Fragebogen begegnen uns ständig und fast überall. Sei es als Psycho-Test in der Frauenzeitschrift, als Mieter-Selbstauskunft bei Wohnungsbesichtigungen oder als Assessment in der ergotherapeutischen Behandlung. In der Regel beschäftigt man sich aber erst dann genauer mit ihrer Konzeption, wenn man zum Beispiel eine Bachelorarbeit schreibt und Daten erheben muss oder wenn man sich vornimmt, den Befunderhebungsbogen der Praxis zu überarbeiten.
Die Rahmenbedingungen klären
Die Rahmenbedingungen klären
Bevor man einen Fragebogen erstellt, sollte man sich über zwei Dinge im Klaren sein. Erstens: Was möchte man mit dem Instrument erreichen? Zweitens: Welche Möglichkeiten stehen einem dafür zur Verfügung? Das heißt, kann man mit einem knappen Zeitfenster und geringen finanziellen Ressourcen nur eine einfache Liste mit allgemeinen Fragen erstellen? Oder hat man ausreichend Spielraum, um einen standardisierten Fragebogen nach methodischen Kriterien zu konstruieren?
Angenommen, man möchte wissen, wie zufrieden die Klienten mit der Behandlung in der eigenen Praxis sind - für ein solches Meinungsbild genügt eine Frageliste. Möchte man dieses Instrument hingegen validieren und standardisieren, ist ein weitaus aufwendigeres Vorgehen nötig. Das heißt, nicht jeder Fragebogen entspricht automatisch einer qualitativ hochwertigen Argumentationsgrundlage, mit der man Sachverhalte fundiert belegen kann.
Das Thema schärfen
Das Thema schärfen
Sind die Rahmenbedingungen geklärt, gilt es im nächsten Schritt, das Ziel zu präzisieren. Dazu stellt man Hypothesen auf - zum Beispiel gemeinsam im Team und mithilfe eines Brainstormings. Auf diese Weise sammelt man die verschiedensten Aspekte eines Themas.
Um die Klientenzufriedenheit in der Praxis genauer unter die Lupe nehmen zu können, stellen die Teammitglieder zum Beispiel die Hypothese auf, dass die Klienten sehr zufrieden sind. Und zwar, weil sie Fortschritte machen und die behandelnden Therapeuten auf sie eingehen. Die Klienten könnten aber auch unzufrieden sein, weil die Behandlung nicht wirkt oder weil die Therapeuten ständig wechseln. Hat man auf diese Weise sämtliche Aspekte zum Thema „Klientenzufriedenheit in der Praxis“ zusammengetragen, deutet sich bereits an, ob man sich eher für Fakten oder für Meinungen interessiert. Damit wird auch bereits ersichtlich, welche Art von Fragen das Instrument beinhalten wird („Fragetypen“).
Sich für den Fragetyp entscheiden
Sich für den Fragetyp entscheiden
Mit geschlossenen Fragen kann man Fakten ermitteln. Dazu gibt man dem Befragten verschiedene Antwortmöglichkeiten vor, aus denen er wählen kann.
Interessiert man sich für persönliche Einstellungen, Motive und Werte, verwendet man offene Fragen, sogenannte Meinungsfragen. Mithilfe einer Likertskala kann man dann erfassen, inwiefern der Befragte einer Aussage zustimmt oder sie ablehnt. Dazu wählt er aus abgestuften Antworten wie „trifft voll zu“, „trifft eher zu“, „unentschieden“, „trifft eher nicht zu“ oder „trifft nicht zu“.
Offene Fragen für Kommentare oder Anmerkungen ergänzen einen Fragebogen und vermitteln einen freundlichen Umgangston. Der Nachteil: Sie lassen sich kaum statistisch auswerten, und es besteht die Gefahr, dass die Befragten ins Erzählen kommen.
Sich die Zielgruppe vor Augen führen
Sich die Zielgruppe vor Augen führen
Niemand quält sich gerne durch einen langen und komplizierten Fragebogen. Formuliert man die Items aber verständlich und konkret, führt man die Befragten reibungslos und zufriedenstellend durch das Instrument („Kriterien für einen guten Fragebogen“). Beim Formulieren sollte man sich seine Zielgruppe möglichst genau vor Augen führen. Befragt man Ergotherapeuten, wählt man sicherlich eine andere (Fach-)Sprache als bei Kindern oder Klienten, die möglicherweise aufgrund ihrer Erkrankung kognitiv eingeschränkt sind. Je detaillierter man vorab weiß, wer den Fragebogen später ausfüllen soll, desto individueller kann man auf seine Sprachwelt eingehen und ihn damit ernst nehmen.
Den Fragebogen logisch aufbauen
Den Fragebogen logisch aufbauen
Ein Fragebogen, der nach Kraut und Rüben aussieht, verwirrt. Um den Befragten zu leiten, sollte man das Instrument daher chronologisch aufbauen und Themenschwerpunkte setzen. Eine einfache Frage zu Beginn bricht das Eis, zum Beispiel nach seinem Alter oder der Dauer seiner Behandlung. Fällt man hingegen mit der Tür ins Haus und fragt ihn direkt, ob seine Zielvorstellung in der Behandlung sehr von der seiner Therapeutin abgewichen ist, erschreckt und überfordert man ihn eher. Das heißt: Fühlt sich der Befragte sicher, kann er sich auf den Fragebogen einstimmen und anschließend „ans Eingemachte“ gehen. Im Hauptteil werden dann die eigentlich wichtigen, emotionalen oder komplizierten Fragen geklärt - in unserem Falle zur Zufriedenheit mit der ergotherapeutischen Behandlung. Um die Spannung wieder zu vermindern, beendet man die Befragung mit einfachen, abschließenden Items, zum Beispiel mit einer offenen Frage für Kommentare oder Anmerkungen.
Fragetypen
> offene Frage
(Was gefällt Ihnen an unserer Praxis?)
> geschlossene Frage mit einer Antwortmöglichkeit
(Wie beurteilen Sie unsere Praxis?
→ sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend, mangelhaft, ungenügend)
> geschlossene Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten
(Was gefällt Ihnen an unserer Praxis?
→ Therapeuten, therapeutisches Angebot, Praxisräumlichkeiten,...)
> Rating- oder Likertskalen
(Mit der Behandlung bin ich zufrieden.
→ trifft voll zu,..., trifft nicht zu)
> Eingruppierungsfragen
(Wie alt sind Sie?
→ Unter 18, 18 29, 30 45, über 45 Jahre)
Kriterien für einen guten Fragebogen
> verständliche Fragen formulieren
> konkrete Fragen formulieren
> Suggestivfragen vermeiden
> Verneinungen vermeiden
> Zweideutigkeiten vermeiden
> Gedankensprünge vermeiden
> das Problem der sozialen Erwünschtheit beachten
> ethische Grenzen beachten
> den Fragebogen nicht zu lang gestalten (Ermüdungseffekt)
Da das Auge bekanntlich „mitisst“, sollte man auch die Optik nicht vernachlässigen. Denn ein ansprechender Auftritt erleichtert es dem Befragten einerseits, die Items zu erfassen, und vermittelt ihm andererseits das Gefühl, wertgeschätzt zu werden.
Auf Herz und Nieren prüfen
Auf Herz und Nieren prüfen
In der Regel ist die erste Fragebogen-Version noch nicht die endgültige. Entweder findet man selbst immer wieder ein paar Punkte, an denen man feilen kann, oder man sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das heißt: Sobald die erste Version steht, können beispielsweise Kollegen als Experten beurteilen, ob die Fragen inhaltlich relevant für die Klientenzufriedenheit sind. Möglicherweise raten sie auch, den Fragebogen zu ergänzen oder auf die eine oder andere Frage zu verzichten.
Im nächsten Schritt bietet sich eine kleine Pilotstudie an. Im Pretest sollten diejenigen beurteilen, die auch der späteren Zielgruppe entsprechen, ob der Fragebogen verständlich, vollständig, ansprechend und hilfreich ist. Auf diese Weise gewährleistet man eine möglichst repräsentative Einschätzung - wenn auch von einem verkleinerten Abbild der Zielgruppe - und kann das Instrument optimieren. Damit ein standardisiertes Instrument daraus wird, müssten sich weitere Durchläufe anschließen, in der sowohl Experten als auch Klienten die überarbeitete Version erneut auf Herz und Nieren prüfen bzw. bestätigen.
Und wann ist ein Fragebogen ein guter Fragebogen? Wenn er beim Befragten den Eindruck eines Gesprächs erweckt und wenn er dem Fragenden die Antworten liefert, die er für sein Anliegen benötigt.