Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(04): 165
DOI: 10.1055/s-0032-1304172
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Studie zum Erinnerungsvermögen von Beratenen – Was wissen Patienten nach einer reisemedizinischen Beratung?

McGuinness SL et al.
Immediate recall of health issues discussed during a pre-travel consultation.

J Travel Med 2015;
22: 145-151
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Publication History

Publication Date:
17 August 2015 (online)

 

    McGuinness SL, Spelman T, Johnson DF, Leder K. Immediate recall of health issues discussed during a pre-travel consultation. J Travel Med 2015; 22: 145–151

    Liebe Mitglieder,

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    (Bild: Fotolia; britta60)

    Thema: Ein wichtiges Ziel einer Beratung vor einer (Fern-)Reise ist es, das Verständnis für reisebedingte Krankheiten zu verbessern. Die Wirksamkeit dieser Beratung ist weitgehend unbekannt. Diese Studie versucht, Erinnerungsvermögen und Wissen der Beratenen zu bewerten – unmittelbar nach einer vorausgegangenen Reiseberatung.

    Projekt: Die Studie wurde in einer an ein Krankenhaus angeschlossenen „pre-travel- clinic“ also einer auf Reiseberatung spezialisierten Ambulanz in Melbourne, Australien durchgeführt. Reisende im Alter von ≥ 16 Jahren, die zwischen September 2010 und März 2012 eine Beratung in Anspruch nahmen, waren eingeladen, einen anonymen Fragebogen unmittelbar nach ihrer Beratung auszufüllen. Das Wissen über geeignete Präventionsmaßnahmen und mögliche Selbstbehandlungsstrategien für häufige Reiserisiken wurde abgefragt. Der Arzt, der die teilnehmenden Reisenden beraten hatte, beantwortete zusätzlich eine Umfrage zu den von ihm angesprochenen oder diskutierten Aspekte der Konsultation.

    Ergebnisse: Insgesamt 300 Patienten konnten für die Studie rekrutiert werden. 34 % waren Männer. Das Durchschnittsalter betrug 31 Jahre. Die meisten standen vor einer Urlaubsreise (77 %) und berichteten über frühere Reiseaktivitäten (95 %). Hauptreiseziele waren Asien (43%), Nord- und Südamerika (21 %) sowie Afrika (17 %). Die Fragebögen bei den Ärzten und Reisenden zeigten teils unterschiedliche Ergebnisse: 94 % der Patienten erinnerten sich an eine Diskussion über Malaria, 84 % an das Thema Tollwut und 76 % an Dengue. Beim Bereich Malaria erinnerten sich 95 % an ein Gespräch über Insektenschutzmittel und 92 % daran, dass ärztlicher Rat beim Auftreten von Fieber eingeholt werden sollte. 94 % der Reisenden, mit denen über Tollwut gesprochen wurde, erinnerten sich daran, dass dringend ärztlicher Rat nach einem Biss oder Kratzer eingeholt werden sollte. Für die Vorbeugung der Reisediarrhö wussten 99 %, dass man nur gekochtes Wasser oder Mineralwasser trinken sollte, aber 13 % konnten sich nicht an die Vermeidung von ungeschälten Früchten oder Gemüse als Präventionsstrategie erinnern. Es gab 20 % fehlende Übereinstimmung zwischen den Ärzten und Reisenden in Bezug auf Antibiotika zur Selbstbehandlung, aber nur 4 % Abweichung in Bezug auf die Verschreibung von Malariaprophylaxe. Faktoren, welche das Erinnerungsvermögen positiv beeinflussten, waren neben einer Diskussion mit dem Arzt über bestimmte Themen, die vorherige Reiseerfahrung und eine Hochschulausbildung.

    Fazit: Die entscheidenden Aspekte in der Reiseberatung werden aufgenommen und können wiedergegeben werden. Allerdings werden große Mengen von Informationen im Gespräch auch länger besprochen und eine sofortige Erinnerung aller Informationen ist dann nicht mehr möglich.


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    Kommentar

    Mit der Zunahme des internationalen Reiseverkehrs hat auch die Bedeutung der Reiseberatung in unseren Praxen, Ambulanzen, Apotheken und in der Arbeits- und Betriebsmedizin zugenommen. Weiterhin sind reisebedingte Gesundheitsprobleme häufig und vor allem Infektionen auf Reisen sind durch Präventionsmaßnahmen oder gezielte Gegenmaßnahmen beinflussbar [1].

    Die Risikowahrnehmung der beratenen Reisenden ist variabel und man begegnet weiterhin Irrglauben und Missverständnissen. Alle Reisegesundheitsberufe sollten sich gemeinsam bemühen, sinnvolle Verbesserungen zu erreichen. Leider nehmen viele Reisende weiterhin keine professionelle medizinische Beratung durch einen Arzt oder einen anderen zertifizierten Reiseberater vor der Abreise in Anspruch [2].

    Ein Bewusstsein für reisebezogene Krankheiten oder Verletzungen kann sicherlich in unserer Beratung vermittelt werden. Die Bereitstellung geeigneter Zusatzmaterialien ist hier ein wichtiger Aspekt. Da im Gespräch oft viele, teils auch komplexe Informationen in einer kurzen Zeit weitergegeben werden (z. B. zu Krankheiten, zu Impfungen, zur Prophylaxe und zu Verletzungsrisiken) kann es zu einer Art Informationsüberflutung kommen. Diese blockiert im Einzelfall die echte Speicherung und Abrufbarkeit der vermittelten Inhalte. Deshalb sollte man sich in der Beratung auf klar definierte, prägnante und patientenspezifische Schlüsselinformationen konzentrieren [3], [4].

    An die Themen Malaria, Tollwut und Denguefieber erinnerten sich die Teilnehmer in der Studie am besten. Insektenschutzmittel und das Einholen von ärztlichem Rat bei hohem Fieber waren ebenso präsent wie die Abklärung beziehungsweise PEP einer Tollwut nach einer Biss- oder Kratzverletzung. Beim Reisedurchfall als potenziell weniger bedrohlich wirkender oder spannender / neuer Erkrankung kam es zu größeren Gedächtnislücken.

    Das Gesamtkonzept in der Reiseberatung muss neben einer fundierten und qualitätsgesicherten Ausbildung des Beratenden eine fokussierte und den zeitlichen Möglichkeiten angepasste Beratungsstruktur enthalten. In der Reiseberatung können wir gezielt potenzielle Gesundheitsrisiken ansprechen und minimieren oder reduzieren [5]. Die zusätzliche Verwendung von gedrucktem und elektronischem Material kann fehlende Inhalte ergänzen oder besprochene Themen wiederholen und bestärken. Aus diesem Grund erscheint eine Reiseberatungssoftware mit der Möglichkeit der individuellen Anpassung auf die Bedürfnisse des Einzelnen sinnvoll und sollte in jeder Beratungsstelle vorgehalten werden.

    Prof. Dr. Jörg Schelling, München
    Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin


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    • 1 Hill DR, Ericsson CD, Pearson RD et al. The practice of travel medicine: guidelines by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis 2006; 43: 1499-1539
    • 2 Castelli F. Human mobility and disease: a global challenge. J Travel Med 2004; 11: 1-2
    • 3 Genton B, Behrens RH. Specialized travel consultation part I: travelersʼ prior knowledge. J Travel Med 1994; 1: 8-12
    • 4 McIntosh IB, Reed JM, Power KG. The impact of travel acquired illness on the world traveler and family doctor and the need for pre-travel health education. Scot Med J 1994; 39: 40-44
    • 5 Bauer IL. Educational issues and concerns in travel health advice: is all the effort a waste of time?. J Travel Med 2005; 12: 45-52

    • 1 Hill DR, Ericsson CD, Pearson RD et al. The practice of travel medicine: guidelines by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis 2006; 43: 1499-1539
    • 2 Castelli F. Human mobility and disease: a global challenge. J Travel Med 2004; 11: 1-2
    • 3 Genton B, Behrens RH. Specialized travel consultation part I: travelersʼ prior knowledge. J Travel Med 1994; 1: 8-12
    • 4 McIntosh IB, Reed JM, Power KG. The impact of travel acquired illness on the world traveler and family doctor and the need for pre-travel health education. Scot Med J 1994; 39: 40-44
    • 5 Bauer IL. Educational issues and concerns in travel health advice: is all the effort a waste of time?. J Travel Med 2005; 12: 45-52

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