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DOI: 10.1055/s-0031-1274728
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie
Hereditary Hemorrhagic TeleangiectasyPublication History
Publication Date:
24 January 2012 (online)
Die hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) oder auch Morbus Osler bzw. Morbus Osler-Weber-Rendu genannt, ist eine Erkrankung, welche sich als mukokutane und viszerale Angiodysplasien manifestiert. Erkrankte Patienten weisen Gefäßektasien und arteriovenöse Malformationen typischerweise in Haut, Lunge, Gastrointestinaltrakt, Gehirn und Leber auf. Die Prävalenz der HHT wird mit 10–20 pro 100 000 Menschen angegeben, wobei Frauen und Männer gleichermaßen betroffen sind (Kjeldsen AD, Vase P, Green A. J Intern Med 1999; 245: 31–39). Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt und weist eine hohe Penetranz auf (97%). Genetisch sind bisher 2 Subtypen identifiziert HHT-1 und HHT-2, wobei weitere bisher unbekannte Typen diskutiert werden. Die Mutationen betreffen bei HHT-1 Chromosom 9q, welches für Endoglin (ENG) codiert, und bei HHT-2 Chromosom 12q, welches für Aktivin-like Kinase Receptor Type 1 (ALK-1) codiert (Carette MF, Nedelcu C, Tassart M et al. Cardiovasc Intervent Radiol 2009; 32: 745–757; Guttmacher AE, Marchuk DA, White RI, Jr. N Engl J Med 1995; 333: 918–924). Die beiden Genprodukte sind Bestandteile des Transforming-Growth-Factor-beta-Signalwegs (Transforming Growth Factor beta = TGF-β), welcher bei einer Vielzahl von Zellen vorhanden ist. TGF-β reguliert die Zellproliferation und -differenzierung, Wundheilung, Angiogenese und embryonale Entwicklung (Blobe GC, Schiemann WP, Lodish HF. N Engl J Med 2000; 342: 1350–1358). Bei Mutation eines Allels kommt es zu einer Haploinsuffizienz mit Angiodysplasien (Kjeldsen AD, Vase P, Green A. J Intern Med 1999; 245: 31–39). Bezogen auf die HHT findet eine anormale Gefäßentwicklung statt mit multiplen dilatierten Gefäßen, welche von einer einzelnen Schicht Endothelzellen umgeben werden und mit einer durchgehenden Basalmembran verbunden sind (Attisano L, Carcamo J, Ventura F et al. Cell 1993; 75: 671–680). Als Pathomechanismus wird initial eine Dilatation der postkapillären (epitheloiden) Venolen, gefolgt von einer Dilatation der präkapillaren Arteriolen und zuletzt einem Verschwinden des kapillären Strombettes gesehen mit resultierender arteriovenöser Malformation. Das Bild einer Telangiektasie wird komplettiert durch ein überschießendes Wachstum glatter Muskelzellen ohne elastische Fasern. Die Blutungsneigung dieser Gefäße wird auf insuffiziente Kontraktilität der glatten Muskelzellen, Defekte beim Verbund endothelialer Zellen, Schwächen des perivaskulären Gewebes und endotheliale Zelldegenerationen zurückgeführt. AV-Malformationen (AVM) und Telangiektasien können in Haut, Lunge, ZNS und Leber auftreten. Dabei sind pulmonale und zerebrale AVM in HHT-1 und hepatische AVMs in HHT-2 typisch.
Die Leber ist in 41 bis zu 78% der Fälle betroffen (Brenard R, Chapaux X, Deltenre P et al. Eur J Gastroenterol Hepatol 2010; 22: 1253–1259). Hier kann sich ein Mischbild verschiedener Angiodysplasien manifestieren, welche sinusoidale Ektasien, arteriovenöse (AV), arterioportale (AP), portalvenöse (PV) und venovenöse Malformationen und Telangiektasien sind. AVM bestehen meist aus größeren gewundenen arteriellen und venösen Gefäßen, die eine Unterbrechung der Lamina elastica aufweisen und von unterschiedlich starken Schichten glatter Muskelzellen umgeben sind. Teilweise sind diese Gefäße von fibrösem Gewebe umgeben, welches sich verbinden und Hepatozyten einschließen kann. Es kann das Bild einer „Pseudozirrhose“ entstehen, welche histologisch durch eine Kombination regenerativer Knoten und fibrotischer Umbauten imponiert. Dabei ist der regelrechte Leberaufbau nicht kompromittiert und es besteht meist keine Inflammation oder Nekrose.
Im Verlauf der HHT zeigen sich klinisch meist initial Nasenbluten und später vermehrtes Auftreten von AV- und PV-Shunts. Letztere führen zu einem gesteigerten Blutfluss über diese Direktverbindungen, was zu einer hyperdynamen Kreislaufsituation mit Herzversagen führen kann. Ist die Leber betroffen, kann es zusätzlich zu einer portalvenösen Stauung mit stagnierendem Pfortaderfluss oder, wegen eines Steal-Syndroms, zu einer biliären Erkrankung kommen, da das Gallengangsystem ausschließlich über die Arteria hepatica versorgt wird. Eine Unterversorgung äußert sich durch rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Cholestase und teilweise Cholangitis. Im schlechtesten Fall kann es zu einer biliären Ischämie mit Gallengangsnekrose führen. Bildmorphologisch findet sich ein Mischbild aus Strikturen, Dilatationen und Zysten. In ausgeprägteren Fällen kann es zu einer klinisch manifesten kardialen Dekompensation durch große Shunt-Volumina kommen. Laborchemisch können ein erhöhtes AP und GGT auffallen. Wohingegen die Syntheseleistung der Leber bei normalem Albumin und Prothrombin intakt ist. In einzelnen Fällen kann es zu einer portosystemischen Enzephalopathie oder aufgrund eines arteriellen Steal-Syndroms zu einer mesenterialen Angina kommen.
Pulmonale und zerebrale AVM sind oft Grund für Zyanosen, Embolien, Kopfschmerzen, Krampfanfälle und Hämorrhagien.
Die Diagnose Morbus Osler stützt sich auf die Curacao-Kriterien, welche Nasenbluten, Telangiektasien, viszerale Läsionen und familiäre Prädisposition sind. Bei 3 erfüllten Kriterien gilt die Diagnose als gesichert und wird mit abnehmender Anzahl erfüllter Kriterien unwahrscheinlicher.
Bei der Detektion viszeraler Läsionen kommt bildgebenden Verfahren eine entscheidende Rolle zu. AVM der Leber können in der Angiografie dargestellt werden, in welcher eine Dilatation und ein gewundener Verlauf der Arteria hepatica und ihrer Seitenäste und eine frühe Kontrastierung der Lebervenen abgebildet werden können. Verschiedene Formen von arteriovenösen, portovenösen und auch venovenösen Shunts wurden dabei beschrieben ([Abb. 1a, b]). In der Duplexsonografie zeigen sich charakteristischerweise erweiterte und geschlängelte intrahepatische Arterien mit gesteigerter Flussgeschwindigkeit und ein erhöhtes Flusssignal der Lebervenen. In der CT äußern sich arterioportale Malformationen indirekt durch eine frühe und verlängerte Kontrastierung der portalen Gefäße. Die Shunts sind typischerweise subkapsulär oder peripher gelegen und oft mit fokalen, keilförmigen, hyperdensen Defekten mit früher portalvenöser Füllung assoziiert ([Abb. 2a]). Die hepatischen Arterien sind häufig infolge des gesteigerten Blutflusses dilatiert und von erweiterten intrahepatischen Venen oder einer Splenomegalie begleitet. Arterio-venöse Shunts sind weniger häufig und verursachen eine frühzeitige Kontrastierung der Lebervenen. Portosystemische Shunts finden sich normalerweise bei Patienten mit Leberzirrhose. Ihre Diagnose gestaltet sich im Multiphasen-CT schwierig, da es nicht leicht ist, eine portale von einer venösen Phase und eine frühe von einer späten arteriellen Phase zu unterscheiden ([Abb. 3]). Portosystemische Shunts können jedoch schwerwiegende Komplikationen verursachen, da die Leber ausschließlich von der Arteria hepatica versorgt wird und eine Embolisation letzterer zu schweren Nekrosen führen kann. Perfusionsstörungen treten als Folge arterioportaler Shunts auf, wobei der Pfortaderfluss nicht vollständig blockiert wird, jedoch der Anteil des Parenchyms arteriell mehr versorgt wird und in vorübergehenden Dichteveränderungen der Leber resultiert ([Abb. 2b, d, e]). Diese Areale präsentieren sich in der arteriellen Phase hyperdens und werden in der portalvenösen Phase isodens ([Abb. 4a, b]). Sie sind meist in der Peripherie lokalisiert und keilartig konfiguriert ([Abb. 2b, c]). Es werden auch pseudonoduläre, zirrhoseartige parenchymale Veränderungen beobachtet, jedoch ist Vorsicht geboten, nicht fälschlicherweise eine hepatische Zirrhose zu diagnostizieren, vor allem bei Vorliegen einer portalen Hypertension mit begleitendem Aszites, Varizen und Varizenblutung ([Abb. 5]). Leberbiopsien werden nicht empfohlen.
Abb. 1a–b Transjuguläre Lebervenensondierung bei einer Patientin mit HHT. Nach Einspritzen von Kontrastmittel (KM) Abfluss über erweiterte akzessorische Venen (Pfeile) als Ausdruck von venovenösen Kollateralen. Eine Messung des „capillary wedge pressure“ war dabei deswegen nicht möglich.
Abb. 2 Axiale kontrastmittelverstärkte (KM-verstärkte) CT-Aufnahmen (CECT) mit Dokumentation von intrahepatischen Shunts (Pfeile, a), Perfusionsinhomogenitäten (weißer Pfeil, b, d, e), unterschiedlich großen vaskulären, arterialisierten Läsionen (schwarzer Pfeil, b, c) und Shunts (Pfeilkopf, b).
Abb. 3 Koronare MPR aus einer KM-verstärkten Abdomen-CT. Nachweis arterialisierter größerer Läsionen (Pfeil) sowie von portosystemischen Kollateralen.
Abb. 4 Axiale KM-verstärkte CT-Aufnahmen zeigen eine mehrere Zentimeter große, arterialisierte Läsion (a) ohne Auswasch-Phänomen (b). Diese Läsionen sollten nicht mit z. B. hepatozellulären Karzinomen verwechselt werden.
Abb. 5 Koronare MPR aus einer KM-verstärkten Abdomen-CT. Auffällig dabei ist die Hepatosplenomegalie sowie ausgedehnte Magenwandvarizen (Pfeile) als Ausdruck von portosystemischen venösen Kollateralen bei Morbus Rendu-Osler der Leber.
Die Perfusions-CT stellt ein neues bildgebendes Verfahren mit weitreichendem Potenzial zur Differenzierung hepatischer Pathologika dar. Es ermöglicht eine getrennte Messung des arteriell-hepatischen und portalvenösen Anteils an Leberperfusion mit zuverlässiger Aussage über regionale und/oder diffuse Durchblutungsstörungen (z. B. im Zusammenhang mit HHT). Die Quantifizierung der Leberperfusion lässt sowohl eine Unterversorgung (z. B. Steal-Phänomene) als auch eine zunehmende Arterialisierung des Leberparenchyms aufgrund eines echten zirrhotischen Umbaus unterscheiden. Unklare Situationen mit Erweiterung der Arteria hepatica und portosystemischer Kollateralisierung können dennoch sekundär bei großem Shunt-Volumen ohne Beeinträchtigung der Leberfunktion auftreten. In diesem Fall kann der Nachweis eines physiologischen Verhältnisses in Bezug auf die duale Leberblutversorgung mittels Perfusion-CT Abhilfe schaffen ([Abb. 6a]). Des Weiteren lassen sich fokale Perfusionsalterationen von echten intrahepatischen Raumforderungen anhand der Perfusionscharakteristika leicht unterscheiden ([Abb. 6b]). Informationen über Kaliber und Durchgängigkeit von intra- und extrahepatischen Gefäßen lassen sich darüber in optimaler Bildqualität gewinnen. Die MRT liefert ähnliche Informationen wie die CT bei einem etwas besseren Gewebekontrast([Abb. 7a–c]), sie ist allerdings abhängig von der Compliance des Patienten. Zugelassene Softwareprogramme zur differenzierteren Messung der dualen Leberversorgung sind derzeit nicht verfügbar. Zur Charakterisierung intrahepatischer Raumforderung kann es dennoch von Nutzen sein ([Abb. 8a, b]).
Abb. 6 Volumen-Perfusions-CT der Leber bei einer Patientin mit Morbus Rendu-Osler. Die Quantifizierung der dualen Leberperfusion ergab normale Werte bezüglich Blutfluss (BF) und Blutvolumen (BV) bei einem physiologischen portalvenösen Anteil von < 80%. Die Farbkarten demonstrieren die Verteilung des BF, BV sowie des arteriell-hepatischen Perfusionsanteils (ALP), portalvenösen Anteil (PVP) sowie den Grad an Leberparenchymarterialiserung (a). Wider Erwarten erwies sich die Leberperfusion trotz knotigem Umbau und ausgedehnter Kollateralisierung regelrecht. Auf [Abb. 6b] ist eine größere vaskuläre Läsion im Lebersegment 6 erfasst. Die Läsion zeigt eine 100%-Arterialisierung (HPI).
Abb. 7 Koronare MPR (a, CECT), koronare RARE (MRT, b) und axiale CECT (c) zeigen sekundäre Cholestasen bei HHT unterschiedlicher Ausprägungen (Pfeile).
Abb. 8 Axiale fett-gesättigte T2- (a) und T1-postcontrast gewichtete (b) MRT-Aufnahmen der Leber. Es zeigen sich ähnlich wie in der CECT Perfusionsinhomogenitäten sowie umschriebene vaskuläre Läsionen der Leber bei HHT.
Eine asymptomatische hepatische HHT wird in der Regel nicht behandelt. Patienten mit cholangiolären Schmerzen können mit Schmerzmittel therapiert werden. Zeigen sich Varizenblutungen als Folge einer portalen Hypertension, sollte nach den Maßgaben für Zirrhose-Patienten behandelt werden. Die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts wird nicht empfohlen. Im Falle eines High-Output-Herzversagens können arterielle Lebergefäße embolisiert werden mit meist temporärem Therapieerfolg. Hierbei muss auf eine erhaltene Gefäßversorgung der Leber geachtet werden. Als Ultima Ratio können Patienten mit guter Erfolgsquote lebertransplantiert werden.
Schabel C, Schweinzer K, Ketelsen D, Brechtel K, Horger M, Tübingen