Rehabilitation (Stuttg) 2012; 51(04): 269-270
DOI: 10.1055/s-0032-1312662
Bericht
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Symposium des Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Freiburg/Bad Säckingen zum Thema „Reha 2020 – Lebensstil und gesundheitliches Risiko“ vom 10. bis 11. Februar 2012 in Freiburg

Symposium of the Freiburg/Bad Säckingen Rehabilitation Research Network on Theme „Reha 2020 – Lifestyle and Health Risks“, February 10–11, 2012 in Freiburg
A. Uhlmann
1   Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund Freiburg/Bad Säckingen und Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften
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Publication Date:
21 June 2012 (online)

Das Symposium Reha 2020 des Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Freiburg/Bad Säckingen und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften vom 10. bis 11. Februar 2012 war die dritte Veranstaltung der jährlichen Fortbildungsreihe. Das Thema „Lebensstil und gesundheitliches Risiko“ interessierte über 200 Teilnehmer aus Praxis und Forschung der Rehabilitationsmedizin, aus dem Bereich der Arbeitgeber, der Planungsverantwortlichen für die Wiedereingliederung sowie Studierende aus den unterschiedlichsten gesundheitsbezogenen Fächern.

Bei der Entstehung und dem Verlauf chronischer Krankheiten kommt gesundheitsbezogenen Risikofaktoren eine entscheidende Rolle zu. Viele Risikofaktoren sind eng mit individuellen Lebensumständen (Arbeit, Familie) verknüpft und/oder Teil des persönlichen Lebensstils (z. B. Ernährung, Sport, Rauchen). Aus diesem Grund werden Aspekte der individuellen Lebensumwelt ebenso wie der Faktor Lebensstil in den Rehabilitationsprozess integriert.

Lebensstilbezogene Maßnahmen in der Rehabilitation zielen darauf ab, Gesundheitsrisiken wie auch potenzielle Schutzfaktoren zu identifizieren und zu modifizieren. Empfehlungen, welche Schutz- bzw. Risikofaktoren in welchem Ausmaß gestärkt bzw. unterdrückt werden müssen, stützen sich auf epidemiologische und klinische Evidenz. Diese Empfehlungen spiegeln aber auch gesellschaftliche Gesundheitsnormen wider, die vom Individuum zum Teil deutliche Veränderungen im Lebensstil verlangen. Der Erfolg gesundheitsorientierter Maßnahmen hängt zu einem großen Teil vom individuellen Veränderungspotenzial ab. Zur Schaffung eines gesundheitsorientierten Lebensstils sind geeignete Maßnahmen und Strategien zu vermitteln, um die Veränderung und Aufrechterhaltung des Lebensstils auch in der Zeit nach der Rehabilitation zu unterstützen.

Das Thema des Symposiums Reha 2020 fokussierte den Faktor Lebensstil aus einer vorwiegend psychologischen Perspektive. Wissenschaftliche Grundlagen, Befunde, Konzepte und aktuelle Entwicklungen in der lebensstilbezogenen Rehabilitation wurden beleuchtet und diskutiert.

Nach einer Einführung von Prof. Jürgen Bengel, der das Thema des Symposiums auf den Nenner brachte: „Was macht krank?“, vermittelte der Freiburger Soziologe Prof. Ulrich Bröckling unter dem provokativen Titel „Vorbeugen oder Aufrichten?“ die Perspektive der Kultursoziologie auf Prävention. Im Zeitalter der Vorbeugung will niemand ohne Prävention (d. h. Handlungsprinzip, damit unerwünschte Ereignisse nicht eintreten) leben. Der Kritik der „präventiven Vernunft“ stellte Bröckling das Recht der Gegenwart gegenüber; denn: „Vorbeugen kann man nie genug und nicht früh genug.“ Damit konstruiert die Prävention Bedrohungen, gegen die sie dann Abhilfe schafft.

Die Hamburger Arbeits- und Organisationspsychologin Prof. Eva Bamberg machte mit ihrem Vortrag „Arbeit und Gesundheit“ auf die Kombination von Arbeitsbedingungen und persönlichen Merkmalen als Einflussgröße für die Gesundheit aufmerksam. An Projekten zur Schulung von unteren Führungskräften wurden die gesundheitsförderlichen Aspekte im Rahmen von „fordern und fördern, ohne zu überfordern“ dargestellt. Verhaltens- und verhältnisbezogene Interventionen mindern demnach die Hauptgefahr am Arbeitsplatz: hohe Belastung mit zu geringer Kontrolle.

Prof. Jürgen Bengel stellte in seinem mit der Diplompsychologin Lisa Lyssenko erarbeiteten Vortrag psychologische Schutz- und Risikofaktoren vor. Zu den Risikofaktoren zählen Stressoren wie kritische Lebensereignisse, Risikoverhalten wie z. B. Bewegungsmangel und Dispositionen wie Ängstlichkeit, Feindseligkeit etc. Das zunehmende Interesse an der Resilienzforschung (psychische Widerstandskraft angesichts belastender Ereignisse) kann die Relevanz von kognitiven, emotionalen und interaktionalen Schutzfaktoren nur unterstreichen. In der Rehabilitation spielt die Stärkung der individuellen Schutzfaktoren zur Resilienzförderung eine große Rolle.

Die Referentin des Vortrags „Lebensstilfaktoren und das Risiko chronischer Erkrankungen“, Prof. Ute Nöthlings vom Institut für Experimentelle Medizin an der Universität Kiel, belegte durch die Darstellung und Interpretation verschiedener relevanter Studien den Zusammenhang zwischen Lebensstil und Krankheiten. Die Änderung des Verhaltens kann das Risiko zu erkranken vermindern und hat daher ein hohes präventives Potential.

„Motiviert, wieder zu arbeiten, aber nicht motiviert genug, etwas für die Gesundheit zu tun?“ war der Titel des Beitrags von Prof. Sonia Lippke von der Jacobs University in Bremen. Nach ihren Untersuchungen kann die Motivation für die Rückkehr zur Arbeit durch Verbesserung der Planung und der Selbstwirksamkeit gesteigert werden. Die individuellen Barrieren müssen dafür allerdings identifiziert und vermindert werden. Die Rehabilitation im ambulanten und stationären Setting könne durch stärkere Berücksichtigung von Depressivität ihre Outcomes noch verbessern.

Auf der Basis des HAPA-Modells (Health Action Process Approach) stellte Prof. Hermann Faller von der Universität Würzburg Möglichkeiten zur „Beeinflussung des gesundheitlichen Lebensstils“ vor. Die beiden Studien zu Patientenschulungen und Nachsorge in Bezug auf Lebensstiländerungen zeigen kleine Effekte auf Risikofaktoren und mittelgroße Effekte auf Gesundheitsverhalten. Insgesamt gibt es wenig Evidenz zu Interventionsstrategien.

Der Vortrag von Prof. Oskar Mittag aus Freiburg beschäftigte sich mit dem Beitrag der Rehabilitation zur Lebensstiländerung. Erfolgversprechend ist eine Rehabilitation nach den vorgestellten Studien nur dann, wenn engagierte, langfristige und vor allem psychologisch fundierte Interventionen zum Einsatz kommen.

In der sehr angeregten Abschlussdiskussion ging es um die Frage, wer für Prävention zuständig ist und ob die Reha-Einrichtungen der richtige Ort für Präventionsleistungen sein könnten. Dabei wurde auch die Ansicht vertreten, dass es eine Chance für die Reha-Kliniken sein könnte, sich auch in den ambulanten Bereich zu öffnen und allgemeine Präventionsangebote zu machen. In der Nähe zum Wohnort und zum Alltag der Betroffenen lägen die Vorteile dieser Überlegung. In der Vernetzung von Reha-Einrichtungen mit Arbeitgebern und Hausärzten im präventiven Bereich wurde eine Chance gesehen, dem drohenden zukünftigen Fachkräftemangel zu begegnen.

Am Fachkräftemangel und der Rolle der Rehabilitation beim Erhalt und bei der Wiederherstellung der Arbeitskraft wird das nächste Symposium Reha 2020 mit dem Titel „Demografie, Arbeit und Rehabilitation“ vom 1. bis 2. Februar 2013 ansetzen.