-461

Prof. Dr. med. T. Fehm

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