Psychiatr Prax 2012; 39(03): 148-149
DOI: 10.1055/s-0032-1311697
Mitteilungen der BDK
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme der Bundesdirektorenkonferenz zum Kabinettsentwurf des PsychEntgG

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Publication Date:
02 April 2012 (online)

 
 

    Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Iris Hauth, Berlin

    Mit dem §17d des KHG hat der Gesetzgeber die Entwicklung eines leistungsorientierten Entgeltsystems für die stationäre Psychiatrie und Psychosomatik eingeleitet, die sich an den Bedürfnissen von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen orientieren soll, so wie es der §27 (1) des SGV vorgibt.

    Um dies zu gewährleisten, muss sich das neue leistungsbezogene Entgeltsystem vom etablierten DRG Fallpauschalensystem der somatischen Fächer deutlich unterscheiden. Zum einen eignen sich die Fallpauschalen nicht für die Vergütung der Behandlung psychischer Erkrankungen, weil weder die Dauer des Behandlungsprozesses noch die dafür notwendigen Ressourcen und finanziellen Aufwendungen zuverlässig vorhersagbar sind. Zum anderen ist der im DRG-Fallpauschalensystem immanente Anreiz, Personal durch die Verbesserung und Beschleunigung technischer Behandlungsprozesse einzusparen, in der Psychiatrie und Psychotherapie geradezu kontraproduktiv, weil hier die Zeit, die dem Patienten gewidmet werden kann, zu den ganz wesentlichen Wirkfaktoren zählt.

    Deshalb wurde zu Recht in §17d des KHG ein Tagesbezug für die Entgelte festgeschrieben, und gleichzeitig festgelegt, dass die seit Jahren problematische Personalausstattung der Kliniken wieder den notwendigen fachlichen Standards angepasst werden muss.

    Die bisherige Umsetzung dieses Gesetzes seit 2009 entspricht leider weitgehend nicht den darin formulierten Zielen. Trotz umfänglicher Kritik aller einschlägigen Fach-, Patienten- und Angehörigenverbände (z. B. Hauth und Pollmächer, 2010) wurden alle Kliniken zu einer personalaufwendigen zusätzlichen Leistungsdokumentation verpflichtet, die der Logik der OPS des DRG-Systems folgt. Die Analyse der Leistungs- und Kostendaten durch das InEK erfolgte mit Mitteln der DRGKalkulationssystematik und hat bisher keine verwertbaren Ergebnisse erbracht.

    Der im November 2011 veröffentlichte Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PsychEntG) steht inhaltlich in seiner Ausgestaltung in eklatantem Widerspruch zum ursprünglich deklarierten Willen, den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker gerecht zu werden.

    In schriftlichen Stellungnahmen und bei der Anhörung Anfang Dezember 2011 haben alle Fachgesellschaften, Fachverbände und der Betroffenen- und Angehörigenorganisationen unisono auf die gravierenden Mängel hingewiesen. Ohne Berücksichtigung der Argumente und weiterer Diskussionen wurde am 18. Januar 2012 der Kabinettsentwurf inhaltlich nahezu unverändert veröffentlicht.

    Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erfüllt in folgend aufgeführten Inhalten die Anforderungen an die Entwicklung eines leistungsorientierten und versorgungsgerechten Entgeltsystems für Menschen mit psychischen Störungen nicht:

    1. Die Finanzierung des zunehmenden Versorgungsbedarfs, der durch erhöhte Erkrankungshäufigkeit und vermehrte Inanspruchnahme aller Altersgruppen bedingt ist, ist sowohl auf Hausebene als auch auf Landesebene defizitär geregelt, sodass eine qualitätsvolle Versorgung der psychisch erkrankten Menschen nicht mehr gewährleistet sein wird.

    2. Die quantitative und qualitative Personalausstattung, die ein wesentlicher Wirkfaktor in der Behandlung psychisch erkrankter Menschen ist, wird schon in der budgetneutralen Phase, viel mehr noch nach Wegfall der Psychiatrie-Personalverordnung in der Konvergenzphase, nicht mehr gewährleistet sein. Die anteilige Refinanzierung der tarifbedingten Personalkostensteigerungen, die ca. 80% eines Gesamtbudgets eines Krankenhauses ausmachen, führen zu einer galoppierenden Unterfinanzierung mit Abbau von qualifiziertem Personal und damit zu erheblicher Einschränkung von Leistungsqualität.

    3. Es fehlt ein klares Bekenntnis zum Tagesbezug der Entgelte, wobei die Entwicklung zu Fallpauschalen und zeitorientierten Pauschalen offen gelassen wird. Dies widerspricht dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers, der sich nicht ohne Grund dafür entschieden hat, die Psychiatrie aus dem Fallpauschalensystem herauszunehmen. Weltweit haben Fallpauschalen wegen der variierenden Verweildauern und Ressourcen bei der Behandlung psychisch erkrankter Menschen nicht zum Ziel geführt. Effekte, wie sie als Folge des DRG-Fallpauschalen-Systems bekannt sind, gefährden die Qualität der psychiatrischen Versorgung.

    4. Die regionale Pflichtversorgung durch psychiatrische Krankenhäuser ist von hoher Bedeutung für die Qualität der regionalen Versorgung und unterstützt die hoheitlichen Aufgaben der Länder und Behörden. Es fehlt nach wie vor ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers, dass die bisher über die Krankenhausbudgets finanzierten Aufgaben der Krankenhäuser im Rahmen der regionalen Pflichtversorgung auch im neuen System über die Krankenhausvergütung adäquat finanziert werden soll.

    Zusammenfassend erscheint der nun dem Bundestag zur Beratung zugeleitete Entwurf ein Rationierungs- und Spargesetz, welches entgegen der ursprünglichen Absicht weder die besonderen Belange der Menschen mit psychischen Erkrankungen berücksichtigt, noch die für deren fachgerechte Behandlung langfristig notwendigen personellen Ressourcen sichert. Aus Sicht der BDK ist nicht hinzunehmen, dass die früh und vielfach vorgetragenen Bedenken von Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten, die mehrfach angeboten haben an der Entwicklung einer sachgerechten Lösung in einer Expertenkommission mitzuwirken, bis heute beharrlich ignoriert werden.

    Deshalb fordert die BDK ein Moratorium, so lange bis eine vom BMG einzusetzende Kommission bestehend aus Vertretern der Selbstverwaltungspartner, der Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten auf der Basis einer Analyse der aktuellen und zukünftigen Versorgungsnotwendigkeiten einen wirklich sachgerechten Vorschlag für die konkrete Ausgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens und des Entgeltsystems selbst vorgelegt haben wird.[ 1 ] Die BDK bittet alle Entscheidungsträger nachdrücklich, insbesondere die Angehörigen des Deutschen Bundestages, keinem Gesetz zuzustimmen, welches die gerade in Deutschland mühsam über Jahrzehnte erkämpften hohen Behandlungsstandards für Menschen mit psychischen Erkrankungen massiv gefährdet, wie dies der jetzt vorgelegte Gesetzesentwurf tut.

    29. Februar 2012

    Dr. Iris Hauth
    Vorsitzende der BDK

    Prof. Dr. Thomas Pollmächer
    Mitglied des Vorstandes der BDK


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    1 Die BDK wird in einem separaten Papier Vorschläge für den Zeitplan dieses Prozesses, seine Struktur und seine Inhalte machen.