Einleitung
Seit Sommer 2011 ist Ipilimumab (Yervoy®) in Deutschland zur Therapie des nicht resektablen oder metastasierten (Stadium III und IV) vorbehandelten Malignen Melanoms zugelassen. Ipilumumab ist ein rekombinanter vollhumaner monoklonaler Antikörper gegen CTLA-4 (zytotoxisches T-Lymphozyten-Antigen-4), ein Inhibitor der T-Zell-Aktivierung und Proliferation [1]. Wir behandelten einen Patienten mit Ipilimumab, der unter Dacarbazin (DTIC) und Muphoran (Fotemustine®) einen progredienten Verlauf mit diffuser Metastasierung eines Malignen Melanoms aufwies und bei dem unter anderem eine massive inoperable Tumor-Infiltration der Cardia des Magens mit fast vollständiger Lumenverengung bestand, die es ihm nicht mehr erlaubte, feste Nahrung zu sich zu nehmen.
Kasuistik
Wir berichten über einen jetzt 67-jährigen Patienten, bei dem im Oktober 1998 am Rücken ein nävusassoziiertes Malignes Melanom Stadium Ia mit einen Invasionslevel II nach Clark und einer Tumordicke nach Breslow von 0,75 mm operativ mit 1 cm Sicherheitsabstand entfernt wurde.
Fast zwölf Jahre später kam es im August 2010 zu einem diffusen Tumorrezidiv mit Hautmetastasen an der Oberlippe, prästernal, axillär links, inguinal rechts und am Bauchnabel. Darüber hinaus wurden eine Lungenmetastase, Lebermetastasen und Lymphknotenmetastasen axillär links und mediastinal am rechten Herzrand festgestellt. Operativ wurden die kutanen und die axilläre Lymphknotenmetastase entfernt und eine Chemotherapie mit 6 Zyklen Dacabazin eingeleitet. Hierunter verlief die Erkrankung zunächst stabil und die Lebermetastasen ließen sich nicht mehr nachweisen. Im Februar 2011 wurde dann jedoch eine Größenprogression der mediastinalen Lymphknotenmetastasen und der Lungenmetastase sowie neue Lymphknotenmetastasen retrosternal festgestellt.
Daraufhin wurde eine Second-line-Chemotherapie mit insgesamt 7 Zyklen Muphoran eingeleitet. Auch hierunter blieb der Befund zunächst stabil. Im Juni 2011 fand sich dann wieder eine Größenprogredienz der mediastinalen Lymphknotenmetastasen sowie neu eine Hirnmetastase links frontal, die operativ entfernt wurde. Im Juli 2011 wurde dann eine inoperable, fast vollständige Infiltration der Wand des gastroösophagalen Übergangs einschließlich der Muskulatur mittels Endosonografie festgestellt. Ein Lumen ließ sich im CT streckenweise nicht mehr darstellen ([Abb. 1 a]).
Abb. 1 a – b CT von Metastasen eines Malignen Melanoms im Bereich der Cardia (a) und der Lunge (b) vor Immuntherapie mit Ipilimumab. Durchmesser ca. 7 bzw. 3 cm.
Daraufhin entschlossen wir uns im September 2011 zum Einsatz des neu zugelassenen Immunmodulators Ipilimumab. Der Patient erhielt in jeweils dreiwöchigen Abständen insgesamt 4 intravenöse Infusionen in einer Dosierung von 3 mg pro kg Körpergewicht. Die Therapie wurde gut vertragen. Anzeichen einer Autoimmunerkrankung, insbesondere des Darmes, traten unter intensiver Überwachung nicht auf. Nach 16 Wochen erfolgte das Restaging mittels CT. Die mediastinalen Lymphknotenmetastasen und die Lungenmetastase fanden sich drastisch größenreduziert ([Abb. 1] und [Abb. 2]). Die Metastase im Bereich der Cardia war im Durchmesser von 7 cm auf 3 cm zurückgegangen, ein Lumen war wieder deutlich darstellbar ([Abb. 2 a]). Die Lungenmetastase fand sich von 3 cm auf 1,5 cm verkleinert. Der Patient war wieder in der Lage, normale Kost zu sich zu nehmen, was seine Lebensqualität stark verbesserte.
Abb. 2 a – b Partielle Remission von Metastasen eines Malignen Melanoms im Bereich der Cardia (a) und der Lunge (b) 16 Wochen später nach vier Zyklen einer Immuntherapie mit Ipilimumab. Durchmesser jetzt ca. 3 bzw. 1,5 cm. Ein Lumen ist im CT im Bereich der Cardia jetzt wieder darstellbar.
Diskussion
Ipilumumab ist ein rekombinanter vollhumaner monoklonaler Antikörper gegen CTLA-4 (zytotoxisches T-Lymphozyten-Antigen-4). Dieses Zelloberflächenprotein wird auf aktivierten T-Lymphozyten exprimiert und konkurriert mit dem immunstimulierenden Protein CD28 um die Bindung an Zelloberflächenproteinen Antigen-präsentierender Zellen. Hierdurch wird der weiteren T-Zell-Aktivierung entgegengewirkt. Die Bindung von Ipilimumab an CTLA-4 hebt diese Gegenregulation auf und führt zu verstärkter T-Zell-Aktivierung und Proliferation sowie Tumor-Infiltration durch T-Lymphozyten [1].
Ipilimumab wurde in verschiedenen Studien beim metastasierten Malignen Melanom angewandt. In der MDX010-20-Phase-III-Studie wurde Ipilimumab in einer Dosierung von 3 mg pro kg Körpergewicht alleine oder in Kombination mit der gp100-Melanom-Vakzine gegen die Vakzine allein bei vorbehandelten metastasierten Melanompatienten eingesetzt. Nach einem Jahr hatten 44 % der mit der Kombination, 46 % der mit Ipilimumab allein und nur 25 % der mit der Vakzine allein behandelten Patienten überlebt. Die mediane Überlebenszeit betrug 10,0 bzw. 10,1 Monate bei den mit Ipilimumab, verglichen mit 6,4 Monaten bei den nur mit Vakzine Behandelten. Somit konnte erstmals beim metastasierten Malignen Melanom ein signifikanter Vorteil einer palliativen medikamentösen Therapie bezogen auf das Gesamtüberleben demonstriert werden. Die objektiven Ansprechraten (PR + CR) betrugen zwischen 5,7 % und 10,9 % bei den mit Ipilimumab behandelten Patienten [2]. In der Phase-III-Studie CA184-024 wurden bislang unbehandelte metastasierte Melanom-Patienten mit Dacarbazin allein oder mit Dacarbazin und Ipilimumab in einer Dosierung von 10 mg pro kg Körpergewicht behandelt. Nach einem Jahr hatten 47 % der mit der Kombination und nur 36 % der mit Dacarbazin allein behandelten Patienten überlebt. Die mediane Überlebenszeit betrug 11,2 Monate bei den mit Dacarbazin und Ipilimumab, verglichen mit 9,1 Monaten bei den nur mit Dacarbazin Behandelten. Auch hier war das Gesamtüberleben bei den mit Ipilimumab therapierten Patienten signifikant länger. Die objektive Ansprechrate (PR + CR) betrug 15,2 % bei den auch mit Ipilimumab behandelten Patienten [3]. In drei Phase-II-Studien lag die objektive Ansprechrate auf Ipilimumab bei 14 %, wobei das Ansprechen bei 15 von 23 Respondern über mehr als ein Jahr anhielt [4]
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Entsprechend dem Wirkmechanismus von Ipilimumab treten oft Autoimmunerkrankungen als therapiebedingte spezifische Nebenwirkungen auf. Diese betreffen besonders die Haut (41 %), den Magen-Darm-Trakt (31 %), das Endokrinium (5 %) und die Leber (2 %). Etwa 20 % der Nebenwirkungen waren schwer oder sehr schwer (Grad 3 oder 4). Insgesamt ca. 2,4 % der Patienten starben an therapiebedingten Nebenwirkungen [2]. Besonders gefürchtet sind, neben einer toxischen epidermalen Nekrolyse, zu Perforationen führende immunvermittelte Kolitiden. Die Patienten müssen sorgfältig geschult und mindestens bis 4 Wochen nach der letzten Infusion genau überwacht werden. Gegebenenfalls müssen therapeutische immunsuppressive Interventionen mit Kortikosteroiden sofort eingeleitet werden.
Im präsentierten Fall war die Therapie gut verträglich und hatte ein sehr gutes objektives Ansprechen (partielle Remission, PR) zur Folge, was die Lebensqualität des Patienten erheblich erhöhte. Weitere Nachsorgeuntersuchungen unseres Patienten müssen zeigen, wie lange diese Remission anhält, wobei ja in der Mehrzahl der Responder eine Dauer von mehr als einem Jahr zu erwarten ist [4]
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