Der Klinikarzt 2011; 40(09): 384-385
DOI: 10.1055/s-0031-1287739
Medizin & Management
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Operationstechnische Assistenten

Gefragt aber nicht anerkannt
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Publikationsdatum:
23. September 2011 (online)

 
 

In deutschen Operationssälen herrscht schon lange Fachkräftemangel – es fehlt der Nachwuchs. Das Krankenpflegepersonal ist nur wenig daran interessiert, sich über eine zweijährige Fachweiterbildung zur OP-Fachkraft zu qualifizieren. Anfang der 1990er Jahre wurde deshalb zur Lösung des Problems der Beruf des Operationstechnischen Assistenten (OTA) als Alternative zur OP-Schwester/Pfleger eingeführt. Die OTA-Ausbildung ist inzwischen etabliert und gefragt, deckt aber bei weitem nicht den Personalbedarf im OP und krankt vor allem an der längst überfälligen staatlichen Anerkennung durch ein Bundesgesetz.

Aber nicht nur die dünne Personaldecke verlangt nach neuen Berufsbildern für die OP-Tätigkeit; auch der rasante Einzug hoch spezialisierter Medizintechnik im OP-Bereich macht eine konzentrierte und gezielte Ausbildung von qualifiziertem, nichtärztlichem Fachpersonal notwendiger denn je. Vor diesem Hintergrund wurden fachspezifische Berufe wie die Operationstechnischen (OTA) und Anästhesietechnischen Assistenten (ATA) oder der Chirurgietechnische Assistent (CTA) entwickelt. Neu ist auch die spezifische Weiterbildung zum Chirurgie-Assistenten oder in der akademischen Variante als Bachelor für den "Physician Assistant".

Fachkräftemangel im OP ungebrochen

Die Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten (OTA) war 1997 der erste Schritt Richtung neue OP-Berufe. Seit über 20 Jahren bilden OTA-Schulen bundesweit an Kliniken Assistenten für den OP-Bereich aus. Laut Hochrechnung des DKI-Krankenhaus Barometers sind derzeit rund 2000 OTAs in deutschen Krankenhäusern beschäftigt. Zwar hat sich durch die OTA-Ausbildung die Fachkraftquote in den Operationsabteilungen seit dem Jahr 2000 deutlich erhöht, aber der Fachkräftemangel in den OPs ist ungebrochen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Drittel der Krankenhäuser (klinische Einrichtungen sind mit den Zahlen sehr zurückhaltend) Stellenbesetzungsprobleme für den OP hat. Da die Altersgruppe der über 40-Jährigen über der der unter 39-Jährigen liegt, ist zu erwarten, dass die Nachfrage weiter steigen wird. Abwanderungen von OTAs in Praxiskliniken, Funktionsbereiche und ins europäische Ausland, so der OTA-Schulträger-Verband, verschärfen diese Situation. Hinzu kommt, dass die Frequenz der Eingriffe in den chirurgischen Fachdisziplinen tendenziell steigt.

Vorbilder dieser neuen Berufsausbildung waren die Schweiz und die Niederlande, wo es bereits OTAs oder so genannte TOAs (Technische Operations-Assistenten) gab. Anders als die langwierige Ausbildung einer Fachkrankenschwester/-pfleger für den Operationsdienst, qualifiziert die OTA-Ausbildung Schulabgänger in 3 Jahren für die Aufgaben im OP, was dieses Berufsziel entsprechend attraktiv macht. OTAs arbeiten in eigenverantwortlichen Aufgabenbereichen wie der präoperativen Vor- und Nachbereitung, Organisation und Bedienung der Instrumente, Apparate und Materialien, Sterilisation und Desinfektion in Kenntnis von Hygiene- und Asepsisvorschriften und gesetzlicher Vorgaben sowie OP-Dokumentation. Zu den Aufgaben im Rahmen des OP-Teams gehört die Assistenz während der OP (Anreichen der Instrumente und Materialien), die fachkundige Betreuung in prä-, intra- und postoperativen Situationen, die Springertätigkeit und das Helfen beim Anlegen von Verbänden.


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Zwei Wege – ein Ziel

Um OP-Fachkraft zu werden gibt es in Deutschland derzeit 2 Wege. Lange Jahre beschränkten sich im OP- und Anästhesiebereich die Berufsqualifizierungen auf die Weiterbildung von Krankenschwestern oder -pflegern zum OP- oder Anästhesiepfleger. Sie setzt eine abgeschlossene Krankenpflege-Ausbildung und eine mindestens zweijährige Berufspraxis in der Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege (davon mindestens 6 Monate Tätigkeit im OP oder der Endoskopie) voraus. Ein solcher Zeitaufwand ist für Interessenten eher abschreckend und wird deshalb für den Mangel an qualifizierten OP-Assistenzkräften verantwortlich gemacht. Ein weiterer Grund dafür, dass sich heute weniger Fachpflegepersonal für diesen Weg zur OP-Fachkraft interessiert, ist die letzte Reform des Krankenpflegegesetzes. Die setzt den Schwerpunkt auf die Pflege und sieht daher keine sechsmonatige Pflichtzeit im OP oder der Endoskopie mehr vor. Damit können die Auszubildenden auch nicht mehr in interessante Funktionsbereiche "hineinschnuppern".

Ob die Krankenpflegeausbildung als zwingende Basis für eine Tätigkeit in einem Funktionsbereich wie dem OP noch zeitgemäß ist, ist fraglich. Im OP-Bereich sind die Beherrschung von Zeitabläufen sowie mechanisches und technisches Verständnis gefragt. Was nicht heißt, dass einer OP-Fachkraft, die über keine Primärqualifikation in der Krankenpflege verfügt, gegenüber dem Patienten das nötige Einfühlungsvermögen fehlt. Für Irene Maier, Vorstandsvorsitzende des Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e.V. (VPU) ist der Umweg über die Krankenpflege jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Für die Assistenz-Arbeit im OP sei eine Grundausbildung in der Krankenpflege und eine sich nach zweijähriger Berufserfahrung anschließende Fachweiterbildung Operationspflege nicht mehr notwendig. In seiner Länge hält sie den Ausbildungsweg nicht mehr für sinnvoll; er verzögere die Entwicklung von dringend benötigtem Fachpersonal im OP.

Der zweite, quasi als Notlösung geborene Weg, ist die OTA-Ausbildung. Auf Initiative der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) wurden Anfang der 1990er Jahre in Nordrhein-Westfalen die ersten OTA-Ausbildungslehrgänge durchgeführt. Einige NRW-Krankenhäuser gründeten dann zusammen mit der DKG 1996 eine Arbeitsgemeinschaft, um die OTA-Ausbildung zu fördern. Es dauerte nicht lange und die Hand voll Krankenhäuser wuchs zu einer stattlichen Mitgliederzahl an, die dann den Deutschen OTA-Schulträger-Verband gründeten. Heute sind dem Verband 88 Ausbildungseinrichtungen mit über 1400 Ausbildungsplätzen angeschlossen. Meist bilden die Ausbildungsträger für mehrere klinische Einrichtungen aus, d.h. über 530 Krankenhäuser sind an der praktischen Ausbildung beteiligt. Neben den dem Verband angeschlossenen Einrichtungen gibt es circa 30–40 weitere Schulen, die OTAs ausbilden. Noch im gleichen Jahr hat die DKG dann eine Empfehlung zur Ausbildung und Prüfung von Operationstechnischen Assistenten erarbeitet, die u.a. Inhalte und Ziele der Ausbildung sowie die Anerkennung entsprechender OTA-Schulen durch die DKG regeln sollte.

OTA-Schulen, die nach der DKG-Richtlinie arbeiten, gibt es inzwischen bundesweit – mit steigender Tendenz. Die Nachfrage übersteigt das Angebot – es gibt mehr Bewerber als zur Verfügung stehende Ausbildungsplätze, was regional zu Wartezeiten bis zu 3 Jahren führen kann. Fast immer erhalten die Auszubildenden nach ihrem Examen einen Arbeitsplatz ihrer Wahl. Voraussetzung für die OTA-Ausbildung ist ein Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige schulische Ausbildung. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass die Hälfte der Bewerber Abiturienten sind. Die Ausbildung dauert 3 Jahre und wird durch eine schriftliche, mündliche und praktische Prüfung abgeschlossen. Sie umfasst 1 600 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht sowie mindestens 3 000 Stunden praktische Ausbildung in den verschiedenen Fachdisziplinen einer OP-Einheit, Ambulanz oder Endoskopie sowie in der Zentralsterilisation.


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OTA – ein Weg in die berufliche Sackgasse?

Anfänglich wurden die OTAs als Konkurrenz zum klassischen OP-Pfleger/-Schwester gesehen. Schon bei der ersten OTA-Ausbildung bekam der neue Ausbildungsgang heftigen Gegenwind zu spüren: Neue konkurrierende Berufsausbildungen seien fehl am Platze, OTAs könnten nur in eingeschränkten Bereichen eingesetzt werden und damit würde dieser Berufszweig in einer Sackgasse münden. Der Deutsche Berufsverband für Krankenpflege (DBfK) bezeichnete Mitte der 1990er Jahre den OTA noch als "Schmalspurberuf im Operationsbereich".

Längst wird die OTA-Ausbildung nicht mehr kontrovers diskutiert. Zwar gäbe es immer noch von vereinzelten Stellen Gegenwind, so Franz K. Löhr, Gründungsmitglied und Vorsitzender des OTA-Schulträger-Verbandes, aber das Forschungsgutachten des DKI hätte eindeutig dargelegt, dass der Beruf der OTA kein "Sackgassenberuf" sei. Es fehlt diesem neuen Berufsbild nicht – wie anfangs von Kritikern behauptet – an fachlicher Mobilität, Perspektiven und/oder gar Professionalisierungscharakter. Ausgebildeten OTA’s können in OP-Abteilungen, in der Ambulanz oder Endoskopie sowie in der Zentralsterilisation eingesetzt werden. Ihre Karriereperspektiven sind mit denen einer Fachkrankenschwester/-pfleger für den Operationsdienst identisch, d. h. Weiterbildungen oder Studium befähigen sie zu einer Leitungsfunktion oder Lehrfunktion.

Der Beruf des OTA zählt zu den nichtärztlichen Heilberufen, ohne die heute in den OPs nichts mehr geht. Eigentlich macht er die herkömmliche Ausbildung überflüssig, so Irene Maier, wenn die OTA-Ausbildung finanziert und anerkannt wäre. Aber eine staatliche Anerkennung durch ein Bundesgesetz, die für die OTAs eine bundesweit einheitlich vorgeschriebene Ausbildungsverordnung und eine gesicherte Finanzierung brächte, fehlt immer noch. Die Pflegeverbände fordern schon lange die Schaffung eines gesetzlichen Berufsbildes durch eine bundeseinheitliche Regelung für die Ausbildung und Prüfung der OTA analog der Gesundheitsberufe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Das sehen auch die Gesundheitsminister der Länder so, die auf der Gesundheitsministerkonferenz 2006 die Bundesregierung gebeten haben, eine bundesgesetzliche Regelung für das Berufsbild des OTA zu erarbeiten. Auch der Bundesrat möchte die Ausbildung zum OTA bundeseinheitlich regeln. Im August 2008 hat er eine entsprechende Gesetzesinitiative bei der Bundesregierung eingebracht. Allerdings wurde das Gesetz Opfer der Wahl im Bundestag, weil es keinen Platz mehr auf der Tagesordnung gefunden hat. Inzwischen hat der Bundesrat selbst einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. In einem am 12.02.2010 beschlossenen Gesetzentwurf verweist er auf den voranschreitenden Fachkräftemangel in den Kliniken und die Notwendigkeit, dieses Berufsbild aufzuwerten. Aber passiert ist seitdem nichts.

Anne Marie Feldkamp, Bochum


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