Z Orthop Unfall 2011; 149(05): 503
DOI: 10.1055/s-0031-1291996
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schultertotalendoprothesenimplantation – TSA schlägt RSA

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Publication Date:
07 October 2011 (online)

 
 

Besteht eine erhöhte Prävalenz subklinischer neurologischer Läsionen nach RSA im Vergleich zur TSA durch eine postoperative Armverlängerung? Dies ist die erste Studie, die die Häufigkeit von neurologischen Läsionen nach inverser Schulterprothese untersucht.
Prevalence of Neurologic Lesions After Total Shoulder Arthroplasty. J Bone Joint Surg (Am.) 2011; 93:1288–1293

Einleitung

Klinisch evidente neurologische Läsionen nach anatomischer (TSA) oder inverser (RSA) Schultertotalprothesenimplanta tion sind bekannte Komplikationen. Die perioperative Ursache einer Nervenläsion ist multifaktoriell. Ursächlich können eine direkte Nervenbeschädigung intraoperativ, eine Kompression durch Retraktoren, Zementaustritt oder Hämatome, exzessive Mobilisation und Release des Glenohumeralgelenks und Nervenverletzungen durch interscalene Schmerzkatheteranlage sein. Die Häufigkeit der neurologischen Läsionen der oberen Extremität wird in der Literatur nach inversen Prothesen mit 2 % und nach anatomischen Schultertotalprothesen mit 1 – 4,3 % beschrieben.

Die inverse Schulterprothese ist ein wichtiger Bestandteil der rekonstruktiven Schulterchirurgie, jedoch besteht möglicherweise durch das nichtanatomische Design ein erhöhtes Risiko für neurologische Komplikationen. Die tatsächliche Häufigkeit von neurologischen Läsionen nach inverser Schulterprothese ist bisher in keiner prospektiven Studie untersucht worden. Daher soll diese prospektive match-paired Analyse die Häufigkeit der neurologischen Läsionen im Vergleich der inversen und anatomischen Schulterprothese und ihre möglichen Ursachen, insbesondere in Bezug auf die postoperative Armverlängerung nach RSA, aufzeigen.


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Studiendesign

Eingeschlossen in diese prospektive Studie wurden Patienten mit primärer Schulterendoprothese mit einem Mindestnachuntersuchungszeitraum von 10 Monaten. Ausschlusskriterien waren bestehende präoperative neurologische Beeinträchtigungen sowie Patienten mit Erkrankungen, bei denen eine mögliche neurologische Komorbidität besteht, wie z. B. C2-Abusus, Einnahme neurotoxischer Medikamente in der Anamnese oder Diabetes mellitus. Des Weiteren wurden Patienten mit einer Abweichung der ipsilateralen oder kontralateralen oberen Extremität ausgeschlossen, wenn hierdurch eine seitengleiche Beurteilung der neurologischen Funktion und der Armlänge beeinflusst werden könnte. Insgesamt wurden 19 Patienten mit RSA und 23 Patienten mit TSA eingeschlossen. Es erfolgte eine präoperative klinisch-radiologisch und elektromyografische Untersuchung eine Woche präoperativ mit Erhebung des Constant Score. Postoperative Kontrolluntersuchungen wurden nach 3 und 6 Wochen sowie nach 3,6 und 10 Monaten postoperativ durchgeführt. Die radiologische Diagnostik umfasste eine prä- und postoperativ skalierte a-p. Darstellung beider Arme mit Bestimmung der Armlänge.


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Ergebnisse

Die elektromyografische Untersuchung, im Mittel 3,6 Wochen postoperativ, zeigte in der Gruppe der RSA in 9 Fällen subklinische elektromyografische Veränderungen, überwiegend den N. axillaris betreffend. In 8 Fällen war die Veränderung innerhalb von 6 Monaten postoperativ vollständig rückläufig. In der Gruppe der TSA zeigte sich in nur einem Fall eine Plexus-brachialis-Läsion im Zusammenhang mit einer Blutungskomplikation. Die Häufigkeit der akuten postoperativen Nervenbeeinträchtigung war nach RSA signifikant höher im Vergleich zur TSA (p: 0,002), mit einem 10,9-fach erhöhtem Risiko. Die durchschnittliche Verlängerung des Armes nach RSA betrug 2,7 ± 1,8 cm (0–5,9 cm) im Vergleich zur kontralateralen Seite.

Dr. med. Melena Struck
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
E-Mail:
Melena.Struck@ddh-gruppe.de

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Kommentar

Die Häufigkeit postoperativer peripherer neurologischer Läsionen ist nach RSA im Vergleich zur TSA erhöht, jedoch überwiegend im weiteren Nachuntersuchungszeitraum vollständig rückläufig. Die Ursache der vermehrten Häufigkeit dieser Läsionen liegt möglicherweise in der postoperativen Verlängerung des Armes nach RSA. Eine Verlängerung des Armes ist bei der Implantation einer inversen Prothese notwendig, um eine Vorspannung des M. deltoideus und hierdurch eine gute Stabilität und muskuläre aktive Funktion zu erzielen. Um den genauen Zusammenhang neurologischer Beeinträchtigung in Abhängigkeit von der Armverlängerung aufzuzeigen, und um herauszufinden, welches Ausmaß an Verlängerung ohne ein Auftreten von neurologischen Komplikationen zu provozieren möglich ist, ist eine erneute prospektive Studie mit einem größeren Patientenkollektiv notwendig.

Dr. med. Melena Struck


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