Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2011; 18(1): 7
DOI: 10.1055/s-0031-1272915
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Malaria tropica – Bei welchen Patienten muss man mit einem tödlichen Verlauf rechnen?

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Publikationsdatum:
21. Februar 2011 (online)

 
Inhaltsübersicht

Bruneel F, Tubach F, Corne P et al., Severe Imported Malaria in Adults (SIMA) Study Group.
Severe imported falciparum malaria: a cohort study in 400 critically ill adults. PloS One 2010; 5: e13236

Thema: Eine schwere Malaria tropica ist ein medizinischer Notfall. Man rechnet mit einer Letalität von bis zu 10 %. Studien liegen aus Malariaendemiegebieten vor - es bleibt aber offen, inwieweit diese Ergebnisse auf Industrienationen zu übertragen sind. Größere Fallserien zur importierten schweren Malaria liegen nicht vor. Eine solche Analyse kann Hinweise auf Risikiofaktoren für schwere Verläufe geben und insofern die therapeutischen Entscheidungen beeinflussen (z. B. Wahl der Medikamente, Ausmaß der intensivmedizinischen Maßnahmen etc.).

Projekt: Es wurde eine retrospektive Analyse an 400 Patienten mit schwerer Malaria tropica in 45 französischen Intensivstationen durchgeführt. Die Definition einer schweren Malaria erfolgte in Anlehnung an die WHO-Kriterien, allerdings mit kleinen Modifikationen, die wohl zu einem Bias für besonders schwere Verläufe geführt haben. Das mittlere Alter der Patienten betrug 45 Jahre, 96 % hatten die Malaria im subsaharischen Afrika erworben, 65 % hatten keine ausreichende Chemoprophylaxe betrieben, 97 % wurden mit Chinin behandelt, 61 % der Patienten erhielten eine Chinin-"loading-dose".

Ergebnis: Die Letalität begtrug 10,5 % (42 Todesfälle). Mittels Mutivarianzanalyse ließen sich 3 unabhängige Risikofaktoren für letale Verläufe identifizieren: Alter (für jeweils 10 Jahre zuneh-mendes Alter "odds ratio" 1,72, 95-%-Konfidenzintervall 1,28-2,32, p = 0,0004); Bewusstseinsstörungen (für jeweils 1 Punkt Abnahme auf Glasgow-Coma-Scale "odds ratio" 1,32, 95- %-CI 1,20-1,45, p < 0,0001) und Höhe der Parasitämie (für jeweils 5 % höhere Parasitenzahl "odds ratio" 1,41, 95- %-CI 1,22-1,62, p < 0,0001). 32 (76,2 %) Patienten verstarben während der ersten Woche auf der Intensivstation. Interessant sind auch noch folgende Daten:

  • Eine aggressive Flüssigkeitszufuhr ("fluid resuscitation") wurde am ersten Tag bei 61,7 % der Patienten durchgeführt. 109 Patienten erhielten Katecholamine. Drei Patienten wurden mit aktiviertem Protein C behandelt.

  • In 24 % der Fälle wurde eine Koinfektion diagnostiziert (Pneumonien, Bakteriämien, Harnwegsinfekte) - ohne Einfluss auf die Letalität.

  • 29,4 % der Patienten wurde mechanisch beatmet, 81 Patienten wur-den mit Nierenersatzverfahren therapiert.

  • Bei Entlassung von der Intensivstation hatten 24 Patienten mindestens eine neurologische Symptomatik (Bewusstseinsstörung, persistierende fokale Ausfälle, "critical illness" Polyneuropathie, Krampfanfälle u. a.).

Fazit: Dies ist die größte Studie zur schweren, importierten Malaria. Es werden Risikofaktoren für tödliche Verläufe aufgezeigt, welche die intensivmedizinische Betreuung solcher Patienten beeinflussen können.

Prof. Dr. Gerd-Dieter Burchard, Hamburg

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Kommentar

Die Studie zeigt zunächst einmal, dass eine komplizierte Malaria tropica auch beim Einsatz modernster Intensivmedizin weiterhin eine hohe Letalität aufweist. Die Risikofaktoren für tödliche Verläufe wurden ähnlich auch schon in anderen Studien beschrieben, so das Alter [1], das Vorliegen einer zerebralen Malaria [2] oder die Höhe der Parasitämie [3]. Interessant sind aber doch Vergleiche mit Studien aus Endemiegebieten: So zeigte sich in dieser Arbeit im Unterschied zu Daten aus Afrika und Asien keine Auswirkung einer Azidose auf das Überleben. Beim Vergleich der WHO-Kriterien mit einer Multicenterstudie an 1050 Patienten in Asien [1] zeigt sich in dieser Studie eine geringere Häufigkeit von Koma, Azidose, "respiratory distress" und Anämie sowie eine höhere Häufigkeit von Schock und Hyperparasitämie. Man kann daraus schließen, dass sich Ergebnisse von Studien in Endemiegebieten nicht ohne Weiteres auf importiere Fälle übertragen lassen.

Dies ist keine Therapiestudie. Die vorhandene Evidenz für viele therapeutische Entscheidungen bei der importierten schweren Malaria ist unbefriedigend. Nach der Publikation der Aquamatstudie an afrikanischen Kindern zum Vergleich von intravenösem Artesunat (i. v.) gegen Chinin [4] ergibt sich die Frage nach Erfahrungen mit Artesunat (i. v.) bei Reisenden [5], [6] im Vergleich zur Kombinationstherapie mit Chinin und Doxizyklin. Ebenso sind ungeklärt Fragen zum Flüssigkeitsmanagement bei der schweren Malaria. Auf diese Fragen gibt diese Studie natürlich keine Antwort - sie zeigt aber, welche Patienten besonders intensiv überwacht werden müssen und wo Bedarf für weitere Studien besteht.

Prof. Dr. Gerd-Dieter Burchard, Hamburg

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Literatur

  • 01 Dondorp A M, et al. Clin Infect Dis. 2008;  47 151-157
  • 02 Hanson J, et al. Clin Infect Dis. 2010;  50 679-685
  • 03 Phillips A, et al. Clin Infect Dis. 2009;  48 871-878
  • 04 Dondorp A M, et al. Lancet. 2010;  376 1647-1657
  • 05 Mørch K, et al. Emerg Infect Dis. 2008;  14 1816-1818
  • 06 Arguin P. The use of intravenous artesunate in the United States and Canada. 59th Annual Meeting of the American Society for Tropical Medicine and Hygiene, Atlanta (USA), 03.-07.11.2010
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Literatur

  • 01 Dondorp A M, et al. Clin Infect Dis. 2008;  47 151-157
  • 02 Hanson J, et al. Clin Infect Dis. 2010;  50 679-685
  • 03 Phillips A, et al. Clin Infect Dis. 2009;  48 871-878
  • 04 Dondorp A M, et al. Lancet. 2010;  376 1647-1657
  • 05 Mørch K, et al. Emerg Infect Dis. 2008;  14 1816-1818
  • 06 Arguin P. The use of intravenous artesunate in the United States and Canada. 59th Annual Meeting of the American Society for Tropical Medicine and Hygiene, Atlanta (USA), 03.-07.11.2010