Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 7(03): 163-164
DOI: 10.1055/s-0031-1295335
Zur Diskussion gestellt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme der AGO-Kommission Mamma zu – Zur Diskussion gestellt

Further Information

Publication History

Publication Date:
25 October 2011 (online)

Sind die aktuellen Leitlinien der AGO zur axillären Lymphonodektomie bei 1-2 befallenen Lymphknoten logisch? Von K.-J. Winzer
I. Bauerfeind, S. Kümmel für die AGO Kommission Mamma

In dem Artikel von Winzer "Sind die aktuellen Leitlinien der AGO zur axillären Lymphonodektomie bei 1-2 befallenen Lymphknoten logisch?" werden mögliche Implikationen diskutiert, die sich aus der Änderung der AGO-Empfehlungen 2011 zur Indikation der Axilladissektion nach positiver Sentinel-Node-Biopsie (SNB) ergeben.

Die methodischen Kritikpunkte der Z0011-Studie und die Bedenken gegen die Umsetzung der Ergebnisse wurden ausreichend diskutiert [ 1 ], [ 2 ]. Eine Zusammenstellung von Studien, welche die These der Z0011-Studie unterstützen, dass die ALND eine diagnostische, aber keine therapeutische Funktion hat, wurde von u.a. Gerber et al. zusammengestellt [ 3 ].

Die AGO hat, wie auch eine deutsche Expertengruppe [ 4 ] die Umsetzung der Ergebnisse der Z0011-Studie befürwortet. Auf eine Axilladissektion kann verzichtet werden, wenn folgende Bedingungen ausnahmslos erfüllt sind: klinisch und sonografisch unauffälliger axillärer Lymphknotenstatus; kleiner gleich 2 positive Sentinel-Nodes (Makrometastasen), brusterhaltende Operation bei cT1/2 mit adjuvanter tangentialer Bestrahlung und adjuvante Systemtherapie.

Die Umsetzung der Empfehlung in die klinische Realität fällt schwer, unter anderem dadurch, wie Winzer befürchtet, dass die ALND als diagnostische Methode eine Unschärfe erhält, weil die korrekte Anzahl befallener Lymphknoten unklar bleibt und Patientinnen mit mehr als 3 positiven Lymphknoten dann nicht die notwendige dosisintensivierte Chemotherapie mit entsprechendem Überlebensvorteil [ 5 ] bzw. Bestrahlung der supra- und infraklavikulären Lymphabflussgebiete erhalten würden. Dieses klinische Dilemma war eben einer der Gründe der Kommission für den Empfehlungsgrad "+/-", dessen Zurückhaltung die Konsequenz bei bestimmten Indikationsstellungen aufgrund des weniger aussagekräftigen Nodalstatus widerspiegelt.

Die Z0011-Studie hat jedoch nur für die 289 von insgesamt 891 registrierten Patientinnen, die vor der SNB registriert wurden, eine Analyse derer mit > 3 positiven Lymphknoten zugelassen. Für den größeren Teil der Registrierungen wurden Patientinnen mit > 3 positiven Lymphknoten nicht zugelassen und daher auch nicht ausgewertet. Durchschnittlich wurden im SNB-Arm 2 Lymphknoten entfernt.

Die Anzahl von Patientinnen, die bei cN0 eine SNB erhielten und 4 oder mehr positive Lymphknoten hatten, betrug in der Z0011 13,7%. Leider gibt es keine Analyse zu diesen Patientinnen in Bezug auf Alter und andere tumorbiologische Faktoren. An dieser Stelle sei auch deutlich gemacht, dass bereits Patientinnen in die Z0011 eingeschlossen werden konnten, wenn keine palpablen Lymphknoten vorlagen (…no palpable adenopathy…). Eine routinemäßige Sonografie der Axilla, wie sie in Deutschland etabliert ist und die diagnostische Sicherheit zweifelsfrei erhöht, wurde nicht routinemäßig durchgeführt.

Mit den neuen AGO-Empfehlungen sind natürlich neue, institutsbezogene SOPs und therapeutische Logarithmen zur +/- Empfehlung zu definieren. Die Patientinnen müssen über die Z0011-Studie aufgeklärt werden, da sind sich Kritiker wie Protagonisten einig. Bei der Entscheidung für oder gegen die Axilladissektion können im individuellen Fall Nomogramme hilfreich sein [ 6 ]. Anamnese, präoperative subtile Diagnostik mit Kenntnis der Tumorbiologie und der Prognosefaktoren sind von wesentlicher Bedeutung. Diagnostische Maßnahmen, die ohne therapeutische Konsequenz bleiben, sind obsolet: Patientinnen, die beispielsweise älter als 65 Jahre sind, erhalten in der Regel keine dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie. Die Indikationen zur Radiatio der supra- und infraklavikulären Regionen sind bereits durch die SNB ab einem positiven Lymphknoten mit einem einfach + der AGO empfohlen. Eine logische Unschärfe in den AGO-Empfehlungen liegt damit nur insofern vor, wie sie in der Schwierigkeit der diagnostischen und therapeutischen Umsetzung der neu vorliegenden Daten liegt.

Des Weiteren wird von Winzer gefordert, die SNB beim low grade-DCIS konsequent zu unterlassen. Die AGO empfiehlt die SNB beim DCIS ab einer Größe von 5 cm bzw. ab 2,5 cm Größe, wenn eine G3-Differenzierung vorliegt sowie im Falle der DCIS-bedingten Indikation zur Mastektomie. Damit soll das Risiko für das Übersehen einer Mikroinvasion und das damit verbundene Risiko der Mehrfachoperationen bei geringer zusätzlicher Morbidität durch die SNB minimiert werden. Die vorliegenden Daten zur SNB beim DCIS insgesamt lassen jedoch eine weitere Unterteilung in unterschiedliche Risikofaktoren bislang nicht zu. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass durch die Reduktion der axillären Chirurgie auch die Indikationen zur SNB beim DCIS eine zukünftige Modifikation erfahren.

 
  • Literatur

  • 1 Kühn T, Poortmans P. Comment on Giuliano A E et al. Axillary dissection vs no axillary dissection in women with invasive breast cancer. JAMA 2011; 305: 569-573 Breast Care 2001; 6 154 - 156
  • 2 Thomssen C, Grosse R, Kühn T. What Does It Take to Establish New Paradigms?. Breast Care 2011; 6: 83-84
  • 3 Gerber B, Heintze K, Stubert J et al. Axillary lymph node dissection in early-stage invasive breast cancer: is it still standard today?. Breast Cancer Res Treat 27.04.2011; [Epub ahead of print]
  • 4 Untch et al. St. Gallen-Konferenz 2011 zum primären Mammakarzinom – Meinungsbild deutscher Experten (Zürich 2011). Geburtsh Frauenheilk 2011; 71: 381-390
  • 5 Moebus et al. Intense dose-dense sequential chemotherapy with epirubicin, paclitaxel, and cyclophosphamide compared with conventionally scheduled chemotherapy in high-risk primary breast cancer: mature results of an AGO phase III study. J Clin Oncol 2010; 28 (Suppl. 17) 2874-80
  • 6 Van Zee K et al. A Nomogram for Predicting the Likelihood of Additional Nodal Metastases in Breast Cancer Patients With a Positive Sentinel Node Biopsy. Ann Surg Oncol 2003; 10 (Suppl. 10) 1140-1151