? Herr Prof. Frankenberger, welche Bedeutung haben heute Glasionomer-Zemente in der
restaurativen Zahnheilkunde?
Prof. Roland Frankenberger: Aufgrund werkstoffkundlicher Überprüfungen sollte man erwarten, dass sie überhaupt
keine Rolle in der zahnärztlichen Praxis spielten. Ihre Biegefestigkeit und Abrasionsstabilität
reichen in der Regel nicht aus, um belastbare Füllungen herstellen zu können. Aber
die Verkaufszahlen von Glasionomer-Zementen sprechen eine ganz andere Sprache. In
nahezu jeder Zahnarztpraxis werden sie eingesetzt. GIZ sind beispielsweise ein probates
Material für die temporäre Versorgung, oder wenn sich der Behandler nicht sofort auf
die weitere Therapie festlegen beziehungsweise erst noch eine weitere Beratung des
Patienten durchführen möchte. Glasionomer-Zemente bieten daher einen guten Weg, um
mit dem Patienten "klar zu kommen".
? Ist die Eigenschaft der Fluoridabgabe ein generelles Argument für GIZ?
Frankenberger: Diese ist sicherlich wünschenswert und mag gerade in der Alterszahnheilkunde eine
Rolle spielen. Allerdings gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, die dezidiert
nachweisen, dass die Fluoridabgabe wirklich dazu beiträgt, Sekundärkaries zu verhindern
oder eine Füllung langlebiger zu gestalten.
? Inwieweit unterscheidet sich ChemFil Rock von konventionellen Glasionomer-Zementen?
Frankenberger: ChemFil Rock besitzt eine neuartige und intelligentere Chemie mit zinkmodifizierten
Glasfüllern. Sie zielt vor allem darauf ab, dass das Material schneller als ein konventioneller
GIZ mechanische Festigkeit entwickelt. Dadurch wird das Hauptproblem bisheriger Glasionomer-Zemente
reduziert, welche während der frühen Phase – also etwa im Bereich der ersten Woche
nach dem Legen der Füllung – leicht abradieren und sehr anfällig für Frakturen und
Imperfektionen sind. Durch seine veränderte Chemie erhält ChemFil Rock eine verbesserte
Frakturresistenz und Abrasionsbeständigkeit – das haben wir in unserer Kausimulationsstudie
nachgewiesen.
? Bietet ChemFil Rock auch Vorteile bei der Verarbeitung?
Frankenberger: ChemFil Rock besitzt eine angenehme, nicht klebrige Konsistenz, die gut zu modellieren
und leicht zu stopfen ist. Es adaptiert ausgezeichnet an die Kavitätenwände. Hier
ist dem Hersteller ein vernünftiger Kompromiss gelungen. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit
ist sensationell, weil auf sämtliche Vor- und Nachbehandlungen verzichtet werden kann.
ChemFil Rock erfordert weder Konditionieren, noch Oberflächenversiegelung – ein großer
Vorteil.
? Für welche Indikationen setzen Sie das Material ein?
Frankenberger: In erster Linie als Langzeitprovisorium. In meine Klinik kommen Patienten, die ChemFil
Rock als Amalgam-Ersatz wünschen, eher selten. Allerdings warte ich mit Interesse
auf die Ergebnisse von derzeit laufenden klinischen Studien zu diesem Thema. Es wird
aktuell an der Ludwig-Maximilians-Universität München eine große Anwender-Feldstudie
in Zahnarztpraxen durchgeführt, die anhand einer großen Fallzahl von ChemFil Rock-Füllungen
dessen Eignung als Amalgam-Ersatz analysieren wird. Sollte die Studie signifikant
belegen, dass nach 2 Jahren noch mehr als 95 % der ChemFil-Rock-Füllungen intakt sind,
dann wäre das Material auch hinsichtlich der ADA-Kriterien für uns interessant.
? Bei welchen Kavitäten-Klassen verwenden Sie ChemFil Rock?
Frankenberger: Bei Klasse-I- und mittelgroßen Klasse-II-Füllungen. Bei letzteren gehäuft, weil hier
die Entscheidung darüber, ob direkt oder indirekt restauriert werden sollte, oftmals
eine Übergangslösung mit einem GIZ erfordert.
? Für welche Patientengruppen ist das Material besonders geeignet?
Frankenberger: In erster Linie für den klassischen Nichtzuzahler, der ansonsten von der GKV nur
die Versorgung mit Amalgam bezahlt bekäme. Dass – bei entsprechendem finanziellem
Engagement des Patienten – eine Versorgung mit Komposit hochwertiger und langlebiger
ist, steht natürlich außer Frage. Die Fähigkeit der Fluoridabgabe von ChemFil Rock
könnte möglicherweise bei der Behandlung älterer Patienten vorteilhaft sein; aber
bisher liegen hierzu kaum klinische Daten vor.
? Die Verarbeitung von ChemFil Rock geschieht im Vergleich zu anderen, auch teureren
Materialien, besonders schnell. Wäre dies nicht ein Vorteil bei der Behandlung von
Kindern?
Frankenberger: Grundsätzlich ja. Allerdings müssen wir auch hier noch die Ergebnisse einiger externer
klinischer Studien abwarten, um die Eignung von ChemFil Rock für diesen Bereich genauer
einschätzen zu können.
? Sie erwähnten aktuelle, derzeit laufende klinische Studien. In Ihrem eigenen Haus
fanden umfangreiche In-Vitro-Testungen von ChemFil Rock und anderen Glasionomer-Zementen
statt. Was genau wurde untersucht und welche Ergebnisse liegen Ihnen vor?
Frankenberger: Wir haben praktisch alle relevanten Parameter in vitro überprüft. ChemFil Rock wurde
dabei komplett getestet und hat im Vergleich zu anderen GIZ sehr gut abgeschnitten.
So wurde das Prüfmaterial in einer Kausimulation sowohl mechanisch als auch thermisch
belastet: mit 100 000 Kauzyklen und 2500 Thermozyklen bei 5 ° und 55 °C. Im Gegensatz
zu den konventionellen GIZ fanden wir bei ChemFil Rock keine Frakturen. Diese In-Vitro-Daten
unserer Kau-simulationsstudie entsprechen in etwa einer Tragedauer von 2 Jahren, wobei
eine klinische Studie durch nichts zu ersetzen ist.
? Was können Sie anhand der Datenlage bei ChemFil Rock Ihren Kollegen empfehlen?
Frankenberger: Wir dürfen uns nicht nur auf In-vitro-Daten stützen, sondern müssen noch auf aussagekräftige
klinische Daten warten, welche eine Tauglichkeit für dauerhaft verlässliche Seitenzahnrestaurationen
belegen können. Deshalb empfehle ich derzeit, das neue Material für semipermanente
Füllungen zu verwenden – mit Potenzial für mehr, wenn sich dies klinisch bestätigt.
Positiv zu erwähnen ist noch, dass es bisher keine Unverträglichkeiten gegenüber diesem
Material gegeben hat.
? Welches vorläufige Fazit ziehen Sie zu ChemFil Rock?
Frankenberger: Es ist eine sehr schöne Neuentwicklung auf dem eigentlich alten Markt der Glasionomer-Zemente.
Die bisherigen guten Erfahrungen mit ChemFil Rock machen neugierig auf mehr.