Vita
Irene Jantzen, Fachschwester für den
Operationsdienst, Klinik für Plastische, Hand-, Rekonstruktive und
Verbrennungschirurgie an der Eberhard Karls Universität Tübingen / BG
Unfallklinik
Dr. med. A. Rahmanian-Schwarz, Oberarzt,
Klinik für Plastische, Hand-, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an
der Eberhard Karls Universität Tübingen / BG Unfallklinik
Planung und Vorbereitung
Die Vorbereitung der Operation eines Verbrannten richtet sich nach
der Verbrennungstiefe, die in 3 Grade eingeteilt wird:
Grad 1 – 2a: Rötung und Schwellung
der Haut (Grad 1) mit Blasenbildung (Grad 2a). Hier ist keine OP notwendig, da
aus der noch unverletzten tiefen Schicht des Corium Zellen einsprießen
und eine Spontanheilung ohne Narbenbildung erfolgt. Der Verbrannte wird im
Verbrennungsbad mit Bürsten (→ [Abb. 1])
oder Versajet tangential nekrektomiert und erhält einen temporären
Hautersatz, bis sich die Haut regeneriert und der Verband sich ablöst.
Grad 2b – 3: Ab einer tiefen
Schädigung des Corium (Grad 2b) oder Schädigung des subcutanen
Fettgewebes (Grad 3) ist keine Spontanheilung mehr möglich, es muss
operiert werden. Nach einem Bürsten-Debridement im Verbrennungsbad werden
die Wunden beurteilt und das weitere operative Vorgehen geplant. Hierbei gibt
es zwei Vorgehensweisen: Die
komplette Exzision, bei der in einem Eingriff
die gesamten tiefgradig verbrannten Areale entfernt und temporär gedeckt
werden, oder die
Frühexzision, bei der alle zwei Tage
maximal 20 % der verbrannten Fläche abgetragen und definitiv gedeckt
werden. Wir wenden hauptsächlich drei operative Techniken an:
-
Escheratomie: Bei zirkulären Verbrennungen Grad 2b und 3
werden mit der elektrischen Nadel Entlastungsschnitte gesetzt, um ein
Kompartmentsyndrom zu verhindern (→ [Abb. 2]).
Der Schnitt wird temporär mit Schweinehaut gedeckt.
-
Tangentiale Nekrektomie: Bei Verbrennungen Grad 2b werden mit
Versajet, Dermatom, Weck- oder Humby-Messer Epidermis und Corium entfernt. Ist
eine definitive Deckung mit Eigenhaut nicht möglich, wird ein
temporärer Hautersatz aufgebracht. Wir verwenden Xenograft, Suprathel oder
Biobrane.
-
Epifasziale Nekrektomie: Bei Verbrennungen Grad 2b und 3
entfernt man mit dem elektrischen Messer Epidermis, Corium und subkutanes
Fettgewebe. Auch hier wird der Defekt nach Möglichkeit definitiv mit
Spalthaut versorgt oder temporär mit Xenograft gedeckt.
Abb. 1. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Abb. 2. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Vorbereitung
Ist der Patient für den OP bestellt, heizen wir den Saal, um
der Auskühlung des Patienten entgegenzuwirken. Bei den Vorbereitungen
empfiehlt es sich, die genaueren Modalitäten des sterilen Abdeckens erst
nach der Entfernung des Verbandes mit dem Chirurgen gemeinsam zu planen. Die
Möglichkeit zur Entnahme von Spalthaut sollte gegeben sein, es muss
deshalb eine gesunde Extremität mit abgedeckt werden. Die Auswahl trifft
der Chirurg. Bei der Resektion größerer Hautmengen ist die Anlage
einer Blutsperre notwendig.
Die Desinfektion erfolgt mit farblosem Desinfektionsmittel, um den
Durchblutungsgrad des Gewebes weiterhin beurteilen zu können. Bei
problematischen Arealen (z. B. Analfalten, Ohren oder stark behaartem
Genitalbereich) verwenden wir Sprühdesinfektion. Das sterile Abdecken
großer oder problematischer Areale (→ [Abb.
3]) ist häufig sehr umständlich und verlangt viel Erfahrung. Es
empfiehlt sich, zusätzliche U-Tücher für Extremitäten,
Klebetücher und Klebestreifen bereitzuhalten.
Abb. 3. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
INFO
Durch den Untergang der Haut ist der Patient ungeschützt
gegen Flüssigkeits- und Temperaturverlust, besonders aber gegen
Keimbesiedelung. Um eine Infektion zu verhindern, muss auch bei schwierig
abzudeckenden OP-Gebieten auf ein Höchstmaß an Sterilität
geachtet werden. Wenn nötig, operieren wir in mehreren Schritten.
Operationsablauf
Wie tief debridiert werden muss und ob die Möglichkeit einer
definitiven Deckung mit Spalthaut gegeben ist, kann häufig erst
intraoperativ entschieden werden. Die Ressourcen an Haut für die Entnahme
sind, besonders bei großflächigen Verbrennungen, oft unzureichend,
und transplantierte Haut kann durch instabile Kreislaufverhältnisse oder
Wundödeme untergehen. Zudem toleriert ein kreislaufinstabiler Patient die
zusätzlichen Wundflächen durch die Hautentnahme oft nur schlecht.
Deshalb sollte dieser Schritt erst erfolgen, wenn der Patient kreislaufstabil
und der Untergrund, auf den transplantiert werden muss, gut durchblutet und
weitgehend infektfrei ist. Voraussetzung hierfür ist ein gründliches
Debridement. Bei der tangentialen Nekrektomie wird die verbrannte
Oberfläche schichtweise abgetragen, bis sich eine gleichmäßig
von kapillaren Blutungen bedeckte Oberfläche zeigt (→
[Abb. 4]). Wir benutzen hierfür Humby- oder
Weckmesser, Dermatom oder Versajet (→ [Abb. 5] v.
links n. rechts).
Abb. 4. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Abb. 5. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Der Versajet-Wasserstrahl trägt, je nach Tiefeneinstellung,
dünne oder dünnste Schichten des Gewebes ab. Das Gerät besteht
aus einer unsterilen Konsole mit Fußschalter und einem sterilen
Handstück mit Schlauchsystem (→ [Abb.
6]), das der Springer mit der Konsole und einem NaCl-Beutel (1 oder 5
Liter) verbindet. Der Ablaufschlauch wird in einen Auffangbehälter
gleicher Kapazität abgeleitet. Das Dermatom ist ein mit Akku oder
Luftdruck betriebenes Hautentnahmegerät, bei dem sich die Dicke der zu
entnehmenden Hautstreifen in 1/10 Millimeter-Schritten einstellen lässt.
Wir verwenden es sowohl für das Debridement als auch zur Entnahme von
Spalthaut für den Hautersatz. Mit Weck- und Humbymesser lassen sich
breitere und dickere Hautschichten abtragen.
Abb. 6. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Ist eine gute Blutung der obersten Schicht erreicht, stillen wir
diese mit warmen, feuchten Bauchtüchern. Die Bauchtücher werden nach
kurzer Einwirkzeit vorsichtig abgenommen und das OP-Gebiet gesäubert. Sind
auch nach dem Debridement die Wundverhältnisse noch unklar oder die zu
transplantierenden Areale zu groß, verwenden wir temporäre
Hautersatzmaterialien, z. B. Xenograft, und legen breite Streifen Jelonet-Gaze
auf, die als weitere Infektionsprophylaxe reichlich mit Lavanid-Gel bestrichen
werden. Das Ganze wird in große Mullkompressen eingeschlagen, für
Thorax und Rücken benutzen wir Mullauflagen in Westenform. Der
äußere Verband besteht je nach Blutungsstärke aus Mull- oder
elastischen Binden.
Eine weitere Möglichkeit ist der Vakuumverband, der zu einer
vermehrten Granulationsbildung führt und sich gut als Vorbereitung
für die spätere Hauttransplantation eignet. Hierfür verwenden
wir schwarze Vacusealschwämme, die der Wundfläche entsprechend
zurechtgeschnitten und auf den Defekt gelegt werden. Sie werden mit
durchsichtigen sterilen Klebefolien luftdicht aufgeklebt. Ein Saugnippel wird
angebracht und durch ein Schlauchsystem vom Springer mit der unsterilen
elektrischen Pumpe verbunden. Ein gleichmäßiger Unterdruck saugt das
Wundsekret ab und regt die Bildung von Granulationsgewebe an.
INFO
Vor dem Anlegen der Folie empfiehlt es sich, die Haut mit Benzin
zu entfetten. Trotzdem ist es, vor allem bei unebenen Flächen, Hautfalten
oder im Bereich von Fingern oder Zehen oft schwierig, ein wirklich dichtes
Vakuum zu erzeugen. Im Bereich der Hände ist eventuell die Verwendung von
speziellen Handschuhen sinnvoll (→ [Abb.
7]).
Abb. 7. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Ist der Patient kreislaufstabil und ein guter Wundgrund vorhanden,
kann eine Spalthauttransplantation durchgeführt werden (→
[Abb. 8] zeigt gut eingewachsene Spalthaut). Wir
benötigen ein Dermatom mit Hautwalze und verschiedene Trägerplatten
(1:1,5, 1:3 und 1:6), bei Bedarf auch eine Meek-Walze. Der Springer
schließt das Dermatom an die Druckluft an oder bestückt es mit einem
Akku. Der Instrumentierende legt eine sterile Klinge ein und stellt die
Schnitttiefe auf 1/3 mm ein. Die Hautentnahme erfolgt an einer gesunden Stelle,
z. B. Oberschenkel, Oberarm oder Rücken. Die Entnahmestelle wird
eingefettet (wir benutzen hierfür das Deckblatt einer
Jelonet-Wundauflage), und der Assistent spannt die Haut zur besseren Abnahme.
Während der Chirurg die Haut entnimmt, zieht der Instrumentierende
vorsichtig mit zwei atraumatischen Pinzetten an der austretenden Haut, um ein
Zurückrutschen des Hautstreifens ins Dermatommesser zu verhindern (→
[Abb. 9]). Auf die Entnahmestelle wird eine
aufgefaltete Kompresse oder Fettgaze gelegt und in der Regel bis zur
Spontanregeneration belassen.
Abb. 8. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Abb. 9. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Der Instrumentierende streicht die Haut für das Mesh-graft auf
einer befeuchteten oder eingefetteten Trägerplatte vorsichtig glatt, bis
die Ränder nicht mehr eingerollt sind, und dreht die Trägerplatte
langsam durch die Walze (→ [Abb. 10]). Der
Chirurg schneidet die gemeshte Haut (→ [Abb. 11])
mit einer feinen Schere dem Defekt entsprechend zu, klammert sie fest oder
näht sie mit nicht resorbierbarem Faden ein.
Abb. 10. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Abb. 11. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
INFO
Hautreste feucht halten und aufbewahren! Auch kleine Reste
können bei entsprechender Dehnung noch größere Defekte decken
und ersparen dem Patienten eine weitere, schmerzhafte Entnahmestelle.
Haben wir die Möglichkeit, Trägerplatten mit geringem
Vergrößerungsfaktor (1:1,5) zu benutzen, ist das kosmetische
Ergebnis gut. Bei großflächigen Verbrennungen kann mit einer
entsprechenden Trägerplatte (1:6) viel Fläche gewonnen werden, das
kosmetische Ergebnis ist jedoch deutlich schlechter. Ein Maximum an
Flächengewinn (1:12) bringt das Meek-Micrografting (→
[Abb. 12]). Hier wird die Haut auf einer Korkplatte in
kleine Würfel von 3x3 mm geschnitten und anschließend auf ein
Gewebeplissee geklebt. Dies ist, wie auch seine Trägerfolie aus Aluminium,
in zwei Richtungen vorgefaltet. Die Fältelungen werden vorsichtig
auseinander gezogen und das Transplantat auf den Defekt aufgebracht. Die
Alufolie wird entfernt, überschüssige Trägersubstanz
abgeschnitten und die verbleibende festgeklammert. Sie kann nach 6 Tagen
entfernt werden. Ist auch ein Micrografting nicht ausreichend, können mit
einer minimalen Hautentnahme Keratinozyten-Kulturen angelegt werden. Dies ist
jedoch zeitaufwändig und die entstandene Zuchthaut ist empfindlich und
infektanfällig.
Abb. 12. Foto: Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik Tübingen
Für den Verband verwenden wir ganz aufgefaltete Kompressen, die
wolkenartig auf das Transplantat aufgewickelt werden und so das Einwachsen des
Hauttransplantates durch leichten Druck unterstützen. Sie werden mit
elastischen Mullbinden angewickelt.
Wissenswertes
Behandlungskonzepte für Verbrennungen sind schon seit 1500 v.
Chr. schriftlich belegt, die Einteilung in Verbrennungsgrade seit 1600 n. Chr.
1869 unternahm Reverdin erste Versuche, Haut zu transplantieren, und um 1900
erkannte man auch die Bedeutung des Flüssigkeitsverlustes für den
Verbrannten. Die heute übliche Methode der sofortigen Abtragung des
untergegangenen Gewebes und der Deckung mit Spalthaut wird seit 1968
durchgeführt. Doch erst heute ermöglicht das Zusammenspiel von
verbessertem intensivmedizinischem Management des Schockgeschehens und
operativer Deckung der Wundfläche einem Patient mit einer zu 22 %
verbrannten Körperoberfläche eine Überlebenschance von 80,1 %.
Instrumente
Links von oben nach unten:
Oben von links nach rechts:
Darunter:
Unten von links nach rechts:
Einmalmaterial
Für den Verband
-
Jelonet-Gaze
-
Lavanid-Gel
-
Kompressen
-
Elastomull-Binden