Pneumologie 2012; 66(03): 124
DOI: 10.1055/s-0032-1307016
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chronische Rhinitis – Chili-Nasenspray kann Symptome lindern

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Publication History

Publication Date:
01 March 2012 (online)

 
 

J. A. Bernstein und Kollegen haben eine Studie zur Wirkung eines capsaicinhaltigen Nasensprays bei chronischer Rhinitis mit nichtallergischer Komponente durchgeführt. Bei Patienten, die das Spray über 2 Wochen täglich anwendeten, ergab sich im Vergleich zur Placebogruppe eine Verbesserung der Symptom-Scores.
Ann Allergy Asthma Immunol 2011;107: 171–178

Viele chronische Rhinitiden sind eine Mischung aus einer exogen allergischen und einer nicht allergischen Komponente. Letztere ist diagnostisch schwer zu fassen und ebenso schwer zu therapieren. Die Gabe des Chili-Scharfmachers Capsaicin hatte bei solchen Patienten eine Reduk-tion der Schwellung der Nasenschleimhäute und der Sekretproduktion zur Folge. Allerdings brennt die Substanz aufgrund ihrer ablativen Wirkung auf sensorische Nervenfasern und wurde in der aktuellen Studie in einer schwächeren Dosierung mit zusätzlichem Eukalyptusanteil eingesetzt. Capsaicin macht über verschiedene Mechanismen sensorische Nervenfasern unempfindlich.

Aufwendiges Studiendesign

42 Patienten mit einer nicht allergischen oder gemischten Form der Rhinitis wurden nach sorgfältiger Charakterisierung mit dem Präparat ICX72 bzw. Sinus Buster (20 Personen) sowie dem Kontrollpräparat (22 Personen) über 2 Wochen 2-mal täglich intranasal behandelt. Das aufwendige, randomisierte und verblindete Studiendesign kann hier nicht im Detail berichtet werden. Verschiedene Parameter und Scores wurden zur Auswertung der Effekte herangezogen.


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Schnelles Eintreten der Wirkung

Ein wichtiger Parameter zur Messung der potenziell erzielten Wirkung war die Zeit, die nach der Applikation bis zum Auftreten der ersten Linderung der individuellen Symptome vergangen war. Diese Zeitspanne war mit 53 Sekunden in der Verumgruppe deutlich kürzer als in der Placebogruppe mit 184 Sekunden. Auch führte das Präparat ICX72 bei 80 % der Patienten bereits innerhalb der ersten Minute zur Besserung der klinischen Symptome; unter Placebo war das nur bei 45 % der Patienten der Fall.

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Capsaicin ist ein Alkaloid, das aus Pflanzen der Gattung Capsicum (Paprika) gewonnen wird. Durch die Wirkung auf spezifische Rezeptoren entsteht ein Hitze- oder Schärfereiz, wie etwa beim Verzehr von Paprika- oder Chilischoten.(Bild: Frank Kleinbach/Thieme Verlagsgruppe)

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Nebenwirkungen in beiden Gruppen

Bei einigen klinischen Symptomen, wie Schwellung, Nebenhöhlenschmerzen oder Kopfschmerzen, und dem sogenannten Total-Nasal-Symptom-Score schnitt nach Patientenangaben das Verum deutlich besser ab als Placebo. Andere Symptome, wie die Häufigkeit von Niesen oder die Sekretproduktion, zeigten keine Unterschiede in den beiden Behandlungsgruppen. Das Präparat ICX72 wurde gut vertragen, ebenso wie das Placebo. Unerwünschte Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen auf und nahmen zum Ende der Studie leicht zu. Dazu gehörten außer lokalen, den Krankheitssymptomen ähnlichen Nebenwirkungen auch allgemeine, wie z. B. Schlafstörungen.

Fazit

In dieser Studie wurde erstmalig prospektiv unter randomisierten Bedingungen gezeigt, dass ein capsaicinhaltiges Präparat zu einer Verbesserung klinischer Symptome bei Patienten mit chronischer Rhinitis führen kann, so die Autoren.

Prof. Thomas Tschernig, Homburg

Hintergrund

Capsaicin und andere aus Pflanzen der Gattung Capsicum gewonnene, Schärfe verursachende Stoffe werden als Capsaicinoide bezeichnet. Sie haben eine antibakterielle und fungizide Wirkung. lösen sich in Alkohol und Fett, aber nicht in Wasser. Sie reizen die Nervenenden bestimmter Rezeptoren, die normalerweise Schmerzreize bei Einwirkung von Hitze oder chemischer Reizung erkennen. Die Ähnlichkeit der Empfindung von "heiß" und "scharf" (im engl. beides "hot") ist bereits auf Rezeptorebene begründet: Capsaicin bindet an den TRP-Kanal TRPV1, der auch durch eine Erhöhung der Temperatur aktiviert wird. Capsaicinoide sind farblos und können durch Kochen oder Einfrieren nicht zersetzt werden.


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Capsaicin ist ein Alkaloid, das aus Pflanzen der Gattung Capsicum (Paprika) gewonnen wird. Durch die Wirkung auf spezifische Rezeptoren entsteht ein Hitze- oder Schärfereiz, wie etwa beim Verzehr von Paprika- oder Chilischoten.(Bild: Frank Kleinbach/Thieme Verlagsgruppe)