Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215(1): 6-9
DOI: 10.1055/s-0031-1271741
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur sozialen Produktion der Geschlechterdichotomie

On the Social Production of Sexual DichotomyB. Schildberger1
  • 1Linz, Österreich
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Publication History

eingereicht 17.06.2010

akzeptiert 20.12.2010

Publication Date:
22 February 2011 (online)

Zusammenfassung

Das gesellschaftliche Dogma der Geschlechterdualität toleriert trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Entwicklung der Geschlechtlichkeit bzw. deren Variationen kaum Abweichungen von der definitierten Norm des Weiblichen und Männlichen. Die Diagnose Intersexualität wird als therapierbare Erkrankung mit der Möglichkeit geschlechtlicher Anpassung gehandhabt, Transsexualität wird als individuelle Symptomatik an die soziale Peripherie gedrängt. Dieser Artikel diskutiert die Präsenz, Aktualität und Sinnhaftigkeit der Heteronormativität und beleuchtet die Tragweite zugeschriebener Geschlechtlichkeiten.

Abstract

Notwithstanding scientific evidence about the development of sexuality and possible sexual variations, the social dogma of the duality of the sexes hardly tolerates deviations from the defined norms of female and male. The diagnosis of intersexuality is mostly considered as a treatable disease with the chance of eventual sexual adaptation; transsexuality in any form is placed at the social periphery as an individual symptomatology. This review discusses the presence, actuality and sense of coherence of heteronormativity and outlines the consequences of an attributed sexuality.

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