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DOI: 10.1055/s-0032-1312664
Verständlichkeit von Patientenschulungen in der orthopädischen Rehabilitation: Qualitative Erhebung bei Rehabilitanden und Schulungsleitern
Comprehensibility of Patient Education in Orthopaedic Rehabilitation: A Qualitative Study on Patients and ProvidersZusammenfassung
Ziele der Studie:
Wesentliche Voraussetzung für die Zielerreichung im Rahmen der Patientenschulung ist eine für die Patienten verständliche Gestaltung der Schulungen. Ziel der vorliegenden explorativen Studie ist es zu ermitteln, wie die Verständlichkeit von Patientenschulungen bzw. das patientenseitige Verständnis der Schulungsinhalte in der Routineversorgung der stationären orthopädischen Rehabilitation von Rehabilitanden und Schulungsleitern bewertet wird. Zudem soll untersucht werden, welche Faktoren als hinderlich bzw. förderlich für die Verständlichkeit von Patientenschulungen angesehen werden und welche Ideen und Wünsche beide Gruppen bezüglich einer verbesserten Verständlichkeit haben.
Methodik:
In 9 stationären Rehabilitationseinrichtungen wurden leitfadengestützte Fokusgruppen mit 50 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oder Arthrose im Alter zwischen 22 und 71 Jahren (M=50,4, SD=9,4) und 35 Schulungsleitern im Alter zwischen 26 und 61 Jahren (M=44,9, SD=9,8) durchgeführt. Die qualitative Auswertung der Interviewtranskripte erfolgte nach dem inhaltsanalytischen Ansatz von Mayring mithilfe der Software Atlas.ti.
Ergebnisse:
Rehabilitanden und Schulungsleiter bewerten die Patientenschulungen überwiegend als gut verständlich. Förderliche Faktoren der Verständlichkeit werden vor allem im Einbezug von Patienten in die Schulungen gesehen. Patienten beschreiben mangelhafte (z. B. zu allgemeine/widersprüchliche) Informationen als hinderlich für die Verständlichkeit. Schulungsleiter thematisieren vor allem eine fehlende Motivation und Eigenverantwortung als Grund für mangelndes Verständnis der Inhalte auf Patientenseite. Die von beiden Gruppen genannten Ideen und Wünsche lassen sich den Themenbereichen Schulung (z. B. höherer Alltagsbezug der Schulungsinhalte), Schulungsleiter (z. B. Verbesserung der Schulungsleiterqualifikation), Informationen (z. B. mehr Informationen), Einbezug der Patienten (z. B. stärkere Berücksichtigung patientenseitiger Interessen), Organisation (z. B. kleinere Gruppen) sowie Zielklärung (z. B. Klärung von Erwartungen) zuordnen.
Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass in der Routineversorgung der orthopädischen Rehabilitation eine gute Verständlichkeit der Patientenschulungen erreicht wird und welche Aspekte zu einer guten Verständlichkeit beitragen. Die von Rehabilitanden und Schulungsleitern thematisierten hinderlichen Faktoren der Verständlichkeit liefern Hinweise auf ein mögliches weiteres Verbesserungspotenzial der Schulungen im Hinblick auf die Verständlichkeit.
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Abstract
Study objective:
An important requirement for achieving postulated goals in the context of patient education is that patient education be conducted in a way that the patients can understand it. It is the objective of this explorative study to examine how patients and providers evaluate the comprehensibility and patients’ comprehension of patient education under routine conditions during orthopaedic rehabilitation. Furthermore, we aim to explore the influencing factors that patients and providers describe as conducive and counterproductive to the comprehensibility of patient education, and the ideas or desires they have as to how patient education can be made more comprehensible.
Methods:
We conducted guided focus groups with 50 patients with chronic back pain or osteoarthritis aged between 22 and 71 years (M=50.4, SD=9.4) and 35 patient education providers aged between 26 and 61 years (M=44.9, SD=9.8) in a total of 9 orthopaedic rehabilitation centres. Qualitative analyses of the interview transcripts were conducted according to Mayring’s content analytic approach using Atlas.ti software.
Results:
Patients and providers evaluate patient education as generally comprehensible. The involvement of patients in patient education is reported by both patients and providers as the main conducive factor. Patients describe poor (e. g. superficial or contradictory) information as counterproductive regarding comprehensibility, while providers tend to mention patients’ lack of motivation and of taking personal responsibility as hindering patients’ comprehension. Patients’ and providers’ proposals and ideas can be organized in the topics patient education (e. g. stronger reference to patients’ everyday life), providers (e. g. improving providers’ tutoring skills), information (e. g. more information), patient involvement (e. g. stronger consideration of patients’ interests), organization (e. g. smaller groups), and goal clarification (e. g. consideration of patients’ expectations).
Conclusion:
Our results reveal that good comprehensibility can be achieved in patient education during routine orthopaedic rehabilitation. They also show the factors that account for good comprehensibility. The counterproductive factors described by patients and providers provide evidence of the factors that may hold potential for improving patient education with regard to comprehensibility.
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Einleitung
Patientenschulungen stellen eine zentrale Komponente der medizinischen Rehabilitation von Patienten mit chronischen Krankheiten dar. Wichtige Ziele sind die Förderung der Akzeptanz der Erkrankung, der Mitarbeit bei der Behandlung (Compliance) und des eigenverantwortlichen Umgangs mit der Erkrankung (Selbstmanagement) sowie die Befähigung der Betroffenen, informierte Entscheidungen bezüglich der eigenen Lebensführung zu treffen (Empowerment) [1] [2]. Sie sollen über die Vermittlung von Wissen, das Training von Fertigkeiten sowie Einstellungsänderungen erreicht werden [3] [4] .
Qualitätskriterien und Anforderungen an eine „gute“ Patientenschulung und die Qualifikation von Schulungsleitern wurden von verschiedenen Autoren (vgl. z. B. [5] [6] [7] [8] [9] [10] ) und Fachgesellschaften formuliert. Ströbl et al. [6] entwickelten in einem mehrstufigen Delphi-Verfahren Qualitätskriterien des Schulungskonzepts. Demnach sind Patientenschulungen als interaktive Gruppenprogramme mit mehreren Einheiten zu verstehen, in denen frontale sowie interaktive Methoden kombiniert angewendet und mehrere Interventionsdimensionen einbezogen werden. Ziele, Inhalte, methodisches Vorgehen und Angaben zur Zielgruppe sollten in einem Manual festgelegt sein. Zusätzliche Qualitätsmerkmale betreffen die Qualifikation der Schulungsleiter, Durchführung von Schulungen in geschlossenen Gruppen, Materialien zur Vorbereitung und zur Lernerfolgskontrolle sowie die Schulungsentwicklung in einem multiprofessionellen Team. Wenn möglich sollten Angehörige in die Schulungen einbezogen werden und Kontakte zur Nachsorge vorgesehen sein. Die Qualität der Schulungsumsetzung kann nach Ströbl et al. [8] durch 59 Kriterien beschrieben werden, die sich den folgenden 4 Bereichen zuordnen lassen: Rahmenbedingungen (z. B. adäquater Schulungsraum), Schulungsteam (z. B. kontinuierliche Fortbildung der Schulungsleiter), Einbindung in das Klinikgesamtkonzept (z. B. Engagement der Klinikleitung) und Qualitätsmanagement. Mühlig [5] definiert neben Kriterien der Fachqualifikation und persönlichen Eignung Anforderungen an kommunikative Basiskompetenzen (z. B. interaktiver Vermittlungsstil) sowie schulungsspezifische methodisch-didaktische Kompetenzen, über die ein Schulungsleiter zur erfolgreichen Durchführung von Patientenschulungen verfügen sollte. Allen Forderungen gemein ist die Betonung eines patientenorientierten Vermittlungsstils.
Eine Grundvoraussetzung für die Zielerreichung im Rahmen von Patientenschulungen stellt die Verständlichkeit der Schulungsinhalte dar [5] . Bei der Diskussion über die Verständlichkeit von Patientenschulungen sind 2 Konzepte voneinander zu unterscheiden: Das Konzept der Verständlichkeit bezieht sich auf Eigenschaften der vermittelten Information oder die Art der Vermittlung. Sie stellt ein Merkmal der Schulung bzw. der Schulungsumsetzung dar. Zudem ist das Konzept des Verständnisses zu beachten, das als inhaltliches Begreifen eines bestimmten Sachverhaltes, das über die bloße Kenntnisnahme hinausgeht, verstanden werden kann. Im Rahmen von Patientenschulungen stellt es ein Merkmal der zu Schulenden (Patienten) dar. Unter Verständnis fassen wir kognitive und kommunikative Fähigkeiten und Fertigkeiten des Patienten zusammen (z. B. Sprachkenntnisse, Kenntnis grundlegender Fachbegriffe, Rückfragen an den Behandler stellen), die es ihm ermöglichen, Informationen aufzunehmen, Fertigkeiten zum Gesundheitsverhalten zu erlernen, selbstverantwortlich anzuwenden und das Verhalten aufrechtzuerhalten. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten können in Anlehnung an die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO, [11] ) als Gesundheitskompetenz (engl: health literacy; vgl. auch [12] ) bezeichnet werden. Neben emotionalen und motivationalen Faktoren stellt eine hinreichende Gesundheitskompetenz eine wichtige Voraussetzung des Erfolgs von Schulungen dar.
Für ein gutes Verständnis einer Schulung erscheint eine Passung zwischen den Schulungsanforderungen und der Gesundheitskompetenz des individuellen Patienten optimal, um einer Unter- bzw. Überforderung des Patienten entgegenzuwirken. Bei der Bewertung der Verständlichkeit von Patientenschulungen sind daher unseres Erachtens die Konzepte Verständlichkeit und Verständnis[1] parallel zu betrachten. Eine gut verständliche Schulung ist zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für ein gutes Verständnis beim Patienten, da dieses auch durch die Gesundheitskompetenz des Patienten beeinflusst wird. Deshalb sollen in der vorliegenden Studie sowohl die Verständlichkeit von Patientenschulungen als auch das Verständnis der Schulung seitens der Patienten beurteilt werden. Dazu werden die Fremdeinschätzung des patientenseitigen Verständnisses durch die Schulungsleiter und die Beurteilung der Verständlichkeit der Schulungen durch die Patienten erhoben. Diese Vorgehensweise scheint valider und weniger anfällig für Effekte der sozialen Erwünschtheit als eine Selbsteinschätzung des eigenen Verstehens (durch die Patienten) bzw. der Verständlichkeit der eigenen Schulungen (durch die Schulungsleiter).
Hinweise, wie eine gute Verständlichkeit von Patientenschulungen sichergestellt werden kann, findet man in der Literatur nur wenige (als Beispiel für schriftliche Informationen siehe z. B. [13] ). Einige Autoren empfehlen die Verwendung einer möglichst einfachen Sprache, kurze Sätze sowie die Vermeidung von Fachbegriffen bzw. deren Erklärung mit umgangssprachlichen Worten. Erklärungen sollten mithilfe von Beispielen aus der Erlebnis- und Vorstellungswelt der Schulungsteilnehmer veranschaulicht werden [5] [14] [15] . Auch die oben beschriebenen Qualitätskriterien für Patientenschulungen liefern indirekt Anhaltspunkte dafür, wie die Verständlichkeit von Patientenschulungen beispielsweise durch eine patientenorientierte Vermittlung der Inhalte, die Verwendung bestimmter didaktischer Methoden oder die Optimierung von Rahmenbedingungen positiv beeinflusst werden kann.
Die Verständlichkeit von Patientenschulungen wurde bislang im Rahmen von Evaluationsstudien zu ausgewählten Schulungsprogrammen für verschiedene Indikationen untersucht [16] [17] [18] [19] [20] . Häufig wird die Verständlichkeit dabei im Rahmen einer allgemeinen Akzeptanzbewertung der Schulung ermittelt und mithilfe eines Einzelitems über eine Ratingskala erfasst (vgl. [16] [17] [20] ). Die Schulungsprogramme bzw. -module werden von den Patienten dabei durchweg als gut bis sehr gut verständlich eingeschätzt. Für die orthopädische Rehabilitation zeigte sich in einer Untersuchung von Meng et al. [18] , dass Patienten mit chronischen Rückenschmerzen die Verständlichkeit eines standardisierten Rückenschulungsprogramms auf einer Schulnotenskala als gut bis sehr gut bewerten. Allerdings fanden die genannten Untersuchungen unter „idealen“ Bedingungen statt. Für alle Schulungsprogramme lag ein Schulungsmanual vor und die Qualitätsanforderungen an eine „gute“ Patientenschulung wurden überwiegend erfüllt. Friedl-Huber et al. [21] und Reusch et al. [22] zeigten allerdings in einer bundesweiten Bestandsaufnahme zu Schulungsprogrammen in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen für das Jahr 2005 und in einer Aktualisierung 2010, dass hinsichtlich Standardisierung, Manualisierung und Evaluation der Schulungsprogramme sowie der Schulungsleiterqualifikation und entsprechender Fortbildungsangebote weiterhin Entwicklungsbedarf besteht.
Ziel unserer explorativen und qualitativen Studie ist es zu ermitteln, wie die Verständlichkeit von Patientenschulungen in der Routineversorgung der stationären orthopädischen Rehabilitation von Rehabilitanden und Schulungsleitern bewertet wird. Darüber hinaus sollen die folgenden Fragestellungen untersucht werden: 1. Welche Faktoren sehen Rehabilitanden und Schulungsleiter als hinderlich bzw. förderlich für die Verständlichkeit von Patientenschulungen an? 2. Welche Ideen und Wünsche haben Rehabilitanden und Schulungsleiter bezüglich einer verbesserten Verständlichkeit von Patientenschulungen?
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Methodik
Studiendesign
Als Methode zur Erfassung der Meinungen von Patienten und Schulungsleitern wählten wir einen qualitativen Fokusgruppenansatz [23] [24] [25] . Dieser ermöglicht es den Teilnehmern, sich zu einem bestimmten Thema frei und offen ohne vorab einschränkende Vorgaben zu äußern, wobei ein Fokus auf der Gruppeninteraktion liegt. Insgesamt führten wir in 9 orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen 10 Fokusgruppen mit Patienten und 7 Fokusgruppen mit Schulungsleitern durch.
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Freiburg geprüft (Prüfnr. 369/10). Es wurden nur solche Patienten eingeschlossen, die ihr Einverständnis zur Teilnahme in einer informierten Einwilligung erklärten.
Die Auswahl der Patienten und der Schulungsleiter erfolgte durch die Studienkoordinatoren in den beteiligten Einrichtungen. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten, die seit mindestens 6 Monaten an chronischen Rückenschmerzen und/oder Arthrose litten. Nicht eingeschlossen wurden Patienten mit spezifischen Rückenschmerzen aufgrund entzündlicher Erkrankungen oder tumoröser Veränderungen sowie Patienten, die aufgrund kognitiver oder physischer Beeinträchtigungen bzw. unzureichender Sprachkenntnisse nicht in der Lage waren, an den Gruppeninterviews teilzunehmen. An den Schulungsleiterfokusgruppen sollten diejenigen Mitarbeiter der beteiligten Einrichtungen teilnehmen, die selbst Patientenschulungen durchführen, an der Entwicklung von Patientenschulungen beteiligt oder für das Schulungsprogramm der jeweiligen Einrichtung inhaltlich verantwortlich sind.
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Stichprobe
Insgesamt nahmen 50 Patienten im Alter zwischen 22 und 71 Jahren und 35 Schulungsleiter im Alter zwischen 26 und 61 Jahren an der Studie teil. Von den teilnehmenden Patienten berichteten 70%, vor der aktuellen Reha-Maßnahme mindestens eine weitere Reha-Maßnahme in Anspruch genommen zu haben. Von den beteiligten Schulungsleitern übten 46% eine Leitungsfunktion innerhalb der Klinik aus. Ein Überblick über weitere Charakteristika der Studienteilnehmer findet sich in Tab. 1 [2] .
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Ablauf der Fokusgruppen
Die Fokusgruppeninterviews wurden von jeweils einem von 3 wissenschaftlichen Mitarbeitern des Projektteams durchgeführt. An den Patientengruppen nahmen zwischen 4 und 6 Patienten pro Einrichtung teil, an den Schulungsleitergruppen zwischen 3 und 7 Schulungsleiter. Die Patientengruppen dauerten in der Regel zwischen 60 und 90 min, die Schulungsleitergruppen zwischen 45 und 60 min.
Der Ablauf der Gruppeninterviews war in einem Interviewleitfaden vorgegeben und in allen Fokusgruppen einheitlich. Die Interviews mit Patienten und Schulungsleitern gliederten sich in jeweils 2 etwa gleichlange Abschnitte. Der Fokus des ersten Gesprächsteils lag in den Patientengruppen auf der Verständlichkeit der während der aktuellen Reha-Maßnahme besuchten Schulungen, in den Schulungsleitergruppen auf dem Verständnis der Schulungen seitens der Patienten. Im zweiten Gesprächsabschnitt sollten die Teilnehmer Ideen für eine verbesserte Verständlichkeit von Patientenschulungen entwickeln. Die Interviews wurden durch Kernfragen strukturiert. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert.
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Auswertung
Die Auswertung der Transkripte erfolgte nach dem qualitativ-inhaltsanalytischen Ansatz von Mayring [26] mithilfe der Software Atlas.ti 6.2 [27] . In einem mehrschrittigen Prozess wurde induktiv ein hierarchisches Kategoriensystem entwickelt. Dazu wurde zunächst ein zufällig ausgewähltes Patienteninterview von 2 Kodierern unabhängig voneinander kategorisiert. Anschließend wurden die vergebenen Kategorien auf Übereinstimmungen und Abweichungen geprüft und ein vorläufiges gemeinsames Kategoriensystem erstellt. Mit dem vorliegenden System wurde ein weiteres Patienteninterview unabhängig voneinander kodiert und die Adäquatheit der erarbeiteten Kategorien geprüft sowie neue Kategorien ergänzt. Die Ergebnisse wurden in der Zweiergruppe diskutiert und eine Anpassung des Systems vorgenommen. Nach diesem Vorgehen wurden 2 weitere Patienteninterviews kodiert und ein fortlaufend überarbeitetes Kategoriensystem erstellt, bis eine Sättigung des Kategoriensystems erreicht war. Zur Auswertung der Schulungsleiterinterviews wurde das Kategoriensystem aus den Patientengesprächen als Grundlage herangezogen. Die beiden Kodierer kategorisierten unabhängig ein Schulungsleiterinterview und ergänzten dabei neue, in den Patienteninterviews nicht thematisierte Inhalte. In der anschließenden Diskussion der Ergebnisse wurde das finale Kategoriensystem erstellt, mit dem im Folgenden alle 10 Patienten- und alle 7 Schulungsleiterinterviews kodiert wurden. Die Kategorien und Regeln zum Vorgehen beim Kodieren wurden vorab in einem Kodiermanual festgehalten.
Zur Prüfung der Güte des Kategoriensystems wurde die Interraterreliabilität bestimmt. Dazu wurden alle 17 Interviews von beiden Kodierern unabhängig mithilfe des Kodiermanuals bearbeitet. Als Maß für die Übereinstimmung wurde Cohens Kappa (κ) berechnet. Eine Zufallskorrektur verhindert die Überschätzung der Interraterreliabilität durch eine zufällige Übereinstimmung von Kategorien [28] . Die Bestimmung des Kappa-Koeffizienten erfolgte über die Software CAT (Coding Analysis Toolkit) [29] . Kappa-Koeffizienten <0,20 können als geringfügig, Werte von 0,21 ≤κ≤ 0,40 als akzeptabel, von 0,41 ≤ κ ≤ 0,60 als mittel und von 0,61 ≤ κ ≤ 0,80 als substantiell beurteilt werden. Werte von κ ≥ 0,80 entsprechen einer fast perfekten Interraterreliabilität [30] .
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Ergebnisse
Das Kategoriensystem
Die inhaltsanalytische Auswertung der Patienten- und Schulungsleiterinterviews ergab ein finales hierarchisches Kategoriensystem, das insgesamt 6 Oberkategorien („Niveau der Verständlichkeit/des Verständnisses“, „allgemeine Einflussfaktoren“, „förderliche Einflussfaktoren“, „hinderliche Einflussfaktoren“, „Kontextfaktoren der Schulungsqualität“, „Vorschläge“) und dazugehörige Unterkategorien umfasst. Die Kategorien „förderliche“ und „hinderliche Einflussfaktoren“ enthalten jeweils die Unterkategorien „Patient“, „Schulungen“ und „Schulungsleiter“. Bei der Kategorie „Vorschläge“ handelt es sich nicht um eine vorab fest definierte Kategorie, sondern um eine Kategorie, die während des Kodierprozesses flexibel erweitert wurde, um möglichst alle genannten Vorschläge von Patienten und Schulungsleitern fortlaufend zu sammeln. Auf der untersten Ebene enthält das Kategoriensystem insgesamt 115 Codes. Das Kategoriensystem kann bei Interesse bei den Autoren angefordert werden. Insgesamt wurden 1 722 Patientenaussagen und 867 Schulungsleiteraussagen kodiert. Die Interraterreliabilität kann nach Landis und Koch [30] mit einem Wert von k=0,27 als akzeptabel bewertet werden. Im nachfolgenden Ergebnisteil beschränken wir uns auf die Darstellung der Ergebnisse für die im Hinblick auf die Fragestellung relevanten Kategorien.
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Bewertung der Verständlichkeit von Patientenschulungen
Von allen Patientenaussagen lassen sich 129 (7%) der Oberkategorie „Niveau der Verständlichkeit/des Verständnisses“ zuordnen, bei Schulungsleitern lediglich 9 (1%) Aussagen. Die Verständlichkeit bzw. das Verständnis von Patientenschulungen wird überwiegend als gut bewertet. Von allen Zitaten, die dem Code „Grad der Verständlichkeit/des Verständnisses“ zugeordnet werden konnten, beinhalten 77 (95%) Patientenaussagen und 6 (75%) Schulungsleiteraussagen eine positive Bewertung der Verständlichkeit. Die Patienten geben zudem überwiegend an, durch die Schulungen neues Wissen hinzugewonnen zu haben; 43 (90%) der Zitate im Code „Grad des Wissenszuwachses“ beinhalten eine positive Bewertung.
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Förderliche Einflussfaktoren
Förderliche Einflussfaktoren werden von den Schulungsleitern am häufigsten (290 Zitate=30%) thematisiert. Von den Patientenaussagen entfallen 410 (24%) in diese Oberkategorie. Förderliche Einflussfaktoren, die die Schulungen (Pat: 41%, SL: 37%)[3] sowie das Verhalten des Schulungsleiters (Pat: 42%, SL: 47%) betreffen, werden von Patienten und Schulungsleitern deutlich häufiger thematisiert als förderliche Faktoren auf Patientenseite (Pat: 17%, SL: 16%). Ein Überblick über die am häufigsten thematisierten förderlichen Faktoren findet sich in Tab. 2 . Bei den patientenseitigen förderlichen Faktoren wird die ausreichende Motivation bzw. Eigenverantwortung bei Patienten als Grundvoraussetzung dafür thematisiert, dass diese die Inhalte in den Schulungen verstehen können (Pat: 8%, SL: 9%). Dazu gehöre beispielsweise ein ausreichend hohes Maß an Interesse für die Schulungsinhalte, das eigenverantwortliche Suchen nach weiteren Informationen zur Erkrankung und Behandlung sowie ein gewisses Maß an Offenheit für Neues. In der Unterkategorie „Schulungen“, wird ein hoher Alltagsbezug als förderlich genannt (Pat: 7%, SL: 3%). Dabei sehen es die Patienten vor allem als förderlich an, wenn man bestimmte Verhaltensweisen in den Schulungen unter Alltagsbedingungen erlernen kann oder wenn in den Schulungen alltagsnahe Tipps und Hinweise gegeben werden, die zu Hause gut umgesetzt werden können. Konkrete Beispiele (Pat: 4%, SL: 7%) und praktische Angebote (Pat: 9%, SL: 7%), bei denen die Patienten selbst Verhaltensweisen einüben können, werden darüber hinaus als förderliche Faktoren thematisiert. Beide Gruppen sehen die meisten förderlichen Einflussfaktoren der Verständlichkeit übereinstimmend im Verhalten des Schulungsleiters. Der Einbezug der Patienten durch die Schulungsleiter und das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse und Themen von Patienten stellen den wichtigsten förderlichen Faktor in der Unterkategorie „Schulungsleiter“ dar (Pat: 10%, SL: 17%). Patienten sehen es als förderlich an, wenn die Schulungsleiter bestimmte Übungen oder gesundheitsförderliches Verhalten selbst vormachen und nicht nur mit Worten erklären (Pat: 5%, SL: 0,4%) bzw. wenn diese konkrete Tipps geben, wie die Patienten mit ihrer Erkrankung umgehen können oder mit welchen Verhaltensweisen z. B. Schmerzen entgegengewirkt werden kann (Pat: 8%, SL: 2%). Für die Schulungsleiter steht die Aktivierung der Patienten durch den Schulungsleiter im Vordergrund mit dem Ziel, die Patienten mithilfe verschiedener Methoden (z. B. Diskussion, nachfragen) zur aktiven Mitarbeit anzuregen (Pat: 3%, SL: 13%).
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Hinderliche Einflussfaktoren
Hinderliche Einflussfaktoren werden von den Patienten in 290 (17%), von den Schulungsleitern in 209 (24%) Aussagen thematisiert. Patienten und Schulungsleiter unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Verteilung der Zitate auf die 3 Unterkategorien. Während bei den Patienten die meisten Zitate auf die Unterkategorie Schulungen (Pat: 49%, SL: 19%) entfallen, nennen die Schulungsleiter am häufigsten hinderliche Faktoren auf Seiten der Patienten (Pat: 26%, SL: 76%). Dieser Häufigkeitsunterschied ist in Anbetracht der unterschiedlichen Instruktionen kaum überraschend. Hinderliche Faktoren auf Seiten des Schulungsleiters werden in beiden Gruppen am seltensten thematisiert (Pat: 26%, SL: 5%). Die am häufigsten genannten hinderlichen Faktoren sind in Tab. 3 abgebildet. Auf Patientenseite werden vor allem die fehlende Motivation und Eigenverantwortung (Pat: 7%, SL: 19%) und das fehlende Verständnis von Schulungszielen genannt (Pat: 5%, SL: 15%). Fehlendes Interesse oder falsche Vorstellungen erschwerten das Verständnis der Schulungen. Schulungsleiter betonen, dass eine passive Haltung (Pat: 0%, SL: 14%) oder das subjektive Krankheitsverständnis der Patienten (Pat: 0%, SL:12%) das Verständnis eines bio-psycho-sozialen Ansatzes negativ beeinflusst. Bei den Faktoren, die die Schulungen selbst betreffen, wird die Qualität von Informationen in den Schulungen (Pat: 13%, SL: 2,4%) bemängelt. Die Aussagen beziehen sich auf zu oberflächliche oder zu wenige Informationen. Teilweise sehen die Patienten die Informationen in den Schulungen im Widerspruch zu Informationen aus früheren Behandlungen oder anderen Informationsquellen (z. B. Bücher, Internet). Daneben wird die mangelnde Umsetzbarkeit von Tipps (Pat: 11%, SL: 7%) aus den Schulungen im Alltag thematisiert. Patienten bemängeln, dass konkrete Tipps zum Umgang mit der Erkrankung im Alltag fehlen oder – wenn vorhanden – nicht realistisch an die individuellen Lebensbedingungen anzupassen sind. Darüber hinaus bemängeln sie, dass die Schulungen zu wenig auf den individuellen Patienten zugeschnitten sind, wodurch viele Dinge in den Schulungen auf bestimmte Patienten nicht zutreffen (Pat: 8%, SL: 2%). Weitere hinderliche Faktoren beziehen sich auf den Mangel an praktischen Angeboten in den Schulungen (Pat: 6%, SL: 1%) sowie den Einsatz von Fremdworten oder Fachsprache (Pat: 6%, SL: 5%). Als hinderliche Einflussfaktoren auf Seiten des Schulungsleiters nennen die Patienten die fehlende Motivation des Schulungsleiters (Pat: 6%, SL: 0%), den mangelnden Einbezug der Patienten (z. B. Nicht-Berücksichtigung von Fragen und Anmerkungen, Unterbrechen von Patienten; Pat: 7%, SL:1%) sowie einen mangelhaften Vortragsstil (z. B. herunterrattern, ablesen; Pat: 5%, SL: 0,5%).
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Vorschläge für eine verbesserte Verständlichkeit von Patientenschulungen
Bei den Patienten lassen sich die meisten Aussagen (579=34%) dem Bereich „Vorschläge“ zuordnen, bei den Schulungsleitern 249 Aussagen (29%). Die von Patienten und Schulungsleitern genannten Vorschläge können den Kategorien „Einbezug der Patienten“, „Informationen“, „Organisation“, „Schulungen“, „Schulungsleiter“ sowie „Zielklärung“ zugeordnet werden. Aufgrund des offenen Charakters der Kategorie „Vorschläge“ wird auf die Angabe der Zitathäufigkeiten verzichtet. Häufig leiten sich die Vorschläge aus den im ersten Gesprächsteil erläuterten hinderlichen Faktoren ab oder stellen eine Verstärkung der genannten förderlichen Faktoren dar. Im Bereich „Einbezug der Patienten“ beziehen sich die Vorschläge beispielsweise auf eine stärkere Berücksichtigung patientenseitiger subjektiver Krankheitskonzepte sowie der individuellen Alltagssituation oder der jeweiligen Erkrankung der Patienten. Im Bereich „Informationen“ wird u. a. der Wunsch nach mehr Informationen, prägnanten Kernbotschaften oder einheitlichen Informationen deutlich. Beispielzitat („Informationen“, SL): „Und weil ich denke, das hat eine relativ große Bedeutung, vielleicht noch bedeutsamer als jeglicher Inhalt, dass man so ganz zum Schluss sagt: Und denken Sie daran, das und das und das und das oder so. Aber so sehr eindrucksvoll muss das dann bleiben, so als Nachhall“. Als Verbesserungsvorschläge zum Schulungskonzept werden u. a. mehr praktische Angebote, Informationsmaterial zu den Schulungen und ein stärkerer Bezug der Schulungsinhalte zum Alltag der Patienten thematisiert. Beispielzitat („Schulungen“, Pat): „Ja. Dass man den Leuten vielleicht auch Material mitgeben könnte, das sie sich daheim nochmal angucken. Meistens kommt alles so auf einen zugerieselt und zum Schluss weißt du nur noch die Hälfte. Und man hat dann das in der Hand, dass man es nachlesen kann, das ist vielleicht auch angenehmer“.
Auf Seiten des Schulungsleiters wünschen sich Patienten und Schulungsleiter eine verbesserte Ausbildung bzw. Qualifikation, den verstärkten Austausch von Schulungsleitern untereinander sowie eine verstärkte Aktivierung der Patienten durch den Schulungsleiter. Darüber hinaus wünschen sich beide Gruppen die Klärung von Zielen und Erwartungen der Patienten im Hinblick auf einzelne Schulungen bzw. die Rehabilitation insgesamt. Im Bereich „Organisation“ steht der Wunsch nach kleineren Gruppen im Vordergrund. Vor allem Patienten betonen darüber hinaus die Homogenität der Gruppen bezüglich der Erkrankung. Die Durchführung von Patientenschulungen im Rahmen geschlossener Gruppen wird überwiegend von den Schulungsleitern thematisiert. Weitere organisatorische Vorschläge betreffen u. a. die Schulungsdauer, die verbesserte Zuweisung zu den Schulungen sowie die Freiwilligkeit der Schulungsteilnahme.
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Diskussion
Unser Ziel war es zu ermitteln, wie Rehabilitanden und Schulungsleiter die Verständlichkeit von Patientenschulungen in der Routineversorgung der stationären orthopädischen Rehabilitation bewerten, welche Faktoren als förderlich oder hinderlich für eine gute Verständlichkeit angesehen werden und welche Ideen bezüglich einer verbesserten Verständlichkeit in beiden Gruppen vorliegen.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass sowohl Rehabilitanden als auch die durchführenden Schulungsleiter die Verständlichkeit von Schulungen positiv bewerten. Sie spiegeln damit die Bewertungen im Rahmen der Evaluation einzelner Programme wider [16] [18] . Sie können als Hinweis darauf gewertet werden, dass auch in der Routineversorgung der orthopädischen Rehabilitation eine gute Verständlichkeit in Patientenschulungen erreicht wird und die Teilnehmer neues Wissen dazugewinnen, was eine grundlegende Voraussetzung für die Erreichung übergeordneter Ziele im Rahmen von Patientenschulungen darstellt.
Die thematisierten positiven Einflussfaktoren der Verständlichkeit geben Hinweise auf Aspekte, die bei der Konzeption und Durchführung von Patientenschulungen zur Sicherstellung einer guten Verständlichkeit berücksichtigt bzw. weiter ausgebaut werden könnten. Dabei unterscheiden sich Rehabilitanden und Schulungsleiter kaum in den genannten Faktoren. In beiden Gruppen stellt der Einbezug der Patienten durch den Schulungsleiter den am häufigsten genannten förderlichen Faktor dar. Diese Aspekte stehen in Zusammenhang mit den theoretischen Qualitätsanforderungen an eine „gute“ Patientenschulung bzw. die Qualifikation von Schulungsleitern und liefern Hinweise darauf, dass diese Anforderungen und Empfehlungen zu einer patientenorientierten Didaktik (z. B. interaktiver Vermittlungsstil, Verwendung von Beispielen aus der Erlebenswelt der Patienten, Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre etc.; vgl. [5] [6] [8] [14] [15] ) auch von Patienten und in der Versorgungspraxis tätigen Schulungsleitern als relevant angesehen werden. Dies unterstreicht die Praxisrelevanz dieser Forderungen auch als zentrale Voraussetzung für eine gute Verständlichkeit von Patientenschulungen.
Die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Perspektive der Patienten bei der Schulungsumsetzung belegt auch die qualitative Untersuchung von Cooper et al. [31] . Hier betonen Patienten mit Diabetes Typ 2, bei Diabetesschulungen neben einem hohen Interesse bzw. einer hohen Motivation und Expertise der Schulungsleiter besonders durch einen starken Einbezug in das Aushandeln von Schulungsinhalten, die Berücksichtigung der individuellen Erfahrungen der Schulungsteilnehmer im Schulungsverlauf sowie durch die Unterstützung und das gegenseitige Lernen von anderen Schulungsteilnehmern zu profitieren.
Interessant erscheint auch der Blick auf jene Faktoren, die als hinderlich für die Verständlichkeit der Schulungen bewertet werden. Diese können Hinweise auf einen möglichen Optimierungsbedarf liefern. Die deutlichen Unterschiede zwischen Patienten und Schulungsleitern hinsichtlich der Verteilung der Aussagen zu den hinderlichen Faktoren sind aufgrund der unterschiedlichen Instruktionen nicht überraschend – lag der Fokus in den Patientengesprächen eher auf der Bewertung der Verständlichkeit des Schulungskonzepts und dessen Umsetzung, so lag er bei den Schulungsleitern auf dem patientenseitigen Verständnis und eher auf Patienteneigenschaften. Die Schulungsleiter bemängeln bei den Patienten vor allem die fehlende Motivation, die passive Patientenrolle und ein „unrealistisches“ subjektives Krankheitskonzept. Die Tatsache, dass aber auch von den Rehabilitanden hinderliche Patienteneigenschaften bzw. hinderliches Patientenverhalten thematisiert werden (z. B. fehlende Motivation, fehlendes Verständnis von Schulungszielen), kann als Validierung und als Bestätigung dafür angesehen werden, dass der „Faktor Patient“ bei der Verständlichkeitsbeurteilung von Schulungen nicht unberücksichtigt bleiben darf.
Wie in der Einleitung dargestellt, sollte der Verständlichkeitsbeurteilung das Konzept der Passung von Schulungsanforderungen einerseits und patientenseitiger Gesundheitskompetenz andererseits zugrunde gelegt werden. Aus den Aussagen der Oberkategorie „Vorschläge“ wird ersichtlich, dass evtl. durch eine frühzeitige Klärung des Reha-Verständnisses, durch eine Präzisierung der Zielsetzung bestimmter Schulungen und durch den stärkeren Einbezug der subjektiven Krankheitskonzepte der Patienten eine bessere Verständlichkeit und ggf. eine höhere Akzeptanz der Schulungen erreicht werden könnten. Die von den Patienten genannten hinderlichen Faktoren auf Seiten der Schulungsleiter sowie der von einigen Schulungsleitern geäußerte Wunsch nach Fortbildungen zum Bereich Methodik und Didaktik der Patientenschulung weisen darauf hin, dass im Hinblick auf die Qualifikation der Schulungsleiter Defizite bestehen (vgl. [5] ). Die Verbesserung der Schulungsleiterqualifikation sollte dabei über die verstärkte Nutzung oder den Ausbau der von verschiedenen Stellen angebotenen Train-the-Trainer-Seminare erfolgen, wie es auch von Ströbl et al. [8] gefordert wird. Allerdings besteht für solche Seminare keine Einigkeit über anerkannte Inhalte und Standards [5] .
Eine Limitation der vorliegenden Untersuchung stellt die eingeschränkte Repräsentativität der relativ kleinen Stichprobe dar. Die Auswahl der Studienteilnehmer erfolgte über die Studienkoordinatoren in den beteiligten Einrichtungen und es können keine Angaben zum Anteil von Nonrespondern gemacht werden. Denkbar ist beispielsweise die Abhängigkeit der Verständlichkeitsbewertungen vom Bildungsniveau oder der Gesundheitskompetenz des individuellen Patienten. Die Generalisierbarkeit unserer Befunde auf andere Patientengruppen und Settings ist daher fraglich. Einschränkend ist weiterhin anzumerken, dass in den Fokusgruppen jeweils Patienten und Schulungsleiter aus einer Klinik befragt wurden, wodurch sich die Patienten möglicherweise kannten und die Schulungsleiter teilweise in hierarchischen Beziehungen zueinander standen. Dies könnte einen negativen Einfluss auf die Gruppendynamik gehabt haben, wobei die Fokusgruppenleiter jedoch bemüht waren, eine offene Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Der Wert für die Interraterreliabilität liegt mit κ=0,27 zwar im unteren Bereich [30] , kann in Anbetracht der großen Anzahl an wählbaren Kategorien jedoch als akzeptabel bewertet werden [32] .
Die Ergebnisse unserer Studie sind aufgrund des qualitativen Designs explorativ mit dem Ziel, die gesamte Bandbreite von wahrgenommenen Einflussfaktoren der Verständlichkeit von Schulungen abzubilden. Für eine detailliertere Untersuchung der Fragestellung wäre eine quantitative Erhebung an einer größeren Stichprobe erforderlich. Zu diesem Zweck wurden aus den vorliegenden qualitativen Ergebnissen 2 Fragebogen entwickelt: Der COHEP-Fragebogen (für „comprehensibility of health education programs“, vgl. [33] ), der die Verständlichkeit von Schulungen aus Patientensicht erfasst, sowie ein inhaltlich darauf bezogenes Instrument, das die schulungsbezogene Gesundheitskompetenz von Patienten misst. Dadurch konnte die Perspektive von Rehabilitanden und Schulungsleitern bereits bei der Entwicklung der Assessmentinstrumente im Sinne einer „partizipativen Forschung“ berücksichtigt werden [34] .
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Sowohl Rehabilitanden als auch Schulungsleiter bewerten die Verständlichkeit von Patientenschulungen im Rahmen der Routineversorgung der orthopädischen Rehabilitation als gut. Entwicklungsbedarf scheint in den Bereichen der Schulungsleiterqualifikation im Hinblick auf Methodik und Didaktik der Patientenschulung, des stärkeren Einbezugs der Patienten und deren subjektiver Konzepte, der Klärung von Rehabilitations- und Schulungszielen sowie organisatorischer Rahmenbedingungen der Schulungsumsetzung zu bestehen.
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Interessenkonflikt:
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Danksagung
Die hier berichteten Daten stammen aus dem Projekt: „Entwicklung und Evaluation einer Patientenschulung zur Förderung der Gesundheitskompetenz von chronisch Kranken“, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderschwerpunkts „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ gefördert wird. Für die engagierte Teilnahme am Projekt und die freundliche Unterstützung bei der Datenerhebung bedanken wir uns bei allen beteiligten Einrichtungen: Asklepios Klinik, Schaufling; Breisgau-Klinik, Bad Krozingen; Hedon Klinik, Lingen; Klinik am Brunnenberg, Bad Elster; MEDIAN Klinik Bad Sülze, Bad Sülze; Orthopädische Klinik „Kurköln“, Bad Neuenahr; Paracelsus Klinik an der Gande, Bad Gandersheim; Reha Klinikum Bad Säckingen GmbH, Bad Säckingen; Salze Klinik, Bad Salzdetfurth.·
11 Aus stilistischen Gründen wird im Folgenden auf die gleichzeitige Nennung der Begriffe „Verständlichkeit“ und „Verständnis“ verzichtet und lediglich der Begriff „Verständlichkeit“ gleichbedeutend für beide Konzepte verwendet.
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2 Die Tab. 1, 2, 3 finden Sie online unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/rehabilitation.
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3 Pat=Patienten, SL=Schulungsleiter.
Ergänzendes Material
- Die Literatur zu diesem Beitrag fi nden Sie ebenso wie die Tabellen 1–3 online unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/re habilitation
- Ergänzendes Material