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DOI: 10.1055/s-0031-1276887
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Publication History
Publication Date:
08 September 2011 (online)
[Michael Hupperts]: Achtsamkeitsübungen. Experimente mit einem anderen Lebensgefühl.
Paderborn: Junfermann, 2011.
Schon das erste Buch von Michael Hupperts mit dem Titel „Achtsamkeit – Befreiung zur Gegenwart“ beeindruckt durch seinen umfassenden Überblick zu dem Thema „Achtsamkeit“. Dort hat der Autor die Bedeutung der Achtsamkeit in den verschiedenen Kontexten der Lebenskunst, der Spiritualität und der Psychotherapie besprochen.
Sein zweites Buch ist für die Praxis und die Vermittlung der Haltung der Achtsamkeit geschrieben. Es stellt 85 Übungen mit Varianten und Erweiterungen vor. Die Darstellung der Übungen erfolgt nach praktischen Gesichtspunkten. Die Vielfalt der Übungen sorgt dafür, dass die verschiedenen Facetten der Achtsamkeitshaltung erlebt, verstanden und vor allem auch gefühlt werden können. So wird die Achtsamkeit auf Dinge, Musik, Natur etc. genauso wichtig genommen wie die Achtsamkeit auf Körperempfindungen oder mentale Ereignisse oder die – sonst eher vernachlässigte – Achtsamkeit auf Atmosphären und Beziehungen. Außerdem wird sie nicht nur als auf einzelne Elemente „fokussierte“, sondern auch als auf die ganze aktuelle Situation bezogene „weite“ Haltung vorgestellt. Achtsam zu sein, bedeutet, sich wach und dennoch absichtslos auf die gegenwärtige Situation einzulassen. Die sinnlichen, nicht symbolisch vermittelten Aspekte der Gegenwart sind dabei besonders wichtig und hilfreich. Orientierend ist die Erfahrung, dass es sich auf eine bestimmte Weise anfühlt, achtsam zu sein.
Die Übungen verkörpern die Haltung der Achtsamkeit und laufen auf die informelle Achtsamkeit hinaus, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Informelle Achtsamkeit nutzt die Chancen des Alltags. Es braucht nicht mehr als eine bewusste Entscheidung und eine Situation, die keine explizite Absicht oder Problemlösung erfordert.
Nun folgt der Autor der Idee, dass Achtsamkeit zum allgemeinen Handwerkszeug eines Psychotherapeuten gehören könnte. Dazu sei es notwendig, sie so klar wie möglich von anderen Verfahren abzugrenzen. Es geht bei dieser Arbeitsweise weder um das Entdecken von Denk- oder Verhaltensmustern oder um das Aufdecken von unbewussten Konflikten noch um die unmittelbare Veränderung des Denkens, Fühlens oder Verhaltens. Wie bei jeder Therapie sind natürlich solche Veränderungen Ziel der Arbeit, aber sie werden nur indirekt angestrebt. Anders gesagt: Es wird nicht an psychischen Inhalten gearbeitet, sondern an der Haltung gegenüber diesen Inhalten. Der Autor sieht eine „Psychotherapeutisierung der Gesellschaft“ (S. 180), eine Flucht vor der Realität in künstliche Beziehungen und Milieus und er sieht in einem alltags- und übungsorientierten Ansatz eine Möglichkeit, notwendige therapeutische Hilfe in die Verantwortlichkeit des Patienten und seine Alltagsgestaltung zurückzuverlagern. Dabei sei es nicht notwendig, vorliegenden manualisierten Standardtherapien zu folgen und diese dann zu variieren, sondern viel naheliegender, je nach den Möglichkeiten und Bedürfnissen vor Ort, Achtsamkeit in Einzel- und Gruppentherapien zu vermitteln. Dieses und andere aktuelle Probleme, die sich für die Arbeit mit der Achtsamkeit in der Psychotherapie stellen, werden in einem Nachwort diskutiert.
Die nun vorgeschlagenen Übungen haben eine unterschiedliche Nähe zu diesen Kontexten. Ihre Relevanz und ihre Vor-und Nachteile wie ihre Ursprünge werden in Kommentaren zu allen Übungen diskutiert. – Das Buch ist von dem Verlag auch als E-Book angekündigt.
Der Autor bietet derzeit mit einer Arbeitsgruppe in Darmstadt achtsamkeitsbasierte störungsspezifische Gruppentherapien für Patienten mit Depressionen, Abhängigkeiten, Essstörungen und onkologische Erkrankungen an. Beide Bücher von dem Autor Michael Hupperts über „Achtsamkeit“ sind sehr zu empfehlen.
- 1 Hupperts M. Achtsamkeitsübungen. Experimente mit einem anderen Lebensgefühl.. Paderborn: Junfermann; 2011
Priv.-Doz. Dr. med. Aglaja Stirn
Asklepios Westklinikum Hamburg
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Schmerztherapie
Suurheid 20
22559 Hamburg
Email: u.schenk@asklepios.com