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DOI: 10.1055/s-0032-1313288
In der Intensivmedizin unverzichtbar
Publication History
Publication Date:
24 April 2012 (online)
? Wie hat Caspofungin die Therapie verändert?
Müller: Caspofungin hat in der Intensivmedizin Antimykotika mit hoher Toxizität, hohem Interaktionspotenzial oder mit therapeutischen Lücken weitestgehend verdrängt. Mit Caspofungin haben wir ein für die Intensivmedizin besonders geeignetes Medikament, das auf der einen Seite eine hohe und zuverlässige Wirksamkeit hat, auf der anderen Seite eine relativ geringe Nebenwirkungsrate.
? Welche Erwartungen hatte man an die neue Substanz und wie wurden diese erfüllt?
Müller: Das erste Caspofungin-Symposium zum Einsatz in der Intensivmedizin in Deutschland fand im Februar 2002, also vor genau 10 Jahren, in Düsseldorf statt. Heute hat sich Caspofungin, das ursprünglich gar nicht primär für die Intensivmedizin entwickelt und geplant war, als selbstverständlicher Teil der Therapie auch und gerade auf der Intensivstation etabliert.
? Bei welchen Patienten und in welchen Situationen sind für Sie heute Echinocandine unverzichtbar?
Müller: Die EPIC-2-Studie hat gezeigt, dass man auf der Intensivstation bei 19 % der Patienten mit schweren Infektionen Pilze nachweisen kann – in etwa 17 % Candida-Spezies, in 1,3 % Aspergillus fumigatus. Wir müssen also bei jedem fünften Patienten mit einer schweren Infektion an diese Problematik denken. Aspergillus war bis dahin vor allem ein Thema in der Hämatoonkologie, in der Transplantationsmedizin sowie bei chronisch-granulomatösen Erkrankungen. In den letzten 2–3 Jahren haben wir jedoch erkannt, dass auch Patienten mit schweren strukturellen Lungenvorerkrankungen und begleitender Steroidtherapie ein Aspergillus-Risiko haben. Dort spielen die Echinocandine in der Primärtherapie zwar noch keine Rolle, erste Wahl sind Voriconazol und liposomales Amphotericin B.
Wenn wir damit aber keinen therapeutischen Fortschritt erzielen oder wenn wir einen Kombinationspartner brauchen, dann sind die Echinocandine und entsprechend dem Zulassungsstatus in Europa Caspofungin eine gute Alternative.
Das viel größere Problem für den Intensivmediziner ist die Candida-Infektion, weil wir an vielen Körperstellen bei unseren Intensivpatienten Candida nachweisen können. Als wesentlich hat sich nun das Risiko für Candida-Infektionen bei operativen Patienten mit komplizierter Oberbauch-Viszeral-Chirurgie herauskristallisiert. Hier liegt das Candida-Infektionsrisiko ca. 23-fach höher als bei normalen Intensivpatienten. Dieses Patientenkollektiv ist das einzige, bei dem man aus meiner Sicht frühzeitig die Initialtherapie mit einem Echinocandin beginnen sollte und auch rechtfertigen kann. Bei allen anderen intensivmedizinischen Patienten ist ein so frühzeitiger Einsatz im Moment nicht zu rechtfertigen. Wenn wir eine positive Blutkultur mit Candida haben, ist dies aber eine zwingende Behandlungsindikation. Nach den derzeit diskutierten neuen Richtlinien der europäischen Infektiologen sollen in dieser Situation die Echinocandine als First-Line-Therapie mit einem Empfehlungsgrad A1 die allererste Rolle spielen. Für Voriconazol und liposomales Amphotericin B wird eine B-Empfehlung diskutiert. Fluconazol wird in der Intensivmedizin seltener eingesetzt werden, in der Diskussion ist eine C-Empfehlung, sodass es bei schwer kranken Patienten seinen Stellenwert in der Initialtherapie völlig verlieren soll, auch und gerade wegen der Unwirksamkeit bei Candida glabrata, die insbesondere bei unseren älteren Patienten mit über 40 %-Anteil an den Candida-Spezies vorkommt.
Herr Professor Müller, vielen Dank für das Gespräch.
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