Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(28/29): 1495-1496
DOI: 10.1055/s-0031-1281545
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
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Diagnose von Nahrungsmittelallergien: Streitfall IgG – Erwiderung 1

IgG food allergies – a subject of controversyG. Jirikowski
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Publication Date:
05 July 2011 (online)

Die wissenschaftliche Diskussion zu medizinischen Themen kann und darf niemals abgeschlossen sein. Vielmehr sollten wir neuen Entwicklungen gegenüber stets aufgeschlossen sein.

Eine Reihe von Erkrankungen steht mit der Ernährung in Zusammenhang. Zur Diagnose werden seit Jahren auch Serum-IgG-Tests verwendet, deren Ergebnisse dann Grundlage für eine individuelle Diät bilden. Die Ergebnisse sind in vielen Fällen ermutigend.

Die Ansicht von Worm et al. zu diesem Thema lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Serum-IgG-Titer gegen Nahrungsmittelbestandteile sind grundsätzlich medizinisch bedeutungslos, eine entsprechende Diagnostik und Diät ist daher unsinnig”. Diese Auffassung ist, allerdings unter Ausschluss jeglicher Haftung, in einem Positionspapier der DGAKI zementiert. Sie wurde inzwischen von mehreren nationalen und internationalen Fachverbänden übernommen und in verschiedene Leitlinien eingebaut. Wissenschaftliche Grundlage dafür ist „die übereinstimmende Meinung von Experten”. Sie stellt die niedrigste Stufe IV medizinischer Evidenzbasis dar [1]. Eine höherwertige Evidenzbasis in Form randomisierter kontrollierter klinischer Studien mit entsprechenden Patientenzahlen existiert dafür bisher nicht.

Allerdings gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass z. B. die Zöliakie mit einem Serum-IgG-Titer gegen das Weizen-Klebereiweiß Gluten korreliert [3]. Eine glutenfreie Diät ist für diese Patienten die einzige sinnvolle Therapie [2]. Umfangreiche klinische Studien wurden an der LMU München zur Fibromyalgie gemacht. Sie belegen, dass es eine Korrelation zwischen Serum-IgG-Reaktionen gegen Nahrungsmittel und einem positiven Effekt bei spezifischer Ernährungstherapie gibt [4]. Diese Beispiele sind Stufe Ia bzw. Ib im Qualitätsranking der Evidenzbasis und widersprechen der These der Positionspapiere. Diese sollten daher, um die Unsicherheit bei Ärzten und Patienten zu beseitigen, präzisiert werden. Der entsprechende Satz könnte z. B. lauten: Serum-IgG-Titer gegen Nahrungsmittelantigene sind zu Diagnose einer Nahrungsmittelallergie vom Typ I nach gegenwärtigem Wissensstand nicht geeignet.

Die Entscheidung über die Wahl diagnostischer und therapeutischer Mittel sollte dem behandelnden Arzt überlassen bleiben, da er letztlich auch die Verantwortung dafür trägt. Um ihn dabei zu unterstützen und auch im Sinne einer guten wissenschaftlichen Praxis sollten wir uns alle darum bemühen, das beste verfügbare Wissen, also die beste verfügbare Evidenzbasis zu nutzen und auch entsprechend zu kommunizieren.

Literatur

Prof. Dr. Gustav Jirikowski

Inst. für Anatomie II
Klinikum der Friedrich Schiller Universität Jena

Teichgraben 7

07743 Jena

Email: gjir@mti.uni-jena.de