Pneumologie 2011; 65(4): 198
DOI: 10.1055/s-0031-1272615
Pneumo-Fokus

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Kompetenznetzwerk CAPNETZ – Fluorochinolon-Resistenz bei Pneumokokken: Bedrohung oder Paranoia?

Int J Med Microbiol 2011; 301: 53-57
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Publication Date:
11 April 2011 (online)

 
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In den 1990er Jahren ließ sich weltweit ein Anstieg an Penicillin- und Makrolid-resistenten Pneumokokken verzeichnen. Makrolid-Resistenz ist eindeutig mit Therapieversagen assoziiert. Dieser Zusammenhang ist bei Penicillin-Resistenz nicht so deutlich: Klinische Studien belegen, dass nur die selten vorkommende Penicillin-Hochresistenz zum klinischen Therapieversagen führt. Diese Diskrepanz zwischen mikrobiologischem Befund und klinischem Ergebnis hat mittlerweile dazu geführt, dass für Pneumokokken als Pneumonieerreger andere Grenzwerte eingeführt wurden.

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Fluorochinolon-Resistenz weltweit nur in wenigen Regionen

Fallberichte legen nahe, dass Fluorochinolon-Resistenz ebenfalls mit Therapieversagen einhergeht. Da Fluorochinolone häufig eingesetzt werden, befürchtet man einen raschen Anstieg der Fluorochinolon-Resistenz. Tatsache ist jedoch, dass sich bislang weltweit nur in einigen wenigen Regionen eine Zunahme der Fluorochinolon-Resistenz beobachten lässt, wie in Hong-Kong und Südafrika. Dies hängt wahrscheinlich mit dem häufigen Einsatz von Fluorochinolonen bei Kindern mit MDR-Tuberkulose in diesen Regionen zusammen.

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Mutationen und Effluxphänotyp als Resistenzursache

Fluorochinolon-Resistenz wird durch Mutationen der Fluorochinolon-Bindungsstellen in den beiden Zielenzymen (bakterielle Topoisomerase IV und DNA-Gyrase) verursacht. Da beide Enzyme für das Überleben der Bakterien notwendig sind, müssen die resistenzvermittelnden Mutationen in beiden Enzymen auftreten. Pneumokokken, die in einem der beiden Zielenzyme bereits eine Mutation aufweisen - "Spontanmutanten" kommen ca. 1 : 106-8 vor - werden als "Erstschrittmutanten" bezeichnet. Diese Erstschrittmutanten gelten als Vorläufer vollresistenter Pneumokokken, da aus ihnen sehr schnell resistente Doppelmutanten selektioniert werden können. Dies kann auch unter Therapie mit Fluorochinolonen erfolgen. Erstschrittmutanten werden durch die mikrobiologische Routinetestung nicht erfasst und als "sensibel" bewertet. Neben den Mutationen kann eine Effluxpumpe, die Fluorochinolone wieder aus der Bakterienzelle entfernt, zur Resistenz beitragen (Effluxphänotyp), allerdings nur geringfügig. Die Pumpe transportiert vor allem Ciprofloxacin, während das größere und hydrophobe Moxifloxacin kein Pumpensubstrat ist. Darin liegt wahrscheinlich die mangelhafte Wirkung von Ciprofloxacin bei Pneumokokken begründet.

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CAPNETZ: kein Nachweis flourochinolonresistenter Pneumokokken

In einer molekularbiologischen Analyse von 163 Pneumokokkenstämmen, die im Zeitraum von 2002-2006 von CAPNETZ-Patienten isoliert wurden, fand die Gruppe von Mathias Pletz in Kooperation mit Mark van der Linden kein einziges fluorochinolonresistentes Isolat. Ein molekularbiologisches Screening ermittelte nur 1,3 % Erstschrittmutanten. Allerdings fand sich bei 6,7 % der Stämme ein Effluxpumpenphänotyp.

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Fazit

Diese trotz hohem Fluorochinolon-Verbrauchs günstige Resistenzsituation schreiben die Autoren vor allem der Tatsache zu, dass in dieser Patientenkohorte wenig Ciprofloxacin (9 %) bzw. ein hoher Anteil an Moxifloxacin (70 %) verabreicht wurde. Der relativ hohe Anteil an Stämmen mit Effluxphänotyp bedeutet allerdings auch, dass die Fluorochinolon-Resistenzrate bei einem zunehmenden Einsatz von Ciprofloxacin rasch ansteigen kann.

Prof. Mathias W. Pletz, Jena