Schlüsselwörter:
Geschichte der Urologie - Frauenstudium - jüdische Lebensläufe - Urogynäkologie -
Wien
Key Words:
history of urology - access for women to universities - Jewish biographies - Vienna
Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durften Frauen an einigen europäischen Universitäten
offiziell ein Studium aufnehmen, davor waren sie fast gänzlich von der wissenschaftlichen
Ausbildung ausgeschlossen. Dora Teleky (1879/81–1963) war eine der ersten Ärztinnen
in Österreich und die erste Frau, die Mitglied der alten Gesellschaft für Urologie
(DGfU) war. Ihr Engagement beschränkte sich nicht auf die fachlich-medizinischen Ebene,
vielmehr setzte sie sich auch international verstärkt für die Stellung der Ärztinnen
in einer von Männern dominierten Medizin ein.
Gabriele Possaner von Ehrental: Die erste Ärztin Österreichs als Wegbereiterin
Gabriele Possaner von Ehrental: Die erste Ärztin Österreichs als Wegbereiterin
In der Schweiz waren weibliche Studenten seit 1864, in Frankreich seit 1863 und in
Großbritannien seit 1869 zum Studium zugelassen. In Deutschland konnten sich Frauen
seit dem WS 1899/1900 an der Freiburger Universität zum Studium einschreiben. Die
Vorreiterrolle hatte diesbezüglich Amerika eingenommen, wo die Universitäten bereits
seit 1833 für Frauen geöffnet waren [
1
]. In Österreich durften Frauen an den Philosophischen Fakultäten seit 1897 studieren.
Zum Medizinstudium wurden sie aber erst im WS 1900/01 zugelassen. Vor dieser Zeit
konnten sie nur im Ausland Medizin studieren [
2
]. Eine dieser österreichischen Frauen, die im Ausland ihr Studium und ihre Promotion
absolvierte, war die Praktische Medizinerin Dr. Gabriele Possanner von Ehrenthal (1860–1940)
(Abb. [
1
]). Nach dem erfolgreichen Studium in Genf und Zürich, wo sie auch promovierte, versuchte
sie ab 1894 sich in ihrer Heimat niederzulassen. Erst nach etlichen Gesuchen, einer
Petition und letztendlich einem stattgegebenen Gnadengesuch an den Kaiser Franz Josef,
durfte sie die Rigorosen in Wien ablegen und erlangte am 2. April 1897 als erste Frau
in Österreich den medizinischen Doktortitel. Gabriele Possanner war eine streitbare
und beharrliche Wegbereiterin für die Zulassung von Frauen an österreichischen Universitäten
[
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]. Ihr folgten ab 1900 die ersten in Österreich ausgebildeten Ärztinnen. Bereits zehn
Jahre später waren in der gesamten k.u.k. Monarchie 80 in Österreich approbierte Ärztinnen
tätig. Bedenkt man die Schwierigkeiten, unter denen die Frauen ihr Studium absolvierten
und die Skepsis der männlichen Kollegen, so ist es durchaus eine respektable Zahl,
die sich im Jahr 1929 auf 477 weibliche Mediziner versechsfachte [
5
].
Abb. 1 Dr. Gabriele Possanner von Ehrenthal (1860–1940), Österreichs erste promovierte Ärztin.(Bild:
Österreichische Nationalbibliothek, NB 515.717, Mit freundlicher Genehmigung)
Dora Telekys Studien- und Ausbildungsjahre
Dora Telekys Studien- und Ausbildungsjahre
Dora Teleky (Abb. [
2
]) wurde am 5. Juli 1879 oder 1881 in Hinterbrühl/Niederösterreich geboren [
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], [
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]. Ihr Vater, Hermann Teleky (1837–1921), war ein angesehener Arzt in Wien und auch
ihr zehn Jahre älterer Bruder Ludwig (1872–1957) war Mediziner, der sich besonders
mit dem Gebiet der Sozialhygiene – mit Schwerpunkt auf den Berufskrankheiten – beschäftigte
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], [
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].
Abb. 2 Dora Teleky (1879/81–1963), erstes weibliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft
für Urologie.(Museum und Archiv Deutsche Gesellschaft für Urologie, Repro Keyn, Mit
freundlicher Genehmigung)
In ihrem wissenschaftlichen Leben musste Dora Teleky immer wieder Umwege gehen. 1899
legte sie als externer Prüfling ihre Maturaprüfung am Akademischen Gymnasium in Wien
ab, nachdem sie zuvor ein privates Mädchen-Gymnasium besucht hatte [
12
]. Auch ihr Medizinstudium begann Teleky über Umwege, sie wurde als Studentin an der
Philosophischen Fakultät an der Wiener Universität immatrikuliert, doch belegte sie
Kurse wie Allgemeine Chemie, Anatomie des Menschen und Demonstrationsübungen im Seziersaal.
Als Frauen zum Medizinstudium zugelassen wurden, wechselte Teleky sofort in dem Semester
an die Medizinische Fakultät. Nach dem erfolgreichen Studium in Wien und Straßburg/Elsass
wurde sie am 21. Dezember 1904 in Wien promoviert [
2
], [
13
].
Ihre medizinische Ausbildung setzte Teleky zunächst ein Jahr am Wiener Allgemeinen
Krankenhaus im Pathologisch-Anatomischen Institut unter Anton Weichselbaum (1845–1920)
als Aspirantin und Sekundärärztin fort. Anschließend war sie bis 1907 als Operationszögling
unter Anton von Eiselberg (1860–1939) an der I. Chirurgischen Universitätsklinik tätig.
Es folgte ab 1907 bis 1911 die Ausbildung an der II. Frauenklinik unter Rudolf Chrobak
(1843–1910), Alfons von Rosthorn (1857–1909) und Ernst Wertheim (1864–1920). Nach
dieser Zeit galt sie als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Bis zum Anschluss
Österreichs 1938, als die deutsche Reichsärzteverordnung übernommen wurde, gab es
keine Verordnung zur Facharztausbildung. Jeder, der sich für fachlich qualifiziert
hielt, konnte sich Facharzt nennen. 1920 ließ sie sich mit einer Praxis für Gynäkologie
und Geburtshilfe in Wien nieder. Darüber hinaus war sie seit 1919 Leiterin der Schwangeren
Fürsorgestelle und seit 1910 bis 1934 die erste Wiener Schulärztin für vier gewerbliche
Fortbildungsschulen für Mädchen. [
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8
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], [
14
] Neben ihrer Facharzttätigkeit war sie auch im urologischen Bereich tätig und bildete
sich dort weiter.
Die urologische Ausbildung erhielt Dora Teleky von 1911 bis 1914 am Wiener Rothschild-Spital
als Volontärin in der Chirurgisch-Urologischen Abteilung unter Otto Zuckerkandel (1861–1921).
In dieser Zeit entstanden mehrere Publikationen (Tab. [
1
]) mit urologischem Bezug und auch ihre Aufnahme in die DGfU fällt in diese Zeit [
1
]. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war sie bis 1918 in militärischen Spitälern
und Lazaretten tätig und wurde mehrfach für ihre Tätigkeit ausgezeichnet [
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], [
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].
Tab. 1 Urologische Publikationen von Dr. Dora Teleky
Erste Frau in der DGfU
Auf dem 3. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Wien im September 1911
hielt Dora Teleky einen Vortrag mit dem Titel "Teratoider Tumor der weiblichen Harnblase".
Das Thema ihres Vortrags spiegelt ihre urogynäkologische Ausrichtung wider. Sie wurde
im gleichen Jahr auch in die Gesellschaft aufgenommen und blieb vermutlich bis 1929
das einzige weibliche Mitglied, die Mitgliedslisten der DGfU verzeichnen außer ihr
keine weitere Frau für diese Jahre. Teleky ist auch auf den folgenden Kongressen anwesend.
Neun Jahre nach ihrem DGfU-Beitritt, am 20. Januar 1920, trat sie der eben gegründeten
Wiener Urologischen Gesellschaft bei.
Doch Dora Teleky war nicht nur im fachlich-medizinischen Bereich engagiert. Sie setzte
sich auch verstärkt für die Stellung der Ärztinnen in der männerdominierten Medizin
ein. Im Jahr 1919 gründete sie die Organisation der "Ärztinnen Wiens", deren Vorsitzende
sie zehn Jahre lang war. Darüber hinaus war sie korrespondierende Sekretärin des Internationalen
Ärztinnenverbandes (Abb. [
3
]) und nahm am 5. und 6. Kongress der "Medical Women’s International Association"
teil. Die Stärkung der Frau sowohl als Patientin als auch als Ärztin war ihr ein wichtiges
Anliegen [
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], [
14
].
Abb. 3 Dora Teleky in ihrer Zeit als korrespondierende Sekretärin des Internationalen Ärztinnenverbandes.(Museum
und Archiv Deutsche Gesellschaft für Urologie, Repro Keyn, Mit freundlicher Genehmigung)
Schicksalsjahr 1938
Dora Teleky stammte aus einer jüdischen Familie und wurde von den antijüdischen Gesetzen
nach dem Anschluss Österreichs 1938 aus ihrem Beruf gedrängt, wie auch schon drei
ihrer jüdischen Kolleginnen zuvor in Deutschland, die Urologinnen Johanna Hellmann
(1890–1981) [
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], Helene Fabian-Grumach (1894–1982) [
16
], [
17
] und Dora Gerson (1884–1941) [
18
].
Nachdem sich die politische und berufliche Lage durch den Anschluss für Teleky veränderte,
entschied sie sich zusammen mit ihrem Mann, Prof. Dr. Ernst von Brücke (1880–1941),
in die USA zu emigrieren. Prof. Brücke war seit 1916 Ordinarius für Physiologie in
Innsbruck und 1926/27 Rektor. Er war der Enkel des bekannten Wiener Physiologen Ernst
Wilhelm von Brücke (1819–1892). Ernst von Brücke galt nach den Nationalsozialistischen
Gesetzen durch seine jüdische Mutter als Halbjude und wurde durch die Eheschließung,
vom März 1930, zum Volljuden erklärt und war somit ebenfalls von den antijüdischen
Gesetzen betroffen. Nachdem er seine Stellung an der Universität verlor, entschied
er sich zu emigrieren und ein Lehrangebot an der Harvard Medical School anzunehmen.
Dora folgte ihrem Mann im Herbst 1938 in die USA und reiste über Mailand nach Amerika.
Sie erhielt die Zulassung als Gynäkologin in Massachusetts und war bis 1950 noch als
Ärztin in Boston tätig. Nachdem sie aus Altersgründen ihren Beruf aufgegeben hatte,
kehrte sie nach Europa zurück und starb am 19. April 1963 in Stäfa/Schweiz [
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], [
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], [
13
].
Resümee
Dora Teleky hatte in mehrfacher Hinsicht eine Vorreiterrolle: Sie war eine der ersten
österreichischen Ärztinnen, besuchte regelmäßig nationale und internationale Kongresse,
publizierte regelmäßig wissenschaftliche Arbeiten, gilt als erstes weibliches Mitglied
der DGfU und der Wiener Urologischen Gesellschaft. Aber auch die Position der Frau
als Patientin zu stärken war ihr wichtig. Mit ihren zahlreichen wissenschaftlichen
Arbeiten lenkte sie den Blick auf die Behandlung von Frauen in der Urologie. Trotz
der einschneidenden Veränderung nach dem Anschluss Österreichs, der erzwungenen Emigration
und des plötzlichen Todes ihres Mannes 1941 in Boston, war sie weiterhin als Fachärztin
tätig. Dora Telekys Arbeiten im Bereich der Urogynäkologie und ihre Zugehörigkeit
zur DGfU als erste Frau sichern ihr bis heute einen festen Platz in der Geschichte
der Deutschen Gesellschaft für Urologie und des Faches der Urologie selbst.
Julia Bellmann, Ulm