Dialyse aktuell 2011; 15(3): 134
DOI: 10.1055/s-0031-1276657
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Minimal-Change-Glomerulopathie – Fortschritte im Verständnis der Pathogenese

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Publikationsdatum:
08. April 2011 (online)

 
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Abb. 1 Minimal-Change-Glomerulopathie. Die elektronenmikroskopische Untersuchung weist den charakteristischen Verlust der podozytären Fußfortsätze nach.
Quelle: Kuhlmann U, Walb D, Böhler J, Luft FC. Nephrologie. 5. Aufl. Stuttgart/New York: Thieme; 2008

Quelle: Clement LC, Avila-Casado C, Macé C et al. Podocyte-secreted angiopoietin-like-4 mediates proteinuria in glucocorticoid-sensitive nephrotic syndrome. Nat Med 2011, 17: 117-122

Thema: Das Krankheitsbild eines steroidsensitiven nephrotischen Syndroms ist nierenbioptisch typischerweise eine Minimal-Change-Glomerulopathie mit vorwiegend ultrastrukturellen Schäden der podozytären Fußfortsätze. Die genaue Pathogenese der Minimal-Change-Glomerulopathie und die Wirkmechanismen der Glukokortikoide waren bislang unbekannt. Diskutiert wurde unter anderem eine veränderte Freisetzung von Zytokinen, die zu einer Podozytenschädigung führt. Clement et al. aus der Arbeitsgruppe von Dr. Chugh, Birmingham (USA), erklären die Entwicklung der Proteinurie bei dieser Erkrankung mit einer verstärkten Bildung des in Podozyten sezernierten Glykoproteins Angiopoietin-like-4.

Projekt: In humanen Nierenbiopsien, in verschiedenen experimentellen Modellen eines nephrotischen Syndroms und in transgenen Ratten untersuchten die Autoren die Rolle von Angiopoietin-like-4.

Ergebnisse: Die Autoren liefern unterschiedliche Hinweise für die Rolle von Angiopoietin-like-4 in der Pathogenese der Minimal-Change-Glomerulopathie. Die glomeruläre Expression von Angiopoietin-like-4 ist vermehrt nachweisbar in experimentellen und humanen Nierenerkrankungen mit nephrotischem Syndrom. Eine podozytenspezifische Überexpression von Angiopoietin-like-4 löst bei Ratten ein nephrotisches Syndrom mit einer selektiven Albuminurie und dem pathologischen Bild einer Minimal-Change-Glomerulopathie aus. Kortikosteroide führen parallel zu einer reduzierten Proteinurie und zu einer Reduktion der krankheitsassoziierten Angiopoietin-like-4-Überexpression. Zusätzlich weisen die Autoren eine pathologisch verminderte Glykosylierung des im nephrotischen Syndrom vermehrt sezernierten Angiopoietin-like-4 nach. Die orale Gabe des Zuckers N-Azetyl-D-Mannosamin reduziert die Proteinurie.

Fazit: Diese Studie identifiziert von Podozyten sezerniertes Angiopoietin-like-4 als zentralen molekularen Mediator der Minimal-Change-Glomerulopathie.

Schlüsselwörter: Minimal-Change-Glomerupathie - Glomerulonephritis - Podozyt - Pathogenese

Prof. Dr. Frank Eitner, Aachen

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Kommentar

Die Studie von Clement et al. liefert erstmals klare Erkenntnisse zur molekularen Pathogenese der Minimal-Change-Glomerulopathie und der Ursache der Steroidsensitivität. Das Molekül Angiopoietin-like-4 wird in Podozyten sezerniert, ist strukturell verwandt mit den Angiopoietinen und war bislang am besten bekannt für seine Rolle in der Regulation der Serumtriglyzeridkonzentration. Diese spannenden neuen Daten eröffnen ein breites neues Forschungsfeld in der (Patho-)Physiologie des glomerulären Filters: Wie interagiert Angiopoietin-like-4 mit der glomerulären Basalmembran und der Endothelzelloberfläche? Was stimuliert die Überexpression von Angiopoietin-like-4 in Podozyten? Welche Rolle spielt Angiopoietin-like-4 in anderen proteinurischen Erkrankungen?

Zusätzlich zu dem verbesserten Verständnis der Pathogenese der Minimal-Change-Glomerulopathie hat diese Studie aber bereits jetzt einen möglichen Einfluss auf die Therapie dieser Erkrankung. Das Molekül Angiopoietin-like-4 wird beim nephrotischen Syndrom nicht nur quantitativ vermehrt gebildet, sondern auch qualitativ vermindert glykosyliert. Die Glykosylierung des Proteins konnte tierexperimentell durch eine zusätzliche Gabe des Zuckerliganden deutlich verbessert werden, was zu einer funktionellen Reduktion der Proteinurie führte. Zukünftige klinische Studien werden untersuchen müssen, ob die zusätzliche orale Gabe dieses Zuckers in der Therapie eines Schubes des nephrotischen Syndroms die aktuell notwendige nebenwirkungsreiche Steroiddosis reduzieren kann.

Prof. Dr. Frank Eitner, Aachen

 
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Abb. 1 Minimal-Change-Glomerulopathie. Die elektronenmikroskopische Untersuchung weist den charakteristischen Verlust der podozytären Fußfortsätze nach.
Quelle: Kuhlmann U, Walb D, Böhler J, Luft FC. Nephrologie. 5. Aufl. Stuttgart/New York: Thieme; 2008