”Europa ist führend in der MRT-Technologie und darf seinen Patienten den Zugang zu
diesem herausragenden Bildgebungsverfahren nicht verwehren“, erklärt Professor Gabriel
Krestin, führender Vertreter der Allianz für Kernspintomographie und Vizepräsident
der Europäischen Gesellschaft für Radiologie. Die Allianz ist eine Koalition von EU-Parlamentariern,
Patientengruppen, europäischen Wissenschaftlern und Ärzten, die gemeinsam versuchen,
die von der EU-Richtlinie über physikalische Einwirkungen (kurz EMF-Richtlinie) ausgehende
Bedrohung der Anwendung von MRT für klinische und Forschungszwecke abzuwenden.
Als der für den Arbeitsschutz zuständige EU-Kommissar Vladimir Spidla im Jahr 2004
seinen ersten Entwurf für die Richtlinie 2004/40/EG präsentierte, formierte sich in
den ärztlichen Fachkreisen alsbald Widerstand gegen die neuen Vorschriften. Denn die
Regelungen enthielten Grenzwerte, die eine Magnetresonanztomographie aus Sicht der
Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) praktisch unmöglich machen würden.
Nutzung von MRT durch Grenzwerte gefährdet?
”Die strengen Grenzwerte gefährden die Nutzung von MRT vor allem bei intraoperativen
Verfahren und bei Untersuchungen von Kindern, älteren und sedierten Patienten“, sagt
der Essener Radiologe und Präsident der DRG, Professor Dr. med. Michael Forsting.
Denn Ärzte und andere medizinische Fachkräfte wären nach den neuen Regeln beim Einsatz
am MRT Strahlenbelastungen ausgesetzt, die oberhalb der festgelegten Grenzwerte liegen.
Die ordnungsgemäße Reinigung und Instandhaltung der MR-Geräte werde ebenfalls erschwert,
informiert die Allianz.
Europa ist derzeit führend auf dem Gebiet der Forschung und der Entwicklung dieser
Technologie. Pro Jahr profitieren in der EU rund 8 Millionen Patienten von der Kernspintomographie.
In den letzten 25 Jahren wurden weltweit nach Auskunft der DRG über 500 Millionen
MRT-Untersuchungen durchgeführt - ohne nachgewiesene negative Auswirkungen aufgrund
von Belastungen durch elektromagnetische Felder. Die Gefahren seien allenfalls theoretischer
Natur. Die Strahlenbelastung durch die Computertomographie oder das Röntgen, die als
Alternative zum MRT infrage kämen, seien unverhältnismäßig höher, betont Forsting.
Die Proteste der Radiologen und der Allianz für Kernspintomographie zeigten schließlich
Wirkung. EU-Kommissar Spidla zog seinen ursprünglichen Richtlinienvorschlag im Oktober
2007 zurück und versprach, die Vorschriften zu überarbeiten. Die Umsetzungsfrist wurde
auf Ende April 2012 verschoben.
Scheitert die Ausnahmeregelung für Medizin an der Blockadehaltung einiger Länder ?
Der neue Gesetzentwurf liegt seit Sommer letzten Jahres vor. Er sieht nun ganz im
Interesse der Ärzte eine Ausnahmeregelung für die medizinische Nutzung von MRT vor.
”Die Medizin kann mit dem überarbeiteten Vorschlag gut leben“, so Forsting. Auch beim
Europarlament (EP) stößt die überarbeitete Fassung auf Zustimmung. Ende Januar stimmte
der Gesundheitsausschuss des EP der Ausnahmeregelung nahezu einstimmig zu. ”Wir haben
heute zwar die Ausnahme für die medizinischen Anwendungen beschlossen aber dennoch
sichergestellt, dass das medizinische Personal keiner noch so theoretischen Gefahr
ausgesetzt ist," betont der CDU-Europaabgeordnete Dr. Horst Schnellhardt.
Ärzte und Politiker fürchten nun aber, dass die neuen Regelungen an der Blockadehaltung
einiger EU-Mitgliedsländer im Ministerrat - darunter Deutschland - scheitern könnten.
Denn eine Handvoll EU-Regierungen lehnt es ab, für einen bestimmten Sektor Ausnahmen
von den Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewähren, da dies dem Grundsatz der Gleichbehandlung
widerspräche.
”Mich überzeugen die Bedenken der Mitgliedstaaten nicht“, so der CDU-Europaabgeordnete
und Arzt, Dr. Peter Liese. ”Es wäre verrückt, wenn die Mitgliedstaaten einen Vorschlag
zum Bürokratieabbau, den die Kommission vorgelegt hat und den das Parlament unterstützt,
auf Dauer verhindern würden."
Aufgrund der unterschiedlichen Positionen im EP und im Ministerrat ist allerdings
fraglich, ob die Richtlinie wie vorgesehen Ende April in Kraft treten kann. Denn das
Parlament, dessen Plenum im März über die Neuregelungen abstimmt, muss sich mit den
EU-Regierungen auf eine gemeinsame Fassung einigen. Das Bundesarbeitsministerium,
das für Deutschland an den Verhandlungen im Rat teilnimmt, erklärte auf Anfrage, dass
es schwierig sein wird, zügig eine abschließende differenzierte Bewertung aller offenen
Fragen vornehmen zu können.