Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2011; 1(1): 14-18
DOI: 10.1055/s-0031-1272349
Kommunikation

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ärztliche Gesprächsführung: So gelingt sie lege artis

Daniela Erhard
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Daniela Erhard

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Publication Date:
04 February 2011 (online)

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Die meisten Deutschen sind zufrieden mit ihren Ärzten – zumindest, wenn es um das Fachliche geht. Aber in einem Punkt mangelt es immer noch: an der Kommunikation mit den Patienten. Hier zu investieren, nutzt nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Arzt.

Svenja ist sauer. Den ganzen Vormittag hat sie beim Orthopäden verbracht. „Verschwendet“, wie die 24-jährige Studentin selbst sagt. Morgens unter der Dusche war ihr der Schmerz zwischen zwei Brustwirbel gefahren, danach taten jede Bewegung und jeder Atemzug weh. Statt in die Uni ging die junge Frau zum Orthopäden.

Dort passierte erst einmal – nichts. „Nach anderthalb Stunden im Wartezimmer ging es zum Röntgen. Den Arzt hatte ich bis dahin immer noch nicht gesehen“, sagt die Studentin. Als sie nach weiteren Minuten des Wartens endlich ins Sprechzimmer kommt, traut sie ihren Ohren kaum: „Sie haben einen Rundrücken und eine leichte Skoliose“, lautet lapidar die Diagnose des Arztes, „brauchen Sie Schmerztabletten?“ Svenja verneint. Worauf der Arzt sagt: „Ich schreibe Ihnen trotzdem mal welche auf“. Auch die Frage der Studentin nach Krankengymnastik läuft ins Leere. Die könne er nicht verschreiben. Stattdessen drückt er der Frau die Kopie eines Buchdeckels in die Hand. „Hier, in diesem Buch stehen vorbeugende Übungen gegen Bandscheibenvorfälle drin.“ Bestellbar über jede Buchhandlung. Gute Besserung. Der Nächste, bitte!

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Kein Einzelfall

Auch wenn der Fall fast 10 Jahre alt ist – an Aktualität hat er nichts eingebüßt. „Solche Situationen erlebt man leider täglich in deutschen Arztpraxen“, sagt Dr. Carsten Schwarz. Der 40-jährige Internist und Palliativmediziner aus Berlin hat bereits als Student auf mehr Kommunikationstraining im Studium gedrängt. In seiner Weiterbildungszeit hat er genügend Beispiele schlechter Gesprächsführung miterlebt. Inzwischen ist er nicht nur als Internist und Pneumologe tätig, sondern schult auch Kollegen für das Gespräch mit den Patienten. Schwarz ist überzeugt: Fälle wie der von Svenja müssen nicht sein.

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Patienten kommen kaum zu Wort

Charakteristisch für einen durchweg „arztzentrierten“, vertikalen Kommunikationsstil ist seine Einseitigkeit. Hier redet fast ausschließlich der Arzt, bedingt durch

  • das rasche Unterbrechen der Patientenerzählung,

  • das Stellen geschlossener Fragen (nur „ ja“, „nein“ oder kurze Antwortmöglichkeit) bzw.

  • das Einengen des Patienten durch Suggestivfragen („Sie möchten doch schnell wieder gesund werden?“),

  • das gezielte Testen vorschneller Hypothesen,

  • das Ignorieren von Emotionen und

  • die Bevormundung des Patienten.

Bei den Patienten kommt das schlecht an.

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Konsequenzen mangelnder Kommunikation

Wer seinen Patienten von oben herab behandelt oder „verhört“, kassiert Minuspunkte. Im schlimmsten Fall kommt der Patient nicht wieder und  /oder beendet die Therapie eigenmächtig – so wie Svenja. Das Rezept über eine Packung Diclofenac wanderte ebenso in die Altpapiertonne wie die Kopie des Buchumschlags. Zu dem Orthopäden ging sie nie wieder.

„Durch gute Kommunikation kann man die Krankenhaus-Aufenthaltsdauer senken.“

Dr. Carsten Schwarz, Berlin, Internist und Kommunikationstrainer

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Worauf legt der Patient Wert?

Das Selbstverständnis der Patienten hat sich gewandelt. Viele wollen von ihrem Arzt als gleichberechtigter Partner ernst genommen werden. Erst kürzlich hat das eine Studie der Techniker Krankenkasse belegt [1]. Wieder einmal – denn das Ergebnis ist nicht wirklich neu. Die Befragung aus dem Jahr 2010 förderte drei Hauptpunkte für die Zufriedenheit der Patienten zutage, die sich allesamt gut vom Arzt beeinflussen lassen:

  1. Interaktion, d. h. Menschlichkeit, Verständnis, Empathie, Zeit für den Patienten, Ernstnehmen, Geduld etc.

  2. Einbinden in Entscheidungen

  3. fachliche Kompetenz, soweit der Patient diese beurteilen kann

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Status quo

Während die Teilnehmer der Studie mit der fachlichen Qualität ihrer Behandlung überwiegend zufrieden waren, stellten sie den Medizinern im Hinblick auf die anderen beiden Punkte ein schlechteres Zeugnis aus.

  • 22 % gaben an, selten oder nie danach gefragt zu werden, welche Therapie sie bevorzugen.

  • 14 % werden nach eigenen Angaben selten oder nie in Entscheidungsprozesse eingebunden.

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Theorie und Praxis

Die meisten Ärzte wissen: Es lohnt sich, den Patienten in das Gespräch einzubeziehen. Arzt-Patienten-Beziehung und Therapie profitieren, denn

  • die Patienten identifizieren sich mit der Therapieentscheidung,

  • die Compliance steigt,

  • die Patienten fühlen sich wohler und sind gesünder.

Das Paradoxe daran: Nur schätzungsweise 5 % der Ärzte interessieren sich tatsächlich für das, was der Patient denkt [2].

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Kommunikation wird kaum gelernt

Woran liegt es, dass der vertikale Gesprächsstil unter Ärzten immer noch so weit verbreitet ist? „Ganz einfach“, sagt Schwarz. „Sie haben es nicht gelernt.“ Das gern vorgebrachte Argument, für Gespräche fehle im Alltag die Zeit, lässt der Kommunikationsexperte nicht gelten. „Wenn ich schon wenig Zeit habe, dann kann ich die ja immerhin gut nutzen.“

Die gute Nachricht: Die Erkenntnis, dass Kommunikation bereits im Studium gelernt werden sollte, setzt sich zunehmend durch. Immer mehr Universitäten bieten entsprechende Veranstaltungen an, bereits ausgebildete Ärzte können sich in speziellen Kursen fortbilden (q Kasten S. 17). Trotzdem sind Verbesserungen nötig. Prof. Karl Köhle lehrt und forscht seit über 30 Jahren über die Arzt-Patienten-Kommunikation. Das Urteil des Kölner Psychotherapeuten zur aktuellen Ausbildungssituation fällt vorsichtig aus: „Insgesamt sind die Fortbildungen zur Kommunikation noch unterdosiert und die Qualität schwankt stark.“

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Kommunikation wird kaum honoriert

Nach Ansicht beider Experten verschlechtert die Honorierung im Gesundheitswesen die Kommunikationskultur zusätzlich: „Solange ein Arzt mehr für Ultraschall oder Röntgen bekommt als für das Gespräch, wird er auch weiter schallen und röntgen“, so Schwarz. Tatsächlich gibt es für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, auch mittels Fernsprecher (GOÄ, Leistung Nr. 3) nur 150 Punkte, also umgerechnet 8,74 Euro. Dafür muss der Arzt mindestens 10 Minuten mit seinem Patienten reden. Das Röntgen der Brust- oder Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen (GOÄ, Nr. 5105) dotiert die GOÄ dagegen mit 400 Punkten bzw. 23,31 Euro. Wären also Gespräche besser honoriert, sagt Schwarz, würden die Fachärzte sie auch führen.

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Auch der Arzt profitiert von guter Kommunikation

Ein wesentlicher Aspekt gerät in der Diskussion um Honorierung und Ansehen der Gesprächskultur leicht in Vergessenheit: der Arzt selbst.

Eine gute Arzt-Patienten-Beziehung durch bewusste Kommunikation bewirkt auch, dass es dem Arzt besser geht.

Ärzte mit ungenügender kommunikativer Kompetenz sind häufiger ausgebrannt [3]. Ein Übermaß an Idealismus und Perfektionismus sowie der Anspruch, alles selbst bestimmen zu wollen, sind die besten Voraussetzungen für ein Burn-out-Syndrom. Schätzungsweise 20–25 % der Ärzte in Deutschland leiden daran [4], die Suizidalität in dieser Berufsgruppe ist > 3-mal höher als in der Gesamtbevölkerung [5]. Als Trainer will Schwarz den Ärzten Werkzeuge an die Hand geben, damit es ihnen besser geht. „Dann geht es auch dem Patienten besser“.

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Grundlagen der Arzt-Patienten-Kommunikation

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Inhalte des Gesprächs

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Der idealtypische Gesprächsablauf

Am Anfang einen guten Kontakt herstellen – das ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Gespräch mit dem Patienten legt den Grundstein für die weitere Beziehung zwischen den beiden Partnern. Je nach Wesensart des Patienten kann die Gesprächsführung variieren. Wichtig: Gehen Sie flexibel und unvoreingenommen auf den Patienten zu, reagieren Sie auf seine Bedürfnisse. Als Grundregel kann der folgende Gesprächsaufbau dienen:

  1. Begrüßung (erste Beziehung aufbauen)

  2. Anliegen anhören (Erzählung des Patienten)

  3. Emotionen zulassen

  4. empathisch reagieren

  5. Details explorieren

  6. Vorgehen abstimmen

  7. Resümee und Verabschiedung

Dabei können sich die Punkte 2–6 wiederholen und abwechseln, bevor es zum Gesprächsabschluss kommt (mod. nach [6]).

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1. Die Begrüßung

Auch wenn es banal klingt: Begrüßen Sie Ihren Patienten! Schon zu Beginn entscheidet sich, ob man seinen Gesprächspartner sympathisch oder unsympathisch findet. Mit der richtigen Begrüßung [Abb. 1] lässt sich also viel gewinnen.

  • Geben Sie dem Patienten die Hand und

  • sprechen Sie ihn mit seinem Namen an.

  • Falls Sie diesen gerade nicht parat haben, fragen Sie Ihren Patienten freundlich danach.

  • Stellen Sie sich beim Erstkontakt auch selbst vor – gerade in der Klinik oder in einer Gemeinschaftspraxis weiß der Patient nicht unbedingt, wen er vor sich hat.

  • Tragen Sie ein Namensschild.

Praxistipp In der Begrüßungsphase sollten Sie Ihrem Patienten außerdem die Ziele des Gesprächs erläutern, und Sie können ihm den Zeitrahmen mitteilen. Das gibt dem Patienten Orientierung und schützt Sie vor ausufernder Inanspruchnahme.

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Abb. 1 Ein freundlicher Gruß mit Blickkontakt und Händedruck beginnt und beendet das Gespräch.

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2. Lassen Sie den Patienten erzählen

Direkt nach der Begrüßung können Sie auf den Anlass der Konsultation überleiten. Fragen Sie dazu den Patienten direkt, warum er gekommen ist. Gängige Formulierungen sind z. B.

  • „Herr X., was führt Sie zu mir?“

  • „Frau Y., was steht an?“

  • „Wie kann ich Ihnen helfen?“

  • „Wie geht es Ihnen heute?“ (typisch bei Visiten)

Allen diesen Fragen ist gemeinsam, dass sie offen formuliert sind. Der Patient erhält dadurch die Gelegenheit, seine Beschwerden zu schildern.

Wenn Sie eine offene Frage stellen, dann lassen Sie Ihren Patienten auch ausreden und hören Sie ihm zu.

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3. Emotionen haben Vorrang

Ärzte unterbrechen ihre Patienten durchschnittlich nach 11–24 Sekunden, obwohl diese auch von alleine schon nach rund anderthalb Minuten aufhören zu reden [7]. Das klingt zunächst nach einem großen Unterschied, aber: Auch wenn Sie Ihren Patienten unterbrechen, bleibt die Gesamt-Konsultationszeit fast gleich [7].

  • Wer seine Patienten unterbricht, spart kaum Zeit, bringt sich aber um wertvolle Informationen.

„Über die Hälfte seiner Gefühle und Emotionen wird der Patient nicht los, wenn man ihn unterbricht“, bemerkt Schwarz. Und genau sie verraten einiges über das Umfeld des Patienten und die möglichen Ursachen einer Erkrankung. Wenn etwa der Grund für Schmerzen oder Magenprobleme in psychisch belastenden Lebensumständen liegt, hat Unterbrechen hier auch zur Folge, dass der Patient mitunter nicht an die Diagnose des Arztes glaubt, so die Einschätzung von Schwarz.

  • Dann lässt der Patient nicht locker,

  • verlängert durch wiederholtes Nachfragen das Gespräch und/oder

  • wechselt zu einem Kollegen.

Der beabsichtigte Zeitgewinn durch das Unterbrechen ist damit schnell verpufft.

Emotionen ergeben sich nur in speziellen Zusammenhängen und bei passender Gelegenheit. Sie haben daher immer Vorrang. Die Fakten, wie z. B. Art der Symptome oder Schmerzintensität, können Sie auch später noch abfragen.

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4. Hören Sie Ihrem Patienten zu

Geben Sie Ihrem Patienten also die Chance zum Erzählen und ermutigen Sie ihn zum Weiterreden, auch wenn er bereits nach kurzer Zeit stockt. Oft benötigen Patienten zunächst eine Orientierungsphase oder einen kleinen „Schubs“, um ihr Anliegen angemessen formulieren zu können.

  • Durch aufmunternde Gesten, wie z. B. Kopfnicken,

  • durch Blickkontakt oder

  • ab und an ein „hm“ oder „ja“

signalisieren Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie ihm zuhören und Interesse an seiner Geschichte haben. Zeigen Sie darüber hinaus, dass Sie das Gesagte auch verarbeiten. Dieses sog. aktive Zuhören beinhaltet, dass Sie z. B.

  • Gesagtes noch einmal wörtlich wiederholen oder kurz zusammenfassen,

  • offen weiterfragen („Woran lag das?“, „Was passierte dann?“),

  • bei unklarer Formulierung rückfragen („Wie meinen Sie das genau?“, „Sie denken also, dass ...?“) und

  • Emotionen nicht ignorieren, sondern darauf empathisch eingehen.

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5. Weitere Details erfragen

Wenn der Patient seine Erzählung beendet hat, können Sie nicht nur auf Emotionen noch einmal genauer eingehen, sondern auch die Anamnese erheben. Dabei müssen Sie zwangsläufig geschlossene Fragen stellen, beispielsweise zur

  • Lokalisierung von Beschwerden („Wo tut es weh?“)

  • Qualität („Ist es eher ein Pochen?“)

  • Intensität („Wie stark sind die Schmerzen?“)

  • Kondition („Treten die Beschwerden auch in Ruhe auf?“) oder zur

  • Zeit („Seit wann haben Sie das?“)

Vor dem Wechsel auf einen solchen krankheitszentrierten Frageansatz empfiehlt es sich, den Patienten darauf vorzubereiten. Dies geschieht, indem man ihm den Grund dafür erläutert:

  • „Herr X., um Ihre Schmerzen genau einordnen zu können, muss ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen.“

Auf dieselbe Art kann man auch auf heikle und intime Fragen im Rahmen der Anamnese und auf die körperliche Untersuchung überleiten.

Praxistipp Zur Anamnese gehört auch die Frage, ob der Patient Medikamente einnimmt. Oft verneint er dies. Fragen Sie aber trotzdem noch einmal explizit nach Insulin oder Tabletten gegen Bluthochdruck. „Zucker“ und Bluthochdruck werden von Vielen kaum noch als Krankheit wahrgenommen. Auch orale Kontrazeptiva werden nicht unbedingt als Medikamente angesehen.

 

Wo finde ich spezielle Fortbildungsangebote?

Wenn Sie Fortbildungen besuchen möchten, sollten diese auf ärztliche Gespräche zugeschnitten sein. Veranstalter sind u. a.:

Kassenärztliche Vereinigungen, Landes- und Bezirksärztekammern; Infos in den jeweiligen Veranstaltungskalendern

Nutzen Sie die Seminare, die Ihre Klinik anbietet.

Die Arbeitsgemeinschaft KIM – Kommunikation und Interaktion in der Medizin bietet regelmäßig Schulungen an. www.kim-berlin.net/Fortbildungen.html

 

„Patienten verkraften sehr viel, wenn sie merken, dass es Interesse und Verständnis für ihre Perspektive gibt.“

Prof. Karl Köhle, Köln, ehemaliger Direktor der Klinik für Psycho-somatik und Psychotherapie, Uniklinik Köln

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6. Das Vorgehen abstimmen

Inhalte des nächsten Gesprächsabschnitts sind

  • das Mitteilen der Diagnose und

  • die Planung des weiteren Vorgehens, d.h. der ggf. zusätzlich notwendigen Diagnostik und der Therapie.

  • Dabei ist es essenziell, den Patienten ehrlich zu informieren und seine Gefühle zu berücksichtigen.

Nach Ansicht von Dr. Carsten Schwarz neigen Ärzte dazu, Prognosen zu beschönigen. Der Patient denkt dann womöglich noch, dass er geheilt wird – und fällt später aus allen Wolken. Gerade bei infausten Prognosen muss der Betroffene jedoch die Chance erhalten, planen zu können und sich von seinen Angehörigen/Freunden verabschieden zu können.

Praxistipp Lassen Sie den Patienten ab und zu wiederholen, was er verstanden hat. Das hilft, Missverständnissen vorzubeugen, und Sie haben die Möglichkeit, das Wesentliche noch einmal richtigzustellen.

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7. Der Gesprächsabschluss

So, wie die Begrüßung den Grundstein legt, benötigt das gute Gespräch einen Schlussstein. Er stabilisiert die aufgebaute Beziehung. In der Regel verläuft die Abschlussphase so:

  • Bevor der Patient das Sprechzimmer verlässt, fassen Sie noch einmal die wichtigsten Inhalte und Vereinbarungen zusammen.

  • Vergewissern Sie sich, dass Ihr Patient keine offenen Fragen mehr hat.

  • Falls weitere Gespräche oder Untersuchungen nötig sind, vergeben Sie einen Folgetermin.

  • Verabschieden Sie den Patienten bei Nennung seines Namens mit Händedruck.

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Faktor Zeit

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Zeitbedarf

Gute Kommunikation muss kein Zeitkiller sein und keine halbe Stunde dauern. Im Gegenteil – sogar bei Aufklärungsgesprächen reichen oft 10 Minuten.

  • Gerade nach Krebsdiagnosen mit infausten Prognosen sind die Betroffenen auch gar nicht mehr aufnahmefähig. „30 Minuten wären dann oft eine Qual“, gibt Schwarz zu bedenken. Und die Patienten kämen am nächsten Tag noch einmal mit denselben Fragen.

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Einpassung in den täglichen Betrieb

Patientengespräche bedürfen vor allem eines guten Zeitmanagements. Laut Köhle dauert die Visite pro Patient 6–7 Minuten, einem niedergelassenen Arzt bleiben auch nur ca. 8 Minuten [8].

  • Schwarz rät daher, z. B. Aufklärungsgespräche nicht in den laufenden Praxisbetrieb, sondern ans Ende der Sprechzeiten zu legen.

  • Das ist aber kein Muss: manche Ärzte vergeben von Vornherein kurze oder lange Termine und blocken feste Zeitfenster für bestimmte Diagnosemitteilungen oder Aufklärungsgespräche.

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Die Rahmenbedingungen

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Kommunikationsmittel

Worte machen nur einen Bruchteil (ca. 7 %) der Wirkung von Kommunikation aus [9]. Mehr als die Hälfte entfällt dagegen auf nonverbale Kommunikation, wie

  • Gestik und Mimik,

  • Blickkontakt,

  • Körperhaltung und

  • Verhalten allgemein.

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Sprache

Trotzdem ist eine angemessene Wortwahl entscheidend. Wenn der Gesprächspartner schon an der Bedeutung der Wörter scheitert, bringt auch der beste Gesprächsaufbau nichts. Schneiden Sie daher die Information auf den Patienten zu.

  • Reden Sie in der Sprache Ihres Patienten: Nutzen Sie sein Vokabular (keine Fachbegriffe). Das Gespür für die Sprache des Patienten bekommen Sie während seiner Erzählung.

  • Bilden Sie kurze, einfache Sätze.

  • Sprechen Sie deutlich.

  • Formulieren Sie Ihre Aussagen klar und so positiv wie möglich, aber

  • bleiben Sie dabei glaubwürdig und vor allem ehrlich.

Verneinungen negativer Begriffe („keine Panik“, „nicht schlecht“ usw.) wirken zuweilen anders, als sie gemeint waren: Sie beruhigen den Patienten nicht und provozieren daher Missverständnisse.

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Verhalten des Arztes

Vermitteln Sie dem Patienten, dass er im Mittelpunkt steht. Schon die Körperhaltung verrät viel über die Einstellung zum Gesprächspartner.

  • Aktives Zuhören signalisieren Sie über eine leicht vorgebeugte Sitzhaltung, Blickkontakt und Nicken bzw. Kopfschütteln [Abb. 2].

  • Wer sich dagegen lässig im Stuhl zurück lehnt, permanent in Akten blättert oder auf die Uhr sieht, verunsichert seinen Patienten und strahlt Desinteresse aus.

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Abb. 2 Der Patient darf seine Beschwerden und seine Sorgen schildern. Der Arzt signalisiert ihm das und hört aufmerksam zu.

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Gesprächsatmosphäre

Eine ungestörte und positive Umgebung schafft Vertrauen und erleichtert das Reden. Dies ist vor allem bei schwierigen Gesprächen wichtig.

  • Bieten Sie Ihrem Patienten eine Sitzgelegenheit an und setzen Sie sich ebenfalls – am besten auf Augenhöhe des Patienten.

  • Achten Sie auf freie Sicht! Auf dem Schreibtisch sollten weder Akten noch andere Gegenstände den Blickkontakt zum Gegenüber stören. Verstecken Sie sich bei Visiten nicht hinter dem Visitenwagen oder hinter der Kurve.

  • Vermeiden Sie auch andere Störungen, z. B. durch ein entsprechendes Schild an der Sprechzimmertür.

  • Natürlich gilt: Telefon bzw. Handy aus!

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Besonderheiten bei der Visite

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Chance für den Patienten zur Information

Auch bei der Visite in der Klinik gilt: Reden Sie mit dem Patienten, nicht über ihn. Für den Patienten ist die Visite häufig die einzige Gelegenheit, sich einem Arzt mitzuteilen und Informationen zu seinem Krankheits- und Therapieverlauf zu erhalten. Die wenigen Minuten werden so zum Höhepunkt in seinem Klinikalltag.

Zusätzlich zu den bereits genannten Gesprächshinweisen sind bei der Visite zu beachten:

  • Die fachliche Vorbereitung auf Befunde, Gesprächsinhalt etc. findet vor der Zimmertür statt.

  • Das Gespräch mit dem Patienten leitet der visiteführende Arzt.

  • Setzen Sie sich beim Visitengespräch möglichst auf einen Stuhl neben den Patienten. Setzen Sie sich nicht auf das Bett.

  • Antworten Sie dem Patienten ehrlich auf seine Fragen und weichen Sie nicht aus.

  • Schwierige, potenziell lebensverändernde Mitteilungen nie im Mehrbettzimmer machen. Vereinbaren Sie dafür einen Extratermin und planen Sie mehr Zeit ein.

  • Dasselbe gilt für Aufklärungsgespräche vor Operationen.

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Rolle des Pflegepersonals

Häufig ist das Pflegepersonal bei den Visiten nicht anwesend. Ein Manko, findet Carsten Schwarz. Auch die Schwestern sollten über Befunde, Diagnosen und Therapien Bescheid wissen. „Wenn der Arzt den Raum verlassen hat, rufen die Patienten nämlich den Pfleger und fragen ihn nach seiner Einschätzung“, so die Erfahrung von Schwarz. Damit hier einheitliche Informationen weitergegeben und keine falschen Hoffnungen geweckt werden, dürfen keine Lücken entstehen.

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Denken Sie auch an sich selbst!

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Empathie ist gut, Sympathie mitunter gefährlich

Sich auf den Patienten einzulassen, ist die eine Sache. Aber: „Es ist nicht damit getan, den Patienten ausreden zu lassen“, warnt der Kölner Psychotherapeut Prof. Karl Köhle. „Wenn Sie den Patienten reden lassen, werden Sie auch mit dessen Problemen belastet. Es kommt jetzt darauf an, ihn fachkompetent zu beraten und zu unterstützen.“ Den eigenen Kommunikationsstil im Hau-Ruck-Verfahren umzustellen, sei dabei der falsche Weg.

  • Wichtig sei stattdessen, zu versuchen, die Bewältigungsansätze der Patienten zu verstehen und

  • die eigenen Reaktionen zu reflektieren.

  • Erst dann sollte eine Umstellung erfolgen.

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Übung macht den Meister

Am besten gelingt das durch Üben in der Gruppe – mit Supervision. „Der Rahmen sollte schon mindestens 20 Stunden umfassen“, meint Köhle. „Für andere Kurse sind solche Zeiten normal, aber eben nicht für Kommunikation.“ Auch Carsten Schwarz rät, sich regelmäßig mit Kollegen auszutauschen und über seine Erfahrungen zu reden. „Oft merkt man erst spät, dass es einen selbst mitnimmt“. Das Gespräch hilft, ein professionelles Verhältnis zu den Problemen der Patienten aufzubauen und verhindert das Umschlagen von Empathie in Sympathie. „Das muss man lernen“, sagt der Berliner. „Und man kann es auch.“

Mehr zum Thema

Köhle K et al. Manual Ärztliche Gesprächsführung und Mitteilung schwerwiegender Diagnosen. 5. Aufl. Köln: AG Medizindidaktik; 2010 Kitteltaschen-Leporello

Schweickhardt A, Fritzsche K. Kursbuch ärztliche Kommunikation. 2. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2009 Vermittelt Grundlagen anhand zahlreicher Fallbeispiele aus Klinik und Praxis. Mit Übungen.

 

Literatur online

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Beitrag online zu finden unter www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1272349

Weiteres Material zum Artikel
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Literatur

  • 1 Bestmann B, Verheyen F. Patientenzufriedenheit. Ergebnisse einer repräsentativen Studie in der ambulanten ärztlichen Versorgung. WINEG Wissen 01. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2010
  • 2 Müller K. Kenntnisse und Einstellungen klinisch tätiger Ärzte zum Patienten-Gespräch – Eine Untersuchung zum ärztlichen Kommunikationsverhalten [Dissertation]. Berlin: Freie Universität Berlin; 2004
  • 3 Schweickhardt A, Fritzsche K. Kursbuch ärztlicher Kommunikation. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2009. 2
  • 4 Bergner TMH. Burn-out bei Ärzten.  Dr. med. Mabuse. 2010;  188 36-38
  • 5 Reimer C, Trinkaus S, Jurkat HB. Suizidalität bei Ärztinnen und Ärzten.  Psychiat Prax. 2005;  32 381-385
  • 6 Koerfer A, Köhle K, Obliers R et al.. Training und Prüfung kommunikativer Kompetenz. Aus- und Fortbildungskonzepte zur ärztlichen Gesprächsführung.  Gesprächsforschung. 2008;  9 34-78
  • 7 Wilm S, Knauf A, Peters T, Bahrs O. Wann unterbricht der Hausarzt seine Patienten zu Beginn der Konsultation?.  Z Allg Med. (und Zitate darin) 2004;  80
  • 8 Barmer GEK Hrsg.. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse. Bd. 1. Barmer GEK Arztreport. St. Augustin: Asgard; 2010
  • 9 Bergner TMH. Wie geht's uns denn? Ärztliche Kommunikation optimieren. Stuttgart: Schattauer; 2009
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Daniela Erhard

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Literatur

  • 1 Bestmann B, Verheyen F. Patientenzufriedenheit. Ergebnisse einer repräsentativen Studie in der ambulanten ärztlichen Versorgung. WINEG Wissen 01. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2010
  • 2 Müller K. Kenntnisse und Einstellungen klinisch tätiger Ärzte zum Patienten-Gespräch – Eine Untersuchung zum ärztlichen Kommunikationsverhalten [Dissertation]. Berlin: Freie Universität Berlin; 2004
  • 3 Schweickhardt A, Fritzsche K. Kursbuch ärztlicher Kommunikation. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2009. 2
  • 4 Bergner TMH. Burn-out bei Ärzten.  Dr. med. Mabuse. 2010;  188 36-38
  • 5 Reimer C, Trinkaus S, Jurkat HB. Suizidalität bei Ärztinnen und Ärzten.  Psychiat Prax. 2005;  32 381-385
  • 6 Koerfer A, Köhle K, Obliers R et al.. Training und Prüfung kommunikativer Kompetenz. Aus- und Fortbildungskonzepte zur ärztlichen Gesprächsführung.  Gesprächsforschung. 2008;  9 34-78
  • 7 Wilm S, Knauf A, Peters T, Bahrs O. Wann unterbricht der Hausarzt seine Patienten zu Beginn der Konsultation?.  Z Allg Med. (und Zitate darin) 2004;  80
  • 8 Barmer GEK Hrsg.. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse. Bd. 1. Barmer GEK Arztreport. St. Augustin: Asgard; 2010
  • 9 Bergner TMH. Wie geht's uns denn? Ärztliche Kommunikation optimieren. Stuttgart: Schattauer; 2009
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Daniela Erhard

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Abb. 1 Ein freundlicher Gruß mit Blickkontakt und Händedruck beginnt und beendet das Gespräch.

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Abb. 2 Der Patient darf seine Beschwerden und seine Sorgen schildern. Der Arzt signalisiert ihm das und hört aufmerksam zu.