Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(04): 161
DOI: 10.1055/s-0032-1304167
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Enorme Ausweitung des Endemiegebiets – Chikungunyafieber in Amerika

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Publication Date:
17 August 2015 (online)

 

    Das Chikungunyafieber hat – begünstigt durch den internationalen Reiseverkehr – in den vergangenen 15 Jahren eine enorme Ausweitung seines ursprünglichen Endemiegebiets erfahren. Entdeckt worden war das Chikungunya-Virus Mitte des letzten Jahrhunderts in Ostafrika. In den folgenden Jahren erfolgten auch Nachweise in Westafrika, Indien und Südostasien, wobei die Bevölkerung in den betroffenen Regionen bereits eine erhebliche Immunität gegen das Virus aufwies, was darauf hindeutet, dass die Krankheit hier schon länger zirkulierte.

    Ausbreitung in den letzten Jahren

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    (Bild: CDC; James Gathany)

    Es folgte eine allmähliche Ausweitung des Endemiegebiets nach Zentral- und Südafrika. Die gemeldeten Infektionszahlen waren jahrelang recht niedrig, bis es in der Demokratischen Republik Kongo in den Jahren 1999/2000 plötzlich einen Ausbruch mit etwa 50 000 Erkrankten gab. Von nun an nahm die Frequenz der bedeutenden, registrierten Ausbrüche zu: Direkt nach der Jahrtausendwende folgte ein Ausbruch auf der indonesischen Insel Java, nachdem das Virus dort 20 Jahre lang nicht mehr nachgewiesen worden war. Im Jahr 2005 wurde dann erstmals aus dem französischen Überseedépartement La Réunion ein Ausbruch gemeldet – mangels vorhandener Immunität erkrankte dort etwa ein Drittel der Bevölkerung; der Ausbruch griff auch auf andere Inseln im indischen Ozean über. In den Jahren 2006/2007 erkrankten dann in Indien weit mehr als eine Million Menschen. Darüber hinaus kam es 2007 erstmals zu einem – lokal begrenzten – Chikungunyaausbruch in Europa. Dabei infizierten sich in Norditalien knapp 200 Personen.

    Ende des Jahres 2013 gab es dann einen ersten labordiagnostisch bestätigten Fall in der Karibik: Im Dezember war in dem französischen Überseegebiet St. Martin ein Mann am Chikungunyafieber erkrankt. Damit begann ein Ausbruch, der innerhalb kürzester Zeit fast die gesamte Karibik und das amerikanische Festland erfassen sollte. Nur ein Jahr später waren dort insgesamt mehr als 1,1 Mio. Verdachtsfälle gemeldet worden, 178 Todesfälle wurden mit dem Ausbruch in Verbindung gebracht. Und seit Beginn des Jahres 2015 wurden bereits erneut mehr als 460 000 Verdachtsfälle und 61 Todesopfer gemeldet, wobei die tatsächlichen Fallzahlen wahrscheinlich deutlich höher liegen, da viele Länder und Inselstaaten nur sporadisch ihre Statistiken an die amerikanische Gesundheitsorganisation PAHO melden.

    Am stärksten betroffen war im ersten Jahr des Ausbruchs die Dominikanische Republik mit mehr als 539 000 Verdachtsfällen. Ab dem September nahm die Zahl der Neuinfektionen dort dann aber deutlich ab und seit Beginn dieses Jahres wurden sogar nur noch 63 Verdachtsfälle gemeldet, sodass der Ausbruch hier fast überstanden zu sein scheint. In Kolumbien dagegen hat der Ausbruch erst dieses Jahr richtig Fahrt auf genommen. So erkrankten hier zwischen Januar und Mitte Juni 2015 wahrscheinlich mehr als 300 000 Menschen, 37 von ihnen überlebten die Infektion nicht. Auf dem amerikanischen Festland gibt es momentan nur 4 Länder, die noch keine autochthonen Infektionen gemeldet haben. Dies sind Kanada, Argentinien, Uruguay sowie Chile.


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    Chikungunya in Europa

    Durch die Ausweitung des Endemiegebiets und die steigenden Fallzahlen weltweit kommt es auch in Europa zunehmend zu importierten Fällen. Und da ein Überträger des Chikungunyafiebers, die Asiatische Tigermücke, in den vergangenen Jahren ihr Verbreitungsgebiet ebenfalls drastisch ausweiten konnte und bereits in vielen Regionen Europas nachgewiesen wurde, wären auch hier autochthone Infektionen möglich. Ausbrüche in Mitteleuropa sind jedoch unter den herrschenden klimatischen Bedingungen höchstens während extrem langer Hitzewellen zu erwarten. Im Mittelmeerraum dagegen könnte sich das Chikungunya-Virus leichter verbreiten. Dass dies nicht nur theoretische Gedankenspiele sind, zeigen erste Fälle aus den vergangenen Jahren – der bereits erwähnte Ausbruch in Norditalien mit fast 200 Erkrankten, sowie 2 kleinere Ausbrüche in Südfrankreich aus den Jahren 2010 und 2014 mit 2 beziehungsweise 4 autochthonen Infektionen.

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    (Bild: PhotoDisc)

    Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

    Quellen: paho, promed, WHO


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    (Bild: CDC; James Gathany)
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    (Bild: PhotoDisc)