Pneumologie 2012; 66(01): 6
DOI: 10.1055/s-0032-1304129
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic - Tyrosinkinase-Hemmung als neuer Therapiebaustein bei IPF geprüft

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Publication Date:
20 January 2012 (online)

 

    Hintergrund: Im Rahmen der Fibrosierung spielen Signalkaskaden eine Rolle, die durch verschiedene Tyrosinkinase-Rezeptoren aktiviert werden. Deshalb könnte die Inhibition dieser Rezeptoren helfen, die Progression der fibrotischen Lungenerkrankung zu verzögern. BIBF 1120 ist ein potenter intrazellulärer Tyrosinkinase-Inhibitor, der klinisch auf seine Wirksamkeit zur Therapie der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) wie auch verschiedener Malignome geprüft wird. Zielstrukturen des Inhibitors sind verschiedene Signalmoleküle: die Plättchenwachstumsfaktoren (PDGF) α und β, der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGFR) sowie der Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor (FGFR), die alle bei der Lungenfibrose eine Rolle spielen.

    Methodik: Eine 12 Monate dauernde Phase-II-Studie prüfte Wirksamkeit und Sicherheit von 4 verschiedenen BIBF-1120 -Dosierungen (50 mg 1-mal täglich sowie 50, 100 oder 150 mg 2-mal täglich) im Vergleich zu Placebo. Eine begleitende Therapie mit bis zu 15 mg Prednisonäquivalent pro Tag war erlaubt, wenn die Therapie konstant in dieser Dosis bereits 8 Wochen vor Studienbeginn angewendet worden war. Primärer Endpunkt war die Abnahmerate der forcierten Vitalkapazität (FVC) pro Jahr. Sekundäre Endpunkte umfassten akute Exazerbationen, die Lebensqualität nach dem St. George's Respiratory Questionnaire (SGRQ) sowie die totale Lungenkapazität (TLC).

    Ergebnisse: Insgesamt 428 Patienten erhielten randomisiert eine der Prüfmedikationen bzw. Placebo. 141 entsprachen den Kriterien einer definitiven IPF, 265 den einer wahrscheinlichen IPF, 21 möglicherweise einer IPF und 1 Patient hatte keine IPF. Im Vergleich zu Placebo war die jährliche Abnahme der FVC bei der höchsten Dosierung des Prüfmedikaments (2-mal täglich 150 mg) um zwei Drittel reduziert (-0,06 vs. 0,19 l), allerdings blieb diese Reduktion unterhalb der Signifikanzschwelle des gewählten statistischen Verfahrens. Nach der hierarchischen Testung war der Unterschied dagegen signifikant. Im Arm mit der höchsten BIBF-1120-Dosis erlitten die Patienten deutlich weniger akute Exazerbationen als im Placeboarm (2,4 vs. 15,7 pro 100 Patientenjahre). Die Lebensqualität verbesserte sich leicht, während der Wert in der Placebogruppe deutlich anstieg und damit die Lebensqualität schlechter wurde (-0,66 vs. 5,46 Punkte nach dem SGRQ,). Nebenwirkungen traten häufiger in den Verum- als in den Placebogruppen auf. Die BIBF-1120-Einnahme ging vermehrt mit meist milden bis mittelschweren gastrointestinalen Symptomen einher, die häufiger zu Studienabbrüchen als unter Placebo führten. Zudem wurde ein Anstieg der Leberaminotransferasenwerte beschrieben.

    Richeldi L et al. Efficacy of a tyrosine kinase inhibitor in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J

    Friederike Klein, München

    Kommentar

    Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist ein Krankheitsbild mit hoher Morbidität und Mortalität. Trotz der Zunahme des Verständnisses der Pathogenese finden sich nur wenige, neue therapeutische Ansätze in der klinischen Erprobung. Relevante Endpunkte, wie Vermeidungen von hospitalisierungsrelevanten Exazerbationen oder Verbesserung des Überlebens, werden durch die bisherigen Standardtherapien nicht erreicht (siehe Stellungnahme der DGP zur PANTHER-Studie in der Pneumologie 12/2011). Ein wesentliches Problem aller prospektiven IPF-Interventionsstudien ist die Heterogenität des Grundkrankheitsbildes und die signifikante Komorbidität des älteren Menschen mit IPF. In der vorliegenden Studie wurde überprüft, ob eine Multi-Tyrosinkinase-Hemmung als eine neue therapeutische Option bei IPF sinnhaft erscheint. Tyrosinkinase-Inhibitoren haben u. a. einen wichtigen Platz in der Therapie des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms eingenommen und weisen ein breites Wirkungsspektrum auf. Die Hemmung des PDGF-, VEGF- und FGF-R-Signalweges erscheint sinnvoll, da alle diese Wachstumsfaktoren in hoher Expressionsdichte in der Lunge bei nicht malignen Erkrankungen vorkommen und zu einem pulmonalen Remodeling beitragen können. Insofern ist der Ansatz, eine progressive, destruierende Lungenerkrankung mit der Inhibition von PDGF- und VEGF- sowie FGF-R zu behandeln, sinnvoll. Die Studie mit dem Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor BIBF 1120 wurde als Phase-II-Studie in unterschiedlichen Dosierungen durchgeführt. In der höchsten Dosierung kann es zu einer Verbesserung der Lebensqualität, der Exazerbationsrate und einer Verzögerung der jährlichen Abnahme der FVC kommen. Es gibt keinen Hinweis auf Unterschiede in der Überlebenszeit der Patienten. Es bleibt abzuwarten, inwiefern in den nun aufgelegten Phase-III-Studien diese positiven Signale zu wiederholen bzw. zu ergänzen sind.

    Klinisch relevant bleibt auch das Nebenwirkungsspektrum des Tyrosinkinase-Inhibitors BIBF 1120. Häufig sind mittelschwere gastrointestinale Symptome. Das Nebenwirkungsspektrum lässt Probleme mit der Patientencompliance erwarten. Hier bleibt abzuwarten, ob eine entsprechende Therapieadhärenz in der notwendigen Dauertherapie bei den älteren Patienten zu erzielen ist. Zudem besteht ein Anstieg der Leberaminotransferasenwerte. Dieser Anstieg ist als möglicherweise risikohaft bei den häufigen Komedikationen der Patienten anzusehen.

    Zusammenfassend stellen die neuen Erkenntnisse über den möglichen Therapieansatz der Inhibition von verschiedenen Wachstumsfaktorkaskaden ein neues therapeutisches Konzept für die IPF dar, das sinnvoll und wichtig erscheint. Insbesondere unter Berücksichtigung der zuletzt nicht zufriedenstellenden Ergebnisse im Bereich der klinischen Studien lassen diese Beobachtungen erwarten, dass in naher Zukunft weitere Schritte zur Verbesserung der Prognose der Patienten mit IPF auf den Weg gebracht werden können.

    Prof. Christian Grohé, Berlin


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