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DOI: 10.1055/s-0031-1272913
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Mikronesien – Chelonitoxismus durch Verzehr einer Echten Karettschildkröte
Publication History
Publication Date:
21 February 2011 (online)
- Durch Biotoxine verursachtes, seltenes Phänomen
- Unterschiede zu anderen, meeresfrüchteinduzierten Lebensmittelvergiftungen
Im November 2010 kam es in dem mikronesischen Bundesstaat Chuuk zu einer Tragödie, nachdem bei einem Fest auf der Insel Murilo das Fleisch einer Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata) zubereitet wurde. In der Folge erkrankten mehr als 90 Personen an einer als Chelonitoxismus bezeichneten Form von Lebensmittelvergiftung. Sechs Menschen verstarben an den Folgen der Vergiftung.
#Durch Biotoxine verursachtes, seltenes Phänomen
Chelonitoxismus wird durch Biotoxine hervorgerufen, die im Fleisch einiger mariner Schildkröten enthalten sind. Neben der Echten Karettschildkröte konnten diese Gifte auch bei einigen Individuen der teilweise als Delikatesse gehandelten Suppenschildkröte (Chelonia mydas) nachgewiesen werden. Darüber hinaus stehen noch weitere Schildkrötenarten unter Verdacht, diese Biotoxine zu produzieren. Die Datenlage hierzu ist aber noch sehr unsicher.
Dies liegt daran, dass solche Ausbrüche von Chelonitoxismus nur sehr selten auftreten und noch seltener auch gemeldet und untersucht werden. Denn zum einen wird das Fleisch von Meeresschildkröten heutzutage eher selten genutzt, weil die Tiere stark gefährdet und somit selten zu fangen sind. Darüber hinaus stehen sie unter internationalem Schutz und werden von vielen ethnischen Gruppen im indopazifischen Raum auch aus religiösen Gründen nicht verzehrt (Tabuarten). Und kommt es doch einmal zu Fällen von Chelotoxismus, werden diese häufig nicht gemeldet, weil sie in sehr abgelegenen Regionen ohne Zugang zu medizinischer Versorgung auftreten oder weil die Betroffenen sich fürchten, ihre illegale Jagd auf die Meerestiere zuzugeben.
#Unterschiede zu anderen, meeresfrüchteinduzierten Lebensmittelvergiftungen
Die Symptome von Chelonitoxismus unterscheiden sich deutlich von anderen durch Meeresfrüchte hervorgerufene Lebensmittelvergiftungen. Zusätzlich zu den üblichen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen treten Oberbauchschmerzen und bei mittelschweren Vergiftungen auch ein Brennen im Mund- und Rachenraum mit Dysphagie und Glossitis auf. Die meisten Betroffenen erholen sich vollständig innerhalb von 2-3 Wochen. Einige fallen jedoch in ein Koma und zeigen einen Multiorganbefall (z. B. tubuläre Nephropathie, hepatische Zytolyse, Atemnot). Die Mortalitätsrate bei diesen schweren Fällen ist hoch, insbesondere bei Kindern. Es gibt bisher kein Gegenmittel gegen Chelonitoxismus. Die Behandlung ist rein supportiv und symptomatisch. Und auch die verantwortlichen Toxine konnten noch nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Vermutlich handelt es sich um Lyngbyatoxine, die von Cyanobakterien produziert werden.
Dr. Raymund Lösch, Bad Doberan, und Dipl. Biol. Unn Klare, Rostock
Quelle: promed