Aktuelle Ernährungsmedizin 2012; 37(04): 215
DOI: 10.1055/s-0032-1305189
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwerpunkt „Alt“

Focus: Old
C. Löser
Rotes-Kreuz-Krankenhaus Kassel, Medizinische Klinik
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 August 2012 (online)

Zoom Image
Prof. Dr. med. Christian Löser

Liebe Leserinnen und Leser unserer Zeitschrift,

nach „Dick“, „Dünn“, „Jung“ schließen wir unseren kleinen Zyklus jetzt mit dem letzten Schwerpunkt unserer Jahrestagung 2011 „Alt“ ab.

Die aktuelle Entwicklung moderner westlicher Industriestaaten ist u. a. geprägt von einer statistisch weiter zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung, nachhaltigen demografischen Veränderungen der Bevölkerungspyramide mit immer mehr älteren und weniger jüngeren Menschen, einer weiter drastischen Veränderung des allgemeinen Lebensstils mit immer weniger aktiver körperlicher Bewegung und zunehmend ungesunder, energiereicher Ernährung sowie einer epidemieartigen Zunahme nicht übertragbarer lebensstilinduzierter chronischer Erkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ II, Hypertonus, Adipositas, Hyperlipoproteinämie, koronare Herzerkrankung, zerebrale Ischämien oder Krebserkrankungen. Hinzu kommt eine deutliche Zunahme älterer, pflegebedürftiger dementer Patienten: Nach dem im Deutschen Ärzteblatt (107: 2098; 2010) kürzlich publizierten Pflegereport 2010 wiesen bereits jede 2. Frau und jeder 3. Mann, die 2009 über 60-jährig in Deutschland gestorben sind, Zeichen einer Demenz auf, wobei über 90 % dieser Patienten pflegebedürftig waren.

Für diese vorhersehbaren Entwicklungen müssen wir als Gesellschaft gezielte Antworten finden, die u. a. auch bewusst die präventiven und therapeutischen ernährungsmedizinischen Aspekte dieser nach WHO zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts mit einschließen. Wie soll in Zukunft weltweit die immer älter und mehr werdende Bevölkerung ernährt werden? Wie gehen wir mit den komplexen Problemen der vielen chronisch Kranken und zunehmend dementen Mitmenschen um? Welche ernährungsmedizinischen Strategien haben wir für diese Fragen unter menschlichen, medizinischen, ethischen, gesundheitsökonomischen und gesellschaftlich-sozialen Aspekten?

Zunehmendes Alter ist per se ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Unter-/Mangelernährung. Hier liegen unsere ernährungsmedizinischen Herausforderungen zwischen dem rechtzeitigen Erkennen und der individuell gezielten Behandlung auf der Basis des etablierten therapeutischen Stufenschemas sowie der Akzeptanz palliativmedizinischer Grundsätze und ethisch bedingter Grenzen für ernährungsmedizinische Interventionen am Lebensende.

Die beiden Übersichtsartikel von T. Frieling und W.-J. Mayet beschäftigen sich mit altersbedingten Veränderungen verschiedener gastrointestinaler Organsysteme und geben einen Überblick über die mit zunehmendem Alter zu erwartenden morphologischen, physiologischen und funktionellen Veränderungen. Diese Beiträge sollen über das akademische Interesse hinaus praktisch tätige Ärzte und alle in der Ernährungsberatung Tätigen für altersbedingt auftretende Veränderungen und Erkrankungen des Verdauungstraktes sensibilisieren. Der Artikel von Arved Weimann zur sachgerechten Verordnung von Trinknahrung fasst die Ergebnisse eines ausführlich zwischen renommierten Experten geführten Konsensusgespräches im Rahmen der DGEM-Veranstaltung in Machern im November 2011 zusammen und gibt auf der Basis unseres heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes Empfehlungen für das Vorgehen in der Praxis. Wir hatten auf unserer letzten Jahrestagung in Nürnberg eine sehr gut besuchte und intensiv diskutierte Sitzung über Ernährung am Lebensende und insbesondere die ethisch bedingten Grenzen einer künstlichen Ernährung über eine PEG-Sonde im Alter. Die intensive Diskussion vor Ort hat nicht nur die praktische Relevanz, sondern auch die Komplexität und Aktualität dieser Thematik widergespiegelt. Hierzu folgt ein kritischer „Viewpoint“ von mir in unserer heutigen Schwerpunktausgabe „Alt“.

Wir danken allen Autoren herzlich für ihre interessanten Beiträge und hoffen Ihrerseits auf weitere Anregungen und Beiträge für unsere Aktuelle Ernährungsmedizin.

Christian Löser

Co-Editor