Aktuelle Dermatologie 2012; 38(03): 88-90
DOI: 10.1055/s-0031-1291560
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zukunft der Psoriasis-Therapie[*]

The Future of the Therapy of Psoriasis
M. P. Schön
Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Göttingen
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Michael P. Schön
Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsmedizin Göttingen
Georg-August-Universität
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen

Publication History

Publication Date:
30 January 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Bereits seit einigen Jahren befindet sich die Forschung zu Pathogenese und Therapie der Psoriasis auf einem Höhenflug, dessen Trend ungebrochen scheint. Inzwischen wurden mehrere Biologika speziell für die Behandlung der Psoriasis zugelassen; weitere befinden sich in der Entwicklung. Einige dieser neuen Medikamente wurden bereits „off-label“ zur Therapie verschiedener anderer dermatologischer Erkrankungen eingesetzt. Neben Biologika werden derzeit mehrere kleinmolekulare Substanzen entwickelt, welche intrazelluläre Signalwege, die für die Pathogenese-Kaskade der Psoriasis relevant sind, gezielt modulieren. Es hat sich gezeigt, dass Funktionen verschiedener Zelltypen, beispielsweise vaskulärer Endothelzellen, lohnende therapeutische Angriffsziele sein können. Schließlich haben wir in den vergangenen Jahren auch über Wirkmechanismen lange etablierter Medikamente, wie etwa Fumarsäure-Ester, viel Neues gelernt.

Die Forschung zur Psoriasis-Therapie bleibt also spannend, was in diesem Beitrag anhand einiger neuer Entwicklungen illustriert wird.


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Abstract

For several years already, research into pathogenesis and therapy of psoriasis has attracted the utmost interest of scientists and clinicians alike, and the trend appears unbroken. While a number of biologics are currently in late stages of preclinical or clinical development, others have already been approved for the treatment of psoriasis patients. Some of these new compounds have been used off-label to treat patients with other dermatological disorders. In addition, several small-molecule compounds are being developed, whose primary mode of action comprises the modulation of intracellular signaling pathways, which are crucial for the pathophysiology of psoriasis. Current research has appreciated that the functions of different cell types, such as vascular endothelial cells, may be worthwhile therapeutic targets. Finally, the past few years have taught us a lot about the molecular mode of action of established anti-psoriatic compounds, such as fumaric acid esters.

Overall, psoriasis research continues to be a fascinating subject, a notion that is illustrated here on the basis of a few selected examples.


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Modellerkrankung Psoriasis

Zu kaum einer anderen dermatologischen Erkrankung wurden in den vergangenen zehn Jahren derart zahlreiche und aufregende neue Erkenntnisse zu Pathophysiologie und genetischen Grundlagen erarbeitet wie zur Psoriasis. Einige dieser Erkenntnisse wurden inzwischen in innovative Therapien umgesetzt, die unseren Patienten zugute kommen. Besonders prominente Beispiele für diese neuen therapeutischen Entwicklungen sind Biologika, die gezielt die Funktion pathogenetisch relevanter Schlüsselmoleküle beeinflussen. So sind von den inzwischen etwa 30 von der EMA zur Therapie zugelassenen monoklonalen Antikörpern allein vier zur Behandlung der Schuppenflechte und/oder der Psoriasis-Arthritis zugelassen: die TNFα-Inhibitoren Infliximab, Adalimumab und Golimumab sowie der IL-12/23 (p40)-Inhibitor Ustekinumab. Darüber hinaus wurde ein Rezeptor-Fusionsprotein (Etanercept) ebenfalls zugelassen. Weitere Biologika, beispielsweise das IL-17A-neutralisierende Secukinumab, befinden sich in späten Stadien der klinischen Entwicklung.

Ebenso interessant wie die Entwicklung neuer anti-psoriatischer Medikamente auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die Tatsache, dass die Psoriasis zunehmend als „Pionierindikation“ für den Einsatz dieser neuen Medikamente bei anderen dermatologischen Erkrankungen dient, für die bislang keine effektiven und/oder standardisierten Therapien existieren (sogenannter „off-label“-Einsatz). Hierbei sind wieder insbesondere die TNFα-Inhibitoren zu nennen, für die es inzwischen eine große Zahl von Fallbeschreibungen, Fallserien und sogar einige kontrollierte klinischen Studien gibt, welche die Effektivität dieser Präparate auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen belegen. Die wesentlichen dieser „off-label“-Indikationen wurden kürzlich in einer Übersichtsarbeit dargestellt [1] und sind hier in [Tab. 1] zusammengefasst. Manchmal scheinen dabei Nebenwirkungen, beispielsweise die Auflösung von Granulomen (die zu Reaktivierungen latenter Tuberkulose-Erkrankungen beitragen können), die bei der Psoriasis-Therapie gefürchtet sind, therapeutisch genutzt werden zu können. Diese Wirkung könnte beispielsweise bei der Behandlung chronischer granulomatöser Erkrankungen (disseminiertes Granuloma anulare, Necrobiosis lipoidica, Sarkoidose) durch TNF-Inhibitoren zum Tragen kommen. Andere Wirkungen eröffnen völlig neue Indikationsfelder, beispielhaft verdeutlicht am Einsatz von Adalimumab bei der Akne inversa [2]. Tatsächlich wurden bei der letzteren Erkrankung erhöhte Gewebekonzentrationen von TNFα nachgewiesen.

Tab. 1

Übersicht publizierter „off-label“-Anwendungen anti-psoriatischer Biologika (nach [1]).

Granuloma anulare

Necrobiosis lipoidica

Pyoderma gangraenosum

Sarkoidose

Acne inversa (Hidradenitis suppurativa)

Sweet-Syndrom

Subkorneale Pustulose

Vaskulitis

Bullöses Pemphigoid

Schleimhaut-Pemphigoid

Lupus erythematodes

Sklerodermie

Dermatomyositis

M. Adamantiades-Behcet

Graft-versus-host disease

Pityriasis rubra pilaris

SAPHO-Syndrom

Multizentrische Retikulohistiozytose

Toxische epidermale Nekrolyse

Erythema anulare centrifugum

Pemphigus benignus familiaris (M. Hailey-Hailey)


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Einige derzeitige Entwicklungen der Psoriasis-Therapie

Neben den Biologika, die sämtlich parenteral zu applizierende Proteine sind, befinden sich derzeit zahlreiche kleinmolekulare Substanzen in der präklinischen und klinischen Entwicklung. Ziel dieser oral verfügbaren Präparate ist die möglichst gezielte Beeinflussung intrazellulärer Signalwege, wozu beispielsweise der MAP-Kinase (mitogen-activated protein kinase)-Signalweg, mit den Kinasen ERK, JNK und p38 MAP-Kinase, gehört. Beispielsweise aktivieren der epidermale Wachstumsfaktor (EGF) und sein Rezeptor (EGFR) über Ras und Raf den ERK-Signalweg. Der Nervenwachstumsfaktor (NGF) sowie sein hochaffiner Rezeptor TrkA werden in der Epidermis exprimiert und modulieren ebenfalls über den Ras/Raf/ERK-Signalweg die Differenzierung und Proliferation der Keratinozyten; außerdem ist PI3-Kinase an der Regulation der Zell-Lebensdauer beteiligt. Eine Modulation der adaptiven Immunität, insbesondere der T-Zell-Signaltransduktion, kann über die Kinasen Lck, Fyn, Zap70, Itk sowie bestimmte Protein-Kinase C (PKC)-Isoformen erzielt werden. Auch Phosphodiesterase (PDE) IV-Inhibitoren hemmen mittelbar die Produktion pro-entzündlicher Zytokine, denen eine Rolle im Krankheitsprozess der Psoriasis zugeschrieben wird. Verschiedene Firmen entwickeln derzeit kleinmolekulare Substanzen, welche die genannten sowie weitere Signalwege modulieren. Zumindest bei einigen dieser neuen Präparate ist ein künftiger Einsatz in der Psoriasis-Therapie durchaus denkbar. In [Tab. 2] sind einige kürzlich zusammengefasste neue Entwicklungen zur Psoriasis-Therapie dargestellt [3].

Tab. 2

Auswahl gegenwärtiger Entwicklungen mit potenzieller Wirkung gegen Psoriasis (modifiziert nach [3]).

Name

Molekulare Zielstruktur

Firma

Bemerkungen

MAP-Kinase-Inhibitoren

BMS-582949

p38

Bristol-Myers-Squibb

Erlotinib

EGFR

Roche

zugelassen für Tumortherapie

ICT-327

TrkA

Creabilis Therapeutics

für topische Anwendung

Sotrastaurin

PKC

Novartis

Breitspektrum-PKC-Inhibitor

Zytokin-Inhibitoren

AIN457

IL-17

Novartis

Antikörper

LY2439821

IL-17

Eli Lilly

Antikörper

HMPL-004

IL-10

Hutchinson China MediTech

Roflumilast

Phosphodiesterase IV

Nycomed

zugelassen für chronisch obstruktive Lungenerkrankung

Inhibitoren der Leukozyten-Rekrutierung

MOR102#5

ICAM-1

Morphosys

Antikörper

Bimosiamose

E-, P-, L-Selektin

Revotar

CCx140

CCR2

ChemoCentryx

NI-0801

CXCL-10

Novimmune

Antikörper

MDX-1100

CXCL-10

Bristol-Myers-Squibb

Antikörper

Actelion-2

S1PR

Actelion & Hoffmann La Roche

Fingolimod

S1PR

Novartis

für Multiple Sklerose in USA zugelassen

Inhibitoren der Lymphozyten-Aktivierung

Tasocitinib

Jak3

Pfizer

R3421

Purin-Nukleosid-Phosphorylase

Hoffmann La Roche/BioCryst

BT-061

CD4

Biotest

Antikörper


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Experimentelle Ansätze

Auf der Suche nach lohnenden therapeutischen Zielen sind die Funktionen verschiedener in den Krankheitsprozess involvierter Zellen untersucht worden. Besonderes Interesse haben dabei (selbstverständlich neben anderen Zelltypen) vaskuläre Funktionen gewonnen. Um nur ein Beispiel der neueren Forschung aus unserer eigenen Arbeitsgruppe kurz herauszugreifen: Durch nicht-virale somatische Gentherapie ist es gelungen, ein anti-angiogen wirkendes Peptid (rekombinante Disintegrin-Domäne des ADAM-15) transient in Mäusen zu exprimieren. In einem transgenen Mausmodell (K5.hTGFβ-transgene Mäuse, die einen psoriasiformen Phänotyp aufweisen) sowie in zwei komplementären Xenotransplantationsmodellen (Transplantation humaner psoriatischer Haut auf immundefiziente Mäuse) ist es gelungen, den psoriatischen Phänotyp zu unterdrücken bzw. zu bessern [4]. Eine andere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass Injektion des VEGF-Inhibitors Bevacizumab den psoriasisähnlichen Phänotyp c-Jun/JunB-defizienter Mäuse bessert [5]. Durch derartige Experimente wird klar, dass das kutane Gefäßsystem, das in psoriatischer Haut deutlich dysreguliert ist, durchaus ein primärer therapeutischer Angriffspunkt zur Behandlung der Psoriasis sein kann.

Die klinische Wirksamkeit von Ustekinumab belegt, dass auch die Modulation lymphozytärer Funktionen erfolgreich bei der Psoriasis-Behandlung sein kann. Obwohl T-Zell-gerichtete Therapien durch die Rücknahme von Efalizumab vom Markt einen Rückschlag erlitten haben, erscheint es durchaus möglich, durch selektivere Hemmung lymphozytärer Rezeptoren nebenwirkungsarme Therapien zu entwickeln. Ein Beispiel für Untersuchungen auf diesem Gebiet aus unserer eigenen Arbeitsgruppe ist das Integrin αE(CD103)β7, das in die epitheliale Lokalisation bestimmter T-Lymphozyten involviert ist [6].


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Neue Erkenntnisse zu alten Medikamenten

Neben der Entwicklung neuer, pathogeneseorientierter Therapeutika, hat die Psoriasisforschung gerade in den letzten Jahren auch interessante Erkenntnisse zu bislang nicht geklärten Wirkmechanismen etablierter Medikamente erbracht. So wurde der pleiotrope Wirkmechanismus der Fumarsäure-Ester, insbesondere von Dimethyl-Fumarat, in vielen Einzelheiten erforscht [7]. Unsere eigene Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass durch Dimethyl-Fumarat dynamische Interaktionen von Lymphozyten mit TNF-aktivierten Endothelzellen deutlich reduziert werden. Dies beruht zumindest teilweise auf einer transkriptionellen Unterdrückung der Adhäsionsmoleküle ICAM-1, VCAM-1 und E-Selektin, wichtiger Rezeptoren für lymphozytäre Liganden. Somit inhibiert Dimethyl-Fumarat offenbar einen für die Rekrutierung zirkulierender Immunzellen zu entzündeten Geweben wichtigen pathogenetischen Schritt [8]. Das Zusammenspiel verschiedener molekularer Wirkmechanismen macht wahrscheinlich die anti-psoriatische Wirkung der Fumarsäure-Ester aus [9].

Insgesamt ist am Ende dieser kurzen und – zugegebenermaßen – willkürlich zusammengestellten Auswahl festzuhalten, dass die Forschung zu Pathogenese und Therapie der Psoriasis sehr facettenreich und spannend ist. Einige interessante Entwicklungen haben inzwischen den Weg in die Klinik gefunden, andere befinden sich in späten Phasen der klinischen Entwicklung und auch die präklinische Forschung hält sicherlich noch einige vielversprechende Kandidaten für zukünftige Therapien bereit.


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* Vortrag gehalten in der wissenschaftlichen Sitzung zu Ehren von Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. C. E. Orfanos, im Rahmen des 11. Jahressymposions der Berliner Stiftung für Dermatologie am 2. 7. 2011 in Berlin.


  • Literatur

  • 1 Mazza J, Rossi A, Weinberg JM. Innovative uses of tumor necrosis factor alpha inhibitors. Dermatol Clin 2010; 28: 559-575
  • 2 Arenbergerova M, Gkalpakiotis S, Arenberger P. Effective long-term control of refractory hidradenitis suppurativa with adalimumab after failure of conventional therapy. Int J Dermatol 2010; 49: 1445-1449
  • 3 Schön MP, Barthel K, Jahn S et al. Experimentelle Therapien der Psoriasis. In: Sterry W, Hrsg. Exzellenzforschung in der Dermatologie. Berlin: Alpha; 2011: 40-45
  • 4 Zibert JR, Wallbrecht K, Schön M et al. Halting angiogenesis by non-viral somatic gene therapy alleviates psoriasis and murine psoriasiform skin lesions. J Clin Invest 2011; 121: 410-421
  • 5 Schönthaler HB, Huggenberger R, Wculek SK et al. Systemic anti-VEGF treatment strongly reduces skin inflammation in a mouse model of psoriasis. Proc Natl Acad Sci USA 2009; 106: 21264-21269
  • 6 Schlickum S, Sennefelder H, Friedrich M et al. Integrin alpha E(CD103)beta 7 influences cellular shape and motility in a ligand-dependent fashion. Blood 2008; 112: 619-625
  • 7 Rostami Yazdi M, Mrowietz U. Fumaric acid esters. Clin Dermatol 2008; 26: 522-526
  • 8 Wallbrecht K, Drick N, Hund AC et al. Downregulation of endothelial adhesion molecules by dimethylfumarate, but not monomethylfumarate, and impairment of dynamic lymphocyte-endothelial cell interactions. Exp Dermatol 2011; 20: 980-985
  • 9 Mrowietz U, Adamczyk A, Augustin M et al. Neue Erkenntnisse zu Fumarsäureestern (Fumaderm®): Ergebnisse eines Experten-Workshops. JDDG 2011; 9 (Suppl 4): 1-13

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Michael P. Schön
Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsmedizin Göttingen
Georg-August-Universität
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen

  • Literatur

  • 1 Mazza J, Rossi A, Weinberg JM. Innovative uses of tumor necrosis factor alpha inhibitors. Dermatol Clin 2010; 28: 559-575
  • 2 Arenbergerova M, Gkalpakiotis S, Arenberger P. Effective long-term control of refractory hidradenitis suppurativa with adalimumab after failure of conventional therapy. Int J Dermatol 2010; 49: 1445-1449
  • 3 Schön MP, Barthel K, Jahn S et al. Experimentelle Therapien der Psoriasis. In: Sterry W, Hrsg. Exzellenzforschung in der Dermatologie. Berlin: Alpha; 2011: 40-45
  • 4 Zibert JR, Wallbrecht K, Schön M et al. Halting angiogenesis by non-viral somatic gene therapy alleviates psoriasis and murine psoriasiform skin lesions. J Clin Invest 2011; 121: 410-421
  • 5 Schönthaler HB, Huggenberger R, Wculek SK et al. Systemic anti-VEGF treatment strongly reduces skin inflammation in a mouse model of psoriasis. Proc Natl Acad Sci USA 2009; 106: 21264-21269
  • 6 Schlickum S, Sennefelder H, Friedrich M et al. Integrin alpha E(CD103)beta 7 influences cellular shape and motility in a ligand-dependent fashion. Blood 2008; 112: 619-625
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  • 8 Wallbrecht K, Drick N, Hund AC et al. Downregulation of endothelial adhesion molecules by dimethylfumarate, but not monomethylfumarate, and impairment of dynamic lymphocyte-endothelial cell interactions. Exp Dermatol 2011; 20: 980-985
  • 9 Mrowietz U, Adamczyk A, Augustin M et al. Neue Erkenntnisse zu Fumarsäureestern (Fumaderm®): Ergebnisse eines Experten-Workshops. JDDG 2011; 9 (Suppl 4): 1-13