Die Rudolf-Virchow-Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum der Charité war der
ebenso ehrwürdige wie inspirierende Rahmen für den 10. Workshop des Consilium Mycologicum
am 24. und 25. Februar 2012 in Berlin. Unter dem Titel ”Gezielte Diagnostik – bestmögliche
Therapieerfolge“ fördert das Consilium Mycologicum insbesondere den Erfahrungsaustausch
zwischen den Generationen der Mykologen. Aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis
aber noch mehr die Diskussion der Inhalte standen im Mittelpunkt. In den vergangenen
30 Jahren hat das Thema Pilzinfektionen in der Medizin eine neue Bedeutung bekommen.
Kaum eine Disziplin kommt am Thema Mykosen vorbei. Insbesondere in den Fachbereichen
Onkologie, Intensivmedizin, Chirurgie und Dermatologie haben Mykosen ihren festen
Platz im medizinischen Bewusstsein. Dennoch legt das Consilium Mycologicum immer wieder
die Finger auf die Wunden und weist auf die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit
zwischen Mikrobiologie und Klinik hin mit dem Ziel, Mykosen rascher und sicher zu
diagnostizieren. Dies und die entsprechende Aufmerksamkeit sind die wichtigsten Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Therapie.
Wirt-Pathogen-Interaktionen bei C. albicans und Dermatophyten
Der Hefepilz Candida albicans ist häufiger Kommensale auf Schleimhäuten des Verdauungs-
und Urogenitaltraktes im gesunden Wirt, kann jedoch bei abwehrgeschwächten Patienten
oberflächliche sowie systemische Infektionen hervorgerufen. In molekularen Studien
am Hans-Knöll-Institut in Jena zur Pathogenität des Erregers, werden insbesondere
solche Faktoren untersucht, die zur Stresstoleranz und Morphogenese beitragen, z.B.
zur Resistenz gegenüber Wachstums-inhibitorischen Konzentrationen von Cystein und
Sulfit, wie Dr. Peter Staib darlegte. ”Ebenso untersuchen wir die Interaktion von
C. albicans mit ausgewählten humanen Zellen, auch im Kontext der mikrobiellen Kommunikation.“
Dabei zeigte sich, dass bestimmte bakterielle und pilzliche Signalmoleküle humane
Spermatozoen schädigen können, und dass Seminalplasma Spermatozoen sowie C. albicans
vor der Assoziation mit dentritischen Zellen schützt, bedingt durch Seminalplasma-Prostaglandine.
Diese Beobachtungen erscheinen für die Wirtsnische des unteren, weiblichen Reproduktionstraktes
von Bedeutung und verbinden zwei maßgebliche biologische Vorgänge: die humane Reproduktion
und die Mikroorganismen-Wirt-Interaktion.
Candidainfektionen – Therapieleitlinien zur Entscheidungsfindung
”Die Fortschritte in der klinischen Medizin haben insbesondere bei Patienten mit Malignomen
oder Autoimmunerkrankungen und bei kritisch Kranken auf der Intensivstation die Heilungs-
und Überlebenschancen deutlich verbessert“, sagte Dr. Andreas Glöckner, Greifswald,
schränkte jedoch ein, dass ”die angewendeten therapeutischen Maßnahmen, soweit die
Grunderkrankung nicht schon per se damit behaftet ist, immer häufiger zum Auftreten
einer Suppression des Immunsystems führt.“ Insofern sei gut nachvollziehbar, dass
opportunistische Infektionen, zu denen invasive Mykosen durch Candida gehören, relevant
an Bedeutung zugenommen haben. Die vierte Blutkulturstudie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft,
die den Zeitraum 2006–2007 betrachtete, konnte eine Zunahme der relativen Häufigkeit
der Candidämien um das Dreifache gegenüber der dritten Blutkulturstudie (2000–2001)
belegen. ”Dieser Umstand gewinnt noch an Bedeutung, wenn man konstatiert, dass die
Letalität invasiver Mykosen trotz verbesserter diagnostischer und therapeutischer
Möglichkeiten deutlich über der Letalität bakterieller Infektionen liegt. Hinsichtlich
der Ursachen für diese Situation sind mehrere Aspekte zu nennen: Das Hauptproblem
bei Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion beginnt für den Arzt bereits bei der
Einleitung der notwendigen diagnostischen Schritte, setzt sich mit der Wertung von
mykologischen Befunden fort und endet nich t zuletzt mit der Indikationsstellung zur
antimykotischen Therapie, die leider häufig zu spät erfolgt. ”Ist der Entschluss zur
antimykotischen Therapie bei bestehender Indikation gefasst, geht es um die Frage,
welches Antimykotikum die besten Heilungschancen bietet,“ sagte Glöckner und ergänzte,
dass ”differenzialtherapeutisch auch die individuelle Situation des Patienten hinsichtlich
bestehender Organinsuffizienzen, der Begleitmedikation und gegebenenfalls einer antimykotischen
Vorbehandlung zu bedenken sind.“ Zur Entscheidungsfindung in der spezifischen Situation
bieten Therapieleitlinien auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse
und die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen eine systematisch entwickelte Hilfe,
um erfolgreich, sicher und möglichst kosteneffizient zu therapieren. Als Beispiele
für Antimykotika, die in den Leitlinien empfohlen werden, nannte Glöckner die Echinocandine
wie Anidulafungin (Ecalta®, Pfizer Pharma GmbH), Caspofungin (Cancidas®, MSD Sharp & Dohme), Micafungin (Mycamine®, Astellas Pharma GmbH). Einige Empfehlungen im Rahmen der Leitlinien richten sich
nach wie vor auch auf die Azolantimykotika wie Voriconazol (Vfend®, Pfizer Pharma GmbH), das neben seiner breiten antimykotischen Wirksamkeit insbesondere
zur First-Line-Therapie bei Aspergillosen genannt wird sowie Posaconazol (Noxafil®, MSD Sharp & Dohme), das zur speziellen Prophylaxe bei hämato-onkologischen Patienten
zum Einsatz kommt. Das konventionelle Amphotericin B wurde weitestgehend vom liposomalen
Amphotericin B (Ambisome® Gilead Sciences GmbH) abgelöst und findet entsprechend der Leitlinien breite Anwendung
in der Onkologie. Neben den Empfehlungen der Infectious Diseases Society of America
(IDSA) und der 3rd European Conference of Infections in Leukemia (ECIL-3), die beide
2009 veröffentlich wurden, existieren seit 2011 die Leitlinien der European Fungal
Infections Study Group (EFISG) und der European Society of Clinical Microbiology and
Infectious Diseases (ESCMID) und die gemeinsamen Empfehlungen der Deutschsprachigen
Mykologischen Gesellschaft (DMykG e.V.) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG).
Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte