Aktuelle Dermatologie 2013; 39(03): 63
DOI: 10.1055/s-0032-1309585
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Children are not Small Adults
C. Bayerl
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie Wiesbaden
HSK, Wilhelm Freseniusklinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz
Aukammallee 39
65191 Wiesbaden

Publication History

Publication Date:
25 March 2013 (online)

 

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie spielen es aber gerne und wackeln auf den Stöckelschuhen der Mutter herum oder tragen den Rasierschaum des Vaters auf. Sie finden mehrere Arbeiten vom Wiesbadener Symposium Kinderdermatologie am 7. 11. 2012, interdisziplinär gestaltet mit der Klinik für Kinder und Jugendliche und der Klinik für Dermatologie und Allergologie, Hauttumorzentrum Wiesbaden der Dr. Horst Schmidt Kliniken, in diesem Heft. Da Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sollen sie auch nicht wie Erwachsene getestet werden. Im Säuglingsalter ist das allergische Kontaktekzem selten.

Das war bisher das übliche Statement, das durch eine italienische Arbeitsgruppe hinterfragt wurde. 321 Säuglinge erhielten ab 2002 im Zeitraum von 5 Jahren einen Epikutantest mit 30 Testsubstanzen. 102 Mädchen und 98 Jungen reagierten positiv, vor allem auf Nickelsulfat 26,8 %, gefolgt von Dichromaten 9 %, Cocamidopropylbetain 7,2 %, Kobaltchlorid 6,2 %, Neomycinsulfat 5 % und Methylchloroisothiazolinon/Methylisothiazolinon 4,4 %. Es zeigte sich dabei kein Unterschied in der Prävalenz zwischen Kindern mit atopischer Dermatitis oder ohne – zumindest bei dieser sehr jungen Gruppe von Kindern bis zu 3 Jahren [1]. Wie ist das zu werten? Ein positiver Epikutantest bei einem Baby heißt noch nicht, dass eine Allergie vorliegt und zudem nicht, wenn mit Konzentrationen für das Erwachsenenalter getestet wurde. Es ist davon auszugehen, dass auch falsch positive Reaktionen vorlagen. Wenn bei Babys eine Epikutantestung nötig wird, sollte das Testallergen nach der Anamnese ausgewählt werden! Keine breiten Testreihen bei Säuglingen applizieren! Aktive Sensibilisierungen müssen vermieden werden.

Der Schlüssel zur Identifikation des Allergens liegt oft in der Lokalisation. In der Windelregion führen Gummichemikalien (Mercaptobenzothiazol), Klebstoffe (p-tertiäres Butylphenol-Formaldehydharz) zu Kontaktallergien. Das Ekzem hat ein „Lucky-Luke“-artiges Bild, d. h. es ahmt die Lokalisation des Pistolengurts der Comicfigur nach und liegt an der Haut dort, wo sich die Anti-Auslaufbeschichtung der Windel findet [2].

Eine griechische Arbeitsgruppe hat eine Metaanalyse zur allergischen Kontaktdermatitis bei Kindern vorgelegt [3]. Die Rate der Sensibilisierungen hat in den letzten 15 Jahren zugenommen (Europäische Standardreihe und True-Test). 49 Studien erfüllten die Einschlusskriterien zur Studienqualität. Die häufigsten 5 Allergene bei Kindern waren dabei: Nickelsulfat bei mehr als 10 %, stammend aus Ohrringen, Körperpiercing, Uhren und Jeansknöpfen, Ammoniumpersulfat bei mehr als 10 % aus den Haarfärbemitteln, Gold-Natrium-Thiosulfat bei 5 – 10 % in Schmuck und Dentalmaterialien, Thiomersal bei 5 – 10 % durch Impfungen erworben und p-Toluendiamin bei 5 – 10 % über Tattoos und Haarfärbemittel. Diese 5 bekannten Hauptallergene sollten zumindest in der Anamnese in Betracht gezogen werden und, wenn relevant, dann getestet werden. Ein Risikofaktor für den Erwerb von Kontaktallergien, der gemieden werden kann, sind die temporären Tattoos, die PPD und/oder Diamonotoluen enthalten [1]. Gerade Kinder reagierten sehr stark bei einer Anamnese von Tattoos und Haarfarben, auf andere Testzubereitungen deutlich weniger [4]. PPD sollte bei Kindern 0,3 %ig getestet werden! Und noch wichtiger, wir sollten Öffentlichkeitsarbeit, beginnend in der Sprechstunde gegen Henna-Tattoos betreiben! Henna legt die Basis für eine Sensibilisierung auf die schwarzen Haarfarben und weitere Parastoffe bis hin zu den Lokalanästhetika wie Benzocain.

Das Wiesbadener interdisziplinäre Symposium Kinderdermatologie hat sich dieses Mal besonders der Thematik der Tumoren im Kindesalter gewidmet. Am Beginn der Tumordiagnostik steht die Gewinnung von Gewebe. Wie Sie das kinderverträglich erreichen können, finden Sie in der Arbeit von Herrn OA Löser aus Ludwigshafen. Hochaktuelles aus der Forschung zur Tuberösen Sklerose bringt die Arbeit von Herrn Prof. Knuf aus der Klinik für Kinder- und Jugendliche Wiesbaden. Wenn dann die ganze Familie auf Reisen ist, können Bettwanzen die Urlaubsreise als Mitbringsel beschweren. Herr Prof. Schöfer aus Frankfurt veranschaulicht Ihnen das in seiner Übersichtsarbeit – der Feind in Deinem Bett.

Ihre

Christiane Bayerl


#

Prof. Dr. Christiane Bayerl

Zoom Image
  • Literatur

  • 1 Fortina AB, Romano I, Peserico A, Eichenfield LF. Contact sensitization in very young children. J Am Acad Dermatol 2011; 65: 772-779
  • 2 Kütting B, Brehler R, Traupe H. Allergic contact dermatitis in children – strategies of prevention and risk management. Eur J Dermatol 2004; 14: 80-85
  • 3 Bonitsis NG, Tatsioni A, Bassioukas K, Ioannidis JP. Allergens responsible for allergic contact dermatitis among children: a systematic review and meta-analysis. Contact Dermatitis 2011; 664: 245-257
  • 4 Sporncraft-Regaller P, Schnuch A, Uter W. Extreme patch test reactivity to p-phenylenediamine but not to other allergens in children. Contact Dermatitis 2011; 65: 220-226

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie Wiesbaden
HSK, Wilhelm Freseniusklinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz
Aukammallee 39
65191 Wiesbaden

  • Literatur

  • 1 Fortina AB, Romano I, Peserico A, Eichenfield LF. Contact sensitization in very young children. J Am Acad Dermatol 2011; 65: 772-779
  • 2 Kütting B, Brehler R, Traupe H. Allergic contact dermatitis in children – strategies of prevention and risk management. Eur J Dermatol 2004; 14: 80-85
  • 3 Bonitsis NG, Tatsioni A, Bassioukas K, Ioannidis JP. Allergens responsible for allergic contact dermatitis among children: a systematic review and meta-analysis. Contact Dermatitis 2011; 664: 245-257
  • 4 Sporncraft-Regaller P, Schnuch A, Uter W. Extreme patch test reactivity to p-phenylenediamine but not to other allergens in children. Contact Dermatitis 2011; 65: 220-226

Zoom Image