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DOI: 10.1055/s-0031-1293160
Interview – Im Gespräch heute: Prof. Klaus Hergan vom Universitätsinstitut für Radiologie in Salzburg.
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
27. Oktober 2011 (online)
Kürzlich ist der "Klinische Leitfaden zum Stellenwert der MSCTA in der Koronargefäßdiagnostik" erschienen. Erarbeitet wurde er von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der österreichischen Gesellschaften für Kardiologie und Radiologie. Prof. Hergan ist Leiter der AG von Seiten der Radiologie.
RöFo: 2007 wurde der klinische Leitfaden erstmals veröffentlicht. Welche Entwicklungen haben zwischenzeitlich den Anlass zu der Aktualisierung gegeben?
Hergan: Inzwischen hat sich die zeitliche und räumliche Auflösung der CT deutlich verbessert. Die neue Gerätegeneration ist viel schneller und verfügt auch über wesentlich mehr Detektoren. Zudem ist die Strahlenbelastung durch neue Techniken niedriger geworden und das Indikationsspektrum hat sich kontinuierlich erweitert.
RöFo: Der Leitfaden nimmt nun auch eine Neubewertung des Kalziumscorings zur Früherkennung von Koronarstenosen vor. Bei welchen Patienten ist die Methode nach dem aktuellen Stand sinnvoll?
Hergan: Nach der Literatur ist es am ehesten bei asymptomatischen Patienten mit einem mittleren Risiko auf ein kardiovaskuläres Ereignis sinnvoll, also bei jenen Patienten, die eine 10- bis 20-%ige Wahrscheinlichkeit aufweisen, innerhalb der nächsten 10 Jahre ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Denn in diesem Fall kann die Methode mit den anderen Risikofaktoren zusammen eine noch bessere Festlegung der Patientengruppe bewirken. Wenn sehr viel Kalk in den Gefäßen vorhanden ist, kann wesentlich aggressiver auf die Sekundärprophylaxe eingegangen werden. Als Screeningmethode jedoch ist die CT eigentlich gar nicht geeignet und würde nur zur Strahlenbelastung der Patienten beitragen.
RöFo: Welche Wertigkeit hat die MSCT heute im Vergleich zu anderen Methoden?
Hergan: In erster Linie muss man die Methode mit der Koronarangiografie vergleichen, beim Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung liegen beide fast gleichauf. Beim Nachweis und der Quantifizierung einer Stenose ist die Angiografie im Vergleich zur CT schon noch deutlich besser. Die anderen Methoden wie die MR-Angiografie werden nur verwendet, wenn die CT nicht möglich ist oder wenn man die Strahlenbelastung unbedingt vermeiden möchte. Die MRT ist derzeit noch nicht in der Lage, die Koronar-Arterien routinemäßig in derselben Geschwindigkeit wie die CT abzubilden. Mit der Szintigrafie schließlich ist die CT wegen der verschiedenen Einsatzbereiche nicht vergleichbar.
RöFo: Welcher Stellenwert ergibt sich für die MSCT heute bei der Abklärung einer koronaren Herzerkrankung?
Hergan: Der Ausschluss einer KHK ist sicherlich die beste Indikation fürs CT. Der negative Vorhersagewert liegt den Literaturangaben zufolge zwischen 90 und 100 %, bei den Geräten der letzten Generation fast immer im Bereich der 100 %.
RöFo: Bei welchen Patienten empfehlen Sie die MSCT heute?
Hergan: Bei Patienten mit einer niedrigen bis niedrig-intermediären Vortest-Wahrscheinlichkeit ist die CT zum Ausschluss einer KHK sinnvoll. Sie kann aber auch bei Patienten Sinn machen, die bereits eine bekannte koronare Herzerkrankung haben, wenn man so die Therapie besser planen oder auch ein Therapie-Monitoring durchführen möchte. Für eine minimalinvasive Bypass-Operation kann man den LIMA-Verlauf exakt darstellen und ausmessen.
Dann die so genannten chronisch obstruktiven Erkrankungen der Koronar-Arterien, die so genannten CTO. Wenn geplant ist, die zu regionalisieren, dann hat das CT den großen Vorteil, dass man die Verschlussstrecke besser darstellen kann, und auch die Plaques, die in diesem Verschluss vorhanden sind, können abgebildet werden.
Auch die Offenheit und der Verlauf der Bypässe lassen sich gut darstellen. Eine dritte Gruppe sind allgemeine Indikationen wie die Chest Pain Triage bei Patienten mit akuten thorakalen Schmerzen, zum Ausschluss einer KHK, einer Pulmonalembolie oder eines dissezierenden Aortenaneurysmas.
Koronaranomalien sind eine ideale Indikation fürs CT, außerdem kongenitale Herzerkrankungen, wenn es um Gefäßanomalien geht, oder Raumforderungen, wenn das MR oder das Echo nicht aussagekräftig genug ist. Immer häufiger führt man auch im Rahmen einer Ablationstherapie bei Vorhofflimmern oder -flattern die Darstellung der Vorhofvenen durch. Bei konstruktiver Perikarditis, wenn es um das Ausmaß der Verkalkungen im Perikard geht. Seltene Anwendungen sind Koronarvenen-Darstellungen, wenn es darum geht, wo man entsprechende Schrittmacherelektroden platziert. Nach Herztransplantationen, oder wenn in einer PAVI-Prozedur perkutan eine Aortenklappe eingesetzt werden soll, passt das Herz-CT auch hervorragend, um außer den Koronararterien auch die Aortenklappe und den supravalvulären Abschnitt darzustellen. Das Spektrum der Indikationen hat sich dramatisch erweitert, und es wird sich wahrscheinlich noch mehr in diese Richtung entwickeln.
RöFo: Ein Kritikpunkt an der MSCT war die Strahlenexposition. Welche Empfehlungen gibt hier der neue Leitfaden?
Hergan: Man sollte versuchen, bei einer niedrigen Herzfrequenz zu untersuchen. Auch bei den Geräten der letzten Generation ist es notwendig, Betablocker zu verabreichen, um eine Herzfrequenz von unter 65 Schlägen pro Minute zu haben. Dann lässt sich mit prospektivem Gating untersuchen: das EKG wird prospektiv aufgezeichnet, man untersucht in einer bestimmten Herzzyklusphase und kann so gewährleisten, dass die Gefäße relativ scharf abgebildet werden. Das bewirkt eine deutliche Reduktion der Strahlenbelastung auf ein Viertel dessen, was ursprünglich einmal berechnet wurde, also etwa 4–5 mSv. Weiterhin besteht bei den meisten modernen Computertomografen die Möglichkeit der Dosismodulation. Ganz moderne Geräte mit sehr hohen Zeilenzahlen und sehr schnellem Tischvorschub haben noch weiteres Potenzial, die Strahlenbelastung unter idealen Bedingungen bis auf 1 mSv zu senken. Das ist schon eine beträchtliche Reduktion gegenüber den früheren Werten.
Das Interview führte Dr. Eva Maria Thiel.
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