Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(6): 449
DOI: 10.1055/s-0032-1315010
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

EDITORIAL

K. Friese
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Publication Date:
02 July 2012 (online)

Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege,

die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist der Förderung von Wissenschaft und Forschung verpflichtet. Was für eine wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft selbstverständlich ist, verliert in der heutigen akademischen und klinischen Landschaft an Selbstverständlichkeit. Sogar an Universitätskliniken droht die Forschung zur Kür zu werden, die erst nach abgeleisteter klinischer Pflicht getan werden kann.

Warum soll das besorgniserregend sein? Die medizinische Versorgung in Deutschland ist auf hohem Niveau; die Qualität von Diagnostik und Therapie an einer Klinik scheint nicht davon abhängig, wie viele klinische Studien in ihr durchgeführt werden. Was für den einzelnen Klinikstandort mehr oder weniger zutreffen mag, entwickelt auf die gesamte Versorgungslandschaft gesehen allerdings eine fatale Dynamik. Der Anspruch von qualitativ sehr guter Medizin ist derjenige einer Medizin, die ihre diagnostischen Verfahren und therapeutischen Strategien auf wissenschaftlicher Basis aufgebaut hat und stetig weiter entwickelt. Wissenschaft ist aber nichts, was nur „konsumiert“ werden kann. Entgegen landläufigen Erwartungen liefert sie keine fertigen „Ergebnisse“. Forschung ist ein kommunikativer und interaktiver Vorgang. Ihre Resultate verstehen und in die Praxis übersetzen helfen können nur Leute, die aktiv an ihr teilnehmen.

Die fachlichen Herausforderungen an behandelnde Ärzte werden nicht geringer. Neue Entwicklungen, wie z. B. das demnächst verfügbare Testverfahren, das eine Untersuchung auf eine Trisomie 21 ohne Amniozentese oder Chorionzottendiagnostik ermöglicht (siehe dazu die Stellungnahme der DGGG auf Seite 478), werden immer neue Anforderungen an behandelnde und beratende Ärzte mit sich bringen. Deren kontinuierliche Fortbildung – ganz gleich ob in Klinik oder Praxis – ist undenkbar ohne eine wissenschaftliche Infrastruktur, die die wissenschaftliche Selbstüberprüfung der Medizin aktiv betreibt und das vorläufig gesicherte Wissen aufbereitet, evaluiert und weitergibt.

Neben der Erarbeitung und Aktualisierung von Leitlinien, der Ausrichtung von wissenschaftlichen und Fortbildungstagungen ergibt sich für die DGGG daraus auch die Verpflichtung, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu ermutigen und zu unterstützen. Um ein unmissverständliches und positives Zeichen zu setzen, vergibt die DGGG dieses Jahr erstmals fünf Preise für herausragende Forschungsarbeiten jüngerer Autoren auf dem Gebiet der Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Ausschreibung endete am 31. Mai; ich freue mich darauf, die Ergebnisse zu sichten und während des Kongresses in München die Preisträger auszuzeichnen.

Einen Wissenschaftspreis auszuschreiben, wird nichts an wissenschaftlichen und klinischen Infrastrukturen ändern. Das ist auch nicht das Ziel. Was wir mit den Forschungspreisen aber wollen: Die öffentliche Aufmerksamkeit auf die vielversprechenden Talente in unserem Fach und in unserer Gesellschaft lenken – und wir wollen junge Leute motivieren, sich in die Forschung zu begeben, indem wir herausragende Leistungen würdigen und anerkennen.

Mit herzlichen Grüßen – und ich freue mich, Sie auf dem DGGG-Kongress im Oktober in München begrüßen zu dürfen.

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Ihr Klaus Friese