Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2011; 1(1): 32-37
DOI: 10.1055/s-0031-1272352
Fachwissen
Titelthema: Akutes Abdomen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Akutes Abdomen – Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co

Carl C. Schimanski, Ana P. C. Barreiros, Hauke Lang, Peter R. Galle, Ines Gockel
Further Information
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PD Dr. med. Carl Christoph Schimanski
PD Dr. med. Ana Paula C Barreiros
Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang
Prof. Dr. med. Peter R Galle
PD Dr. med. Ines Gockel

Email: christoph.schimanski@unimedizin-mainz.de

Email: barreiros@1-med.klinik.uni-mainz.de

Email: lang@ach.klinik.uni-mainz.de

Email: peter.galle@unimedizin-mainz.de

Email: ines.gockel@unimedizin-mainz.de

Publication History

Publication Date:
03 February 2011 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Akute Bauchschmerzen rangieren unter den häufigsten Symptomen in internistischen und chirurgischen Notaufnahmen. Die häufigsten Ursachen sind die akute Appendizitis gefolgt von der akuten Cholezystitis/Choledocholithiasis und einem Ileus. Neben der klinischen und laborchemischen Untersuchung spielen bildgebende Verfahren eine wichtige Rolle in der Diagnostik. Am sinnvollsten erscheint entsprechend der Optima-Studie die Strategie, jeden Patienten einer Sonografie zuzuführen und hiernach nur bei unklarem Ultraschallbefund eine CT-Untersuchung anzuhängen. Dieses Vorgehen könnte die Zahl der CT-Anwendungen halbieren, ohne dass die Diagnose hierunter leiden würde.

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PD Dr. med. Carl Christoph Schimanski arbeitet als gastroenterologischer Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: christoph. schimanski@unimedizin-mainz.de

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PD Dr. med. Ana Paula C. Barreiros ist Oberärztin und Leiterin der Sonografie an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: barreiros@1-med.klinik.uni-mainz.de

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Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: lang@ach.klinik.uni-mainz.de

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Prof. Dr. med. Peter R. Galle ist Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er gehört zum Herausgebergremium von Lege artis. E-Mail: peter.galle@unimedizin-mainz.de

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PD Dr. med. Ines Gockel ist Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: ines.gockel@unimedizin-mainz.de

Stellen Sie sich vor, Sie haben Notdienst, und vor Ihnen krümmt sich ein Patient vor starken Bauchschmerzen. Gar nicht so unwahrscheinlich: Immerhin ist fast jeder zehnte Notaufnahme-Patient davon betroffen. Auch wenn sich die Ursache meist als akute Appendizitis, ein Gallenleiden oder ein Ileus entpuppt –die Liste an weiteren Möglichkeiten ist lang. In der Notsituation schnell die richtige Diagnose zu treffen, ist daher schwierig. Einfacher wird es, wenn Sie wissen, welche Untersuchungen nötig sind und wie Sie die Ergebnisse interpretieren müssen. Unsere Autoren fassen das Wichtigste für Sie zusammen.

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Inzidenz

Bis zu 50 % aller Erwachsenen leiden unter zum Teil seltenen, aber auch rezidivierenden akuten Bauchschmerzen [1] [2]. Abdominalschmerzen gehören daher auch zu den häufigsten Symptomen in der Notaufnahme: 5–10 % aller Patienten, die sich dort vorstellen, tun dies aufgrund akuter Bauchschmerzen [3].

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Definition

Vom „akuten Abdomen“ spricht man bei einem schwerwiegenden Bauchbefund, der durch einen plötzlichen Beginn, Schmerz, Abwehrspannung und muskuläre Rigidität gekennzeichnet ist. Da ihm häufig eine Notoperation folgt, kann er auch als „chirurgisches Abdomen“ tituliert werden. Indikativ dafür sind

  • eine Schmerzanamnese von < 48 Stunden, gefolgt von

  • Erbrechen,

  • Abwehrspannung und

  • Loslass-Schmerz,

  • fortgeschrittenes Alter sowie

  • vorangegangene Operation [4].

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Ursachen

Die Ursachen des akuten Bauchschmerzes bzw. des akuten Abdomens sind vielfältig und müssen nicht auf abdominelle Erkrankungen beschränkt sein [Tab. 1]. Meist handelt es sich bei dem Auslöser der Beschwerden aber um eine

  • akute Appendizitis (15,9–28,1 %),

  • akute Cholezystitis/Choledocholithiasis (2,9–9,7 %) oder einen

  • Ileus (4,1–8,6 %) [7] [8] [9]. Häufig sind auch

  • Divertikulitis (8,2 %),

  • Pankreatitis (3,3 %) oder

  • Hohlorganperforationen (2,3 %) [9].

Trotz Anamnese, körperlicher Untersuchung und ausführlicher Diagnostik bleibt jedoch in bis zu 50 % der Fälle die Ätiologie des abdominellen Schmerzes unklar [7] [8] [9] [10].

Besondere Aufmerksamkeit ist bei älteren (> 75 Jahren) und immunsupprimierten Patienten geboten: Bei ihnen spiegelt die Symptomatik nicht unbedingt das Ausmaß der Schwere wider.

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Tab. 1 modifiziert nach [5] [6]

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Schmerzen

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Klassifikation

Der Schmerz beim akuten Abdomen kann weiter differenziert werden bzgl.

  • seines Charakters (viszeral oder somatisch),

  • seiner Lokalisation (4 Quadranten) und

  • seiner Ursache (organisch vs. funktionell bzw. intra- vs. extraabdominell).

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Oberflächen- und Tiefenschmerz

Somatische Schmerzen entstehen durch Reizung des Peritoneum parietale und des mesenterialen Absatzes.

  • Sie treten umschrieben (lokalisierbar) auf und

  • stellen sich als scharfer bis brennender Dauerschmerz oder als blitzschnell auftretender und verschwindender Akutschmerz dar.

  • Erschütterungen wie Husten, Niesen oder Bewegung verschlimmern den Schmerz.

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Eingeweideschmerzen

Viszerale Schmerzen entstehen durch Akutschädigungen von abdominellen Hohlorganen.

  • Sie manifestieren sich krampfartig, dumpf bzw. kolikartig und

  • sind klassischerweise schlecht lokalisierbar.

  • Bewegung bringt eine Schmerzerleichterung, Ruhe eine Verschlimmerung.

Viszerale Schmerzen projizieren sich auf die zugehörigen Dermatome (Head-Zonen, [Tab. 2]).

Ein initial viszeraler Schmerz (wie etwa bei beginnender Appendizitis) kann sich zu einem somatischen, klar fokussierbaren Schmerz weiterentwickeln (z. B. bei Übergriff der Appendizitis auf das lokale Peritoneum parietale).

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Tab. 2

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Wo tut es weh?

Auch die Lage des Schmerzes lässt einen Rückschluss auf die Ätiologie zu. Wichtige Lokalisationen sind:

  • die 4 Quadranten (rechter Oberbauch, rechter Unterbauch, linker Oberbauch, linker Unterbauch),

  • die Mittellinie bzw.

  • die diffuse Lokalisation [Abb. e1, online]

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Abb. e1 Lokalisationsabhängige Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens (nach [6])).

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Anamnese und körperliche Untersuchung

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Danach müssen Sie den Patienten fragen

Die Vorstellung eines Patienten mit einem akuten Abdomen in der Notaufnahme sollte verschiedene Vorgehensweisen auslösen. Zur Anamnese gehören zwingend die Fragen zu

  • Schmerzbeginn (wann),

  • Dauer (wie lange),

  • Lokalisation (wo),

  • Triggerereignissen (warum) und

  • Begleitsymptomen,

da sie relevante Informationen zur Ätiologie beitragen.

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Auf den ersten Blick

Auch die Inspektion des Patienten kann Hinweise auf die Ursache geben:

  • Eine starre Haltung ist typisch für eine Peritonitis.

  • Wälzt sich der Patient herum, spricht das für eine Kolik (z. B. biliär oder renal).

  • Abnorme Darmbewegungen oder -steifungen sind Zeichen für einen Ileus.

  • Ein asymmetrisches Abdomen deutet auf einen mechanischen Ileus hin.

  • Ein Sklerenikterus ist Symptom der Choledocholithiasis (Differenzialdiagnose: Cholestase).

  • Achten Sie auf OP-Narben und Bruchpforten (eingeklemmte Hernie).

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Abhören

Bei der Auskultation ist die Vitalität der Darmgeräusche entscheidend.

  • Verstärkte Darmgeräusche treten bei mechanischem Ileus und Gastroenteritis auf.

  • Herabgesetzte oder fehlende Darmgeräusche charakterisieren einen paralytischen Ileus oder sind reflektorisch bedingt bei Peritonitis, Pankreatitis oder Koliken.

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Palpation

Bei der Palpation sollten Sie nicht nur auf den Tastbefund an sich achten, sondern auch auf die Reaktion des Patienten.

  • Lokalisierter Schmerz grenzt die Erkrankung auf ein Organ ein.

  • Abwehrspannung und Loslass-Schmerz sind Zeichen einer frühen Peritonitis.

  • Diffuser Schmerz tritt häufig bei Peritonitis auf.

  • Der Bauch fühlt sich prall elastisch an bei Pankreatitis („Gummibauch“).

  • Fehlende Abwehrspannung findet sich häufig bei Patienten mit Kolik.

  • Resistenzen sind bei Tumoren und Ileus tastbar.

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Perkussion

Zur Untersuchung des Abdomens gehört auch die Perkussion. Hier grenzt die Qualität des Klopfschalls die möglichen Ursachen ein.

  • Trommelartigen Schall (Tympanie) hört man über luftgefüllten Bereichen, z. B. bei aufgetriebenem Darm, Ileus oder Koprostase.

  • Tumoren und Aszites dämpfen den Schall.

  • Fehlende Leberdämpfung entsteht durch ein Pneumoperitoneum oder die Perforation eines Hohlorgans.

  • Meldet der Patient bereits bei vorsichtiger Perkussion Schmerzen, ist eine Peritonitis wahrscheinlich.

Die körperliche Untersuchung geht zwar einer weiteren laborchemischen oder bildgebenden Diagnostik voraus, dennoch hat ihre Zuverlässigkeit Grenzen: Bestes Beispiel sind die persistent hohen und v. a. negativen Appendektomieraten.

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Labor

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Diese Faktoren sollten Sie analysieren

Das Basislabor sollte bestimmte Parameter auf jeden Fall beinhalten:

  • Serumchemie: Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Blutzucker, Bilirubin, GOT/GPT, AP, gGT, Lipase, Amylase, C-reaktives Protein (CRP)

  • Blutbild

  • Gerinnung: Quick, INR, PTT und Fibrinogen

  • Laktat

  • Urinsediment

  • Schwangerschaftstest bei Frauen im gebärfähigen Alter

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Interpretation der Laborparameter

Einzelne Laborparameter sind allerdings nur von geringer diagnostischer Prädiktion [11].

  • So erlaubt z. B. der CRP-Spiegel allein keine Aussage darüber, ob der Patient einer dringenden Operation bedarf oder nicht.

  • Sind jedoch ≥ 2 Entzündungsparameter (Leukozytenzahl, CRP, Granulozytenzahl) bei typischer Klinik erhöht, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine akute Appendizitis vor [12].

  • Im Gegensatz hierzu ist eine Appendizitis sehr unwahrscheinlich, wenn sich alle Parameter im Normbereich bewegen.

Die besten Ergebnisse bieten Laborwerte nur in Kombination mit der körperlichen Untersuchung.

Folgende Marker können ätiologisch hilfreich sein:

  • Bilirubin ist bei Cholestase (z. B. Choledocholithiasis) erhöht.

  • Bei Kreatinin-Erhöhung ist ein Harnstau wahrscheinlich.

  • Bei GOT/GPT-Erhöhung sollten Sie an Hepatitis denken.

  • Erhöhte Lipase-Werte deuten auf Pankreatitis hin.

  • CRP und Leukozyten sind mit Perforation und/oder eitriger Infektion assoziiert.

  • Über eine Laktat-Bestimmung lässt sich eine mesenteriale Ischämie aufdecken.

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Beim älteren Patienten ist manches anders

Ältere Patienten sind nicht nur hinsichtlich der Symptomatik besonders: Auch ihre Laborparameter sind mitunter wenig aussagekräftig.

  • In rund einem Drittel aller Fälle mit akutem Abdomen können Leukozytenzahlen und Körpertemperatur unauffällig sein [13].

  • Ebenso können bei über 65-Jährigen trotz akuter Cholezystitis in 84 % der Fälle die typischen Oberbauchschmerzen und in 50 % der Fälle Fieber und Leukozytenerhöhung fehlen [14].

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Bildgebung

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Röntgen ist kein Muss

Nach Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor stellt die Bildgebung einen wesentlichen Part der Diagnostik dar. Die klassische Röntgen-Abdomen-Übersichtsaufnahme wird inzwischen jedoch als optional angesehen und zunehmend durch die Sonografie bzw. Computertomografie (CT) abgelöst.

  • Die Röntgen-Leeraufnahme ändert die klinische Diagnose nicht und

  • steigert weder Sensitivität noch Spezifität [15] [16].

Sinnvoll scheint das Röntgen weiterhin zum Nachweis von Spiegeln und freier Luft – also zum Ausschluss von Ileus und Hohlorganperforation.

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Ultraschall stellt viele Befunde gut dar

Die Sonografie ist nicht invasiv und leicht wiederholbar, bedarf jedoch einer Basiserfahrung im Einsatz der Technik. Mehrere Studien zeigen, dass der sonografische Befund untersucherabhängig ist. Vor allem für die akute Appendizitis ist dies gut belegt. Die Sonografie eignet sich besonders bei:

  • Cholezystitis und Choledocholithiasis

  • Leberabszessen

  • Pankreatitis

  • Appendizitis

  • Gastroenteritis

  • Sigmadivertikulitis

  • chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

  • Pleuritis mit Pleuraergüssen

  • mesenterialen Perfusionsstörungen (Doppler, Duplex)

  • Milzabszessen, -infarkten und Milzruptur

  • Harnstau, z. B. infolge eines Steinabgangs sowie

  • diversen gynäkologischen Ursachen.

Cave Bei Luftüberlagerung, v. a. im Bereich des Mittelbauchs, ist die Sonografie nur begrenzt aussagekräftig.

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Computertomografie

Aufgrund der Nachteile von Röntgen und Ultraschall diskutieren manche Autoren den Stellenwert der CT in der Diagnostik des akuten Abdomens. Vorteile sind u. a.:

  • rasche und überlagerungsfreie Diagnostik [6]

  • ca. 1 Tag kürzere Liegedauer

  • pathologische Abdominalbefunde werden eher erkannt

  • tendenziell geringere Mortalität [17]

  • das Spiral-CT kann als Maßnahme der Wahl bei Verdachtsdiagnosen angesehen werden, die einen sofortigen operativen Eingriff implizieren (z. B. Ischämien, Strangulationen oder Perforationen) [6]

Allerdings reduziert die primäre CT-Diagnostik nicht die Anzahl negativer Appendektomien oder die Perforationsraten.

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Bildgebung der Wahl

Der übermäßige Einsatz der CT führt zu einer unnötigen Strahlenbelastung und einer Kostenexplosion. Es stellt sich also die Frage, wann die günstigere und einfachere Sonografie und wann die teure und aufwendige CT indiziert sind. Gemäß der Optima-Studie erscheint folgende Strategie am sinnvollsten [6]:

  • Jeder Patient wird sonografisch untersucht.

  • Nur bei unklarem Ultraschallbefund folgt eine CT-Untersuchung [Abb. e2, online].

Dieses Vorgehen könnte die Zahl der CT-Anwendungen halbieren sowie die Sensitivität nach klinischer Diagnose von 88 auf 94 % und die Spezifität von 41 auf 68 % steigern [15] [16].

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Abb. e2

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Typische Ultraschallbefunde

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Cholezystitis

Für eine Entzündung der Gallenblase sind folgende Befunde charakteristisch:

  • Gallenblasenwand ≥ 3 mm [Abb. 1]

  • Gallenblasenwand geschichtet

  • echoarmer Saum im Gallenblasenbett [Abb. 2]

  • umschriebener Schmerz bei der Gallenblasendarstellung (sonografisches Murphyzeichen)

  • ggf. echoarmer Gallenblaseninhalt (Gallenblasenempyem)

Sind gleichzeitig Gallensteine [Abb. 3] oder eine verdickte Gallenblasenwand mit lokalisiertem Druckschmerz nachweisbar, kann man die Diagnose „Cholezystitis“ mit großer Sicherheit stellen.

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Abb. 1 Verdickte, dreigeschichtete Gallenblasenwand (Wanddicke D1: 6,3 mm) als Zeichen einer akuten Cholezystitis.

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Abb. 2 Akute Cholezystitis bei mit Sludge (S) gefüllter Gallenblase, umgebendem Flüssigkeitssaum (F) und dreigeschichteter Gallenblasenwand.

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Abb. 3 Akute Cholezystitis: grenzwertig verdickte Gallenblasenwand (innerhalb der Marker; D1: 3,3 mm, D2: 2,8 mm) mit Dreischichtung und Gallenblasenkonkrementen.

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Cholestase/Choledocholithiasis

  • Ein erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC) > 7–8 mm (> 10 mm nach Cholezystektomie) ist als primär pathologisch anzusiedeln [Abb. 4],[Abb. 5].

  • Folglich lässt sich auch eine intrahepatische Cholestase mit der Ausbildung sogenannter Doppelflinten beobachten [Abb. 6]:

    • Pfortaderast und Gallengang nebeneinander oder übereinander nachweisbar bzw.

    • intrahepatische Gallengänge > 2 mm.

Wie in der Gallenblase können sich Steine bzw. Sludge auch in den Gallengängen manifestieren. Achtung: Sonografisch indirekte Zeichen, wie der echostarke Reflex mit distalem Schallschatten, können weniger stark ausgeprägt sein bzw. ganz fehlen!

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Abb. 4 Erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC) mit sonografisch darstellbarem Konkrement (innerhalb der Marker; D1: 11,8 mm).

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Abb. 5 Erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC, innerhalb der Marker; D1: 6,1 mm).

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Abb. 6 Sonografisch darstellbare intrahepatische Cholestase mit Doppelflinten-Phänomen.

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Appendizitis

Bei Verdacht auf Appendizitis empfiehlt sich der Einsatz einer hochfrequenten Schallsonde (mindestens 5 MHz).

  • Die normale Appendix stellt sich im Querschnitt als kleine Kokarde aus einem echoarmen Ring und einem echodichten Zentrum dar. Im Längsschnitt bilden sich Wand und Lumen bandförmig ab.

Eine Appendizitis wird angenommen, wenn bei entsprechenden Schmerzen einer nicht komprimierbaren Appendix folgende Bedingungen zutreffen:

  • mehr als 7 mm Gesamtdurchmesser

  • mehr als 3 mm Wandstärke

Verdächtig ist auch jede Appendix mit hellem Lumenreflex und Schallschatten entsprechend einem Koprolith.

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Divertikulitis

Die Diagnose der Sigmadivertikulitis ist deutlich schwieriger.

  • Die Wand des Sigmas erscheint verdickt.

  • In der Umgebung des Sigmas sind z. T. helle Reflexe sichtbar – dies sind luftgefüllte Divertikel bzw. lufthaltige parasigmoidale Abszesse.

  • Die sonografisch häufig gut darstellbare entzündliche Infiltration des mesenterialen Fettgewebes lässt indirekt den Verdacht auf eine Divertikulitis zu.

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Ileus

Der Darmverschluss ist im Ultraschall

  • durch flüssigkeits- bzw. stuhlgefüllte, erweiterte Darmschlingen erkennbar.

  • Im Längsschnitt manifestieren sich im Bereich des Dickdarms Kerckring-Falten als Strickleitermuster.

  • Bei mechanischem Darmverschluss besteht initial eine Mehrperistaltik, der Darminhalt pendelt im Ultraschall sichtbar hin und her (Pendelperistaltik).

  • Bei paralytischem Ileus sind die Darmschlingen starr und bewegungslos.

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Akute Pankreatitis

Sonografisch findet sich bei einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse eine diffuse Schwellung des Organs mit einem peripankreatischen Flüssigkeitssaum.

  • Je nach Schweregrad können Abszesse, Zysten [Abb. 7], „Flüssigkeitsstraßen“ oder ein Aszites nachweisbar sein.

  • Eventuell ist das Organ aufgrund der ödematösen Tränkung des retroperitonealen Fettgewebes schwer abgrenzbar. Mit neueren Ultraschallsystemen kommt dies jedoch nur noch selten vor.

  • Nekrosen manifestieren sich für gewöhnlich echoarm bis echofrei in der Pankreasloge.

  • Nekrosestraßen im Retroperitoneum sind entlang des M. psoas darstellbar.

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Abb. 7 Pankreaszyste im Bereich des Corpus (siehe Beschriftung, innerhalb der Marker; D1: 37,2 mm, D2: 37,9 mm) nach akuter Pankreatitis.

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Nierenkolik

Die Dilatation des Nierenbeckens und des Ureters kann auf den Abgang eines Nierensteins hinweisen. Manchmal ist dieser noch im Verlauf des Ureters sichtbar (als steintypische Schallmanifestation mit echostarkem Reflex und distalem Schallschatten).

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Andere Diagnosemöglichkeiten

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Magnetresonanztomografie

Die MRT scheint indiziert für Frauen mit akutem Unterbauchschmerz, bei denen eine sonografische Abklärung nicht zielführend ist. Aus Gründen des Strahlenschutzes gilt dies insbesondere für Schwangere.

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Laparoskopie

Die explorative Laparoskopie ist sinnvoll, wenn trotz vorangegangener Diagnostik die Ätiologie des akuten Bauchschmerzes unklar bleibt (Leitlinie der Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons, SAGES) [18]. In einer Studie an 1320 prospektiven Patienten, die innerhalb von 48 Stunden nach Aufnahme bei akutem Bauchschmerz diagnostisch laparoskopiert wurden, änderte dies in 30 % die klinische Diagnose. Von ihnen wurden 83 % direkt im Anschluss laparoskopisch therapiert.

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Endoskopie

In der Diagnostik spielt die Endoskopie des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts eine untergeordnete Rolle. Insbesondere bei starken epigastrischen Schmerzen oder bei Verdacht auf eine fulminante Kolitis kann sie diagnostisch hilfreich sein. Ansonsten ist ihr Stellenwert eher in der Therapie, wie z. B. in der Überbrückung von Stenosen mittels Stent, zu sehen.

Zum Ausschluss eines Hinterwandinfarkts sollte beim akuten Abdomen immer ein EKG durchgeführt werden. Klassischer Befund wären ST-Hebungen in den Ableitungen II, III und aVF.

Fazit Ein standardisiertes Vorgehen, das eine gute körperliche Untersuchung, gezielte laborchemische Analysen und ein definiertes bildgebendes Prozedere im Sinne einer SOP beinhaltet, sollte die Diagnostik des akuten Abdomens begleiten.

Literatur online

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Beitrag online zu finden unter www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1272352

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Kernaussagen

  • Das akute Abdomen gehört zu den häufigsten Symptomen in der Notaufnahme.

  • Oft bleibt der Auslöser für den Bauchschmerz unklar. In den meisten geklärten Fällen lautet die Diagnose Appendizitis, Cholezystitis oder Ileus.

  • Der erste Schritt zur Diagnosefindung besteht immer aus Anamnese und körperlicher Untersuchung.

  • Laborparameter sind von unterschiedlichem Wert, erhöhen aber die Aussagekraft der körperlichen Untersuchung.

  • Das Basislabor umfasst

    • Blutanalysen mit Serumchemie, Blutbild, Gerinnung und Laktatwert sowie

    • Urinanalysen mit Harnsediment und ggf. Schwangerschaftstest (bei Frauen im gebärfähigen Alter).

  • Jeder Patient wird per Ultraschall untersucht. Nur wenn dies keine Diagnose liefert, folgt eine CT.

  • Röntgen scheint bei V. a. Ileus oder Hohlorganperforation geeignet, bei anderen Erkrankungen bringt das Verfahren kaum Vorteile.

  • Zum Ausschluss eines Hinterwandinfarkts sollte immer ein EKG abgeleitet werden.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

Weiteres Material zum Artikel
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Literatur

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PD Dr. med. Carl Christoph Schimanski
PD Dr. med. Ana Paula C Barreiros
Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang
Prof. Dr. med. Peter R Galle
PD Dr. med. Ines Gockel

Email: christoph.schimanski@unimedizin-mainz.de

Email: barreiros@1-med.klinik.uni-mainz.de

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Email: peter.galle@unimedizin-mainz.de

Email: ines.gockel@unimedizin-mainz.de

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Literatur

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PD Dr. med. Carl Christoph Schimanski
PD Dr. med. Ana Paula C Barreiros
Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang
Prof. Dr. med. Peter R Galle
PD Dr. med. Ines Gockel

Email: christoph.schimanski@unimedizin-mainz.de

Email: barreiros@1-med.klinik.uni-mainz.de

Email: lang@ach.klinik.uni-mainz.de

Email: peter.galle@unimedizin-mainz.de

Email: ines.gockel@unimedizin-mainz.de

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Tab. 1 modifiziert nach [5] [6]

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Tab. 2

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Abb. e1 Lokalisationsabhängige Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens (nach [6])).

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Abb. e2

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Abb. 1 Verdickte, dreigeschichtete Gallenblasenwand (Wanddicke D1: 6,3 mm) als Zeichen einer akuten Cholezystitis.

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Abb. 2 Akute Cholezystitis bei mit Sludge (S) gefüllter Gallenblase, umgebendem Flüssigkeitssaum (F) und dreigeschichteter Gallenblasenwand.

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Abb. 3 Akute Cholezystitis: grenzwertig verdickte Gallenblasenwand (innerhalb der Marker; D1: 3,3 mm, D2: 2,8 mm) mit Dreischichtung und Gallenblasenkonkrementen.

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Abb. 4 Erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC) mit sonografisch darstellbarem Konkrement (innerhalb der Marker; D1: 11,8 mm).

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Abb. 5 Erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC, innerhalb der Marker; D1: 6,1 mm).

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Abb. 6 Sonografisch darstellbare intrahepatische Cholestase mit Doppelflinten-Phänomen.

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Abb. 7 Pankreaszyste im Bereich des Corpus (siehe Beschriftung, innerhalb der Marker; D1: 37,2 mm, D2: 37,9 mm) nach akuter Pankreatitis.