Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(28/29): 1493-1494
DOI: 10.1055/s-0031-1281543
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verbesserte ambulante Demenzversorgung – Erwiderung

Improving general practitioners guided dementia careA. Fellgiebel
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Publication Date:
05 July 2011 (online)

Eine evidenzbasierte, qualitätsgesteuerte medizinische Demenzversorgung, bei der die gesicherten diagnostischen und therapeutischen Erkenntnisse auch bei dem Patienten mit demenzieller Erkrankung und seinen betreuenden Angehörigen ankommen, stellt eine der großen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems der nächsten Jahrzehnte dar. Vor dem Hintergrund der bisher gängigen medizinischen Versorgungsrealität und den im Zuge der demographischen Entwicklung weiter ansteigenden Demenzfällen ist es die feste Überzeugung der Autoren, dass dieses Ziel nur in enger, kooperativer Zusammenarbeit der Hausärzte und Fachärzte erreicht werden kann. Sollte der Artikel fälschlicherweise den Eindruck vermittelt haben, dass hier etwa Besserwisserei oder eine Schulung von oben herab betrieben wurde, so ist das keinesfalls die Absicht der Autoren.

In dem Modellprojekt start-modem ging es um Fortbildung von Hausärzten in Demenzdiagnostik und Therapie, sowie um die Unterstützung der Hausärzte bei den häufig sehr bedeutsamen psychosozialen Aspekten der Erkrankung durch ebenfalls geschulte Mitarbeiter lokaler Pflegestützpunkte [3]. Vor der Fortbildung hatten alle Hausärzte z. T. erheblichen Schulungsbedarf angemeldet, nach der Schulung gab ein Großteil an, für die medizinische Demenzversorgung nun deutlich besser aufgestellt und kompetenter zu sein.

Ein Schulungsschwerpunkt war das Erkennen typischer Verläufe von Demenzerkrankungen und eine entsprechende Basisdiagnostik zum Ausschluss nicht-degenerativer, möglicherweise kausal behandelbarer Syndrome. Welche Ausschlussdiagnostik hierfür notwendig ist, basiert neben dem evidenzbasierten Wissensstand auch auf einem (fach-)gesellschaftlichen Konsens, beides ist zur Formulierung von Leitlinien notwendig. Da sich der (fach-)gesellschaftliche Konsens auch an den strukturellen Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung orientieren muss, kann er durchaus in Deutschland und Kanada unterschiedlich ausfallen. Im Falle der Demenz finden sich bedauerlicherweise z. T. deutliche Unterschiede zwischen der DEGAM-Leitlinie [1] und der S3-Leitline [2], obwohl sich beide auf die bundesdeutsche Versorgungsrealität beziehen.

In der DEGAM-Leitlinie, die im Schulungszeitraum von start-modem noch nicht publiziert war, wird eine kraniale Bildgebung empfohlen bei unklaren Fällen, untypischen Verläufen oder Patienten, die jünger als 65 Jahre alt sind. Diese Forderung impliziert ein Praxiswissen über typische Verläufe und klare Fälle, das durch start-modem vermittelt, aufgefrischt oder vertieft wurde. Somit wäre zumindest dieser Schulungsaspekt auch im Sinne der DEGAM-Leitlinie. Es gibt, wenn auch selten, Fälle mit typischer „Alzheimer Klinik” und typischem Verlauf, die sich nach erfolgter Bildgebung als symptomatisch im Rahmen von anderen Erkrankungen herausstellen. Bei start-modem fischte ein Hausarzt eine Patientin mit „Alzheimer-typischer” Klinik aber ursächlichem frontobasalen Hirntumor heraus. Die 75-jährige Patientin ohne fokal-neurologisches Defizit zeigte langsam progrediente Gedächtnisstörungen über ein Jahr und ein zunehmendes apathisches Syndrom. Erst das (nach DEGAM nicht indizierte) kraniale CT erbrachte die Diagnose. Daher kann gegenwärtig hierzulande aus Sicht der Autoren auch in solchen, klinisch typischen Fällen, eine strukturelle Bildgebung angezeigt sein. Anderenfalls hätten wir in vorliegendem Fall die klinische Alzheimerdiagnose gestellt mit all den Konsequenzen für die Familie – inklusive der von Herrn Dr. Egidi selbst angesprochenen „Stigmatisierung”.

Der Leserbrief von Herrn Dr. Egidi unterstreicht aus Sicht der Autoren den dringenden Harmonisierungsbedarf der immer noch in einigen Punkten sehr unterschiedlichen Demenz-Leitlinien S3 und DEGAM, und zwar im Sinne der Patienten zur Förderung einer interdiszipliären, qualitätsgesteuerten medizinischen Demenzversorgung von Hausarzt und Facharzt.

Literatur

PD Dr. Andreas Fellgiebel

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsmedizin Mainz

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