Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(3): 126
DOI: 10.1055/s-0032-1315410
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Buchbesprechung – Über das Sterben. Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen.

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Publication Date:
23 May 2012 (online)

Gian Domenico Borasio

2012, 207 Seiten, C.H. Beck, 17,95 €, ISBN 10340661785

Ein gutes Sterben erhofft sich jeder Mensch im 21. Jahrhundert. In dieser letzten Lebensphase werden die Menschen idealerweise von besonders geschulten Medizinern betreut, da immer deutlicher erkennbar ist, dass am Lebensende der Einsatz von vielen medizinischen Maßnahmen ein gutes Sterben oft behindert. In diesem Bereich der Palliativmedizin findet zurzeit ein wichtiger Paradigmenwechsel in der Medizin statt.

Fragen zum Sterben beantwortet der Schweizer Palliativmediziner Gian Domenico Borasio in diesem Patienten-Ratgeber. Borasio erleichtert dem Leser den Zugang zum tabuisierten Thema Sterben und stellt das multiprofessionelle Team vor, das den Menschen und seine Angehörigen beim Sterben begleitet. Er klärt über naturwissenschaftliche Erkenntnisse des Sterbens auf, nennt die verschiedenen Versorgungseinrichtungen, schildert unvoreingenomme Rivalitäten und Kompetenzprobleme im Verteilungskampf um Resourcen und fürchtet eine Kommerzialisierung dieser Lebensphase zu Ungunsten der Betroffenen. Der Leser bekommt wertvolle Hinweise zu Online-Adressen und weiterführender Literatur im Anhang.

Das Buch ist ein Plädoyer für die Palliativmedizin als eigenständiges Fach innerhalb Medizinischer Fakultäten. Die Aufnahme der Palliativmedizin in die Medizinstudentenausbildung im Jahre 2009 war ein großer Erfolg, ebenso wie das Einrichten von Lehrstühlen für Palliativmedizin. Hiervon erhofft sich Borasio eine Patientenbetreuung weg vom medizinischen Machbarkeitswahn hin zu einer würdevollen Sterbebegleitung.

Borasio bringt aus seiner langen Tätigkeit als Palliativmediziner viele anschauliche Einzelbeispiele aus der Sterbephase bei verschiedenen Krankheiten. Von zentraler Bedeutung ist eine offene Kommunikation am Lebensende, damit dadurch das Sterben erleichtert wird. Praktische Probleme sind eine ausreichende Ernährung und Flüssigkeitszufuhr ohne invasive Maßnahmen per Sonden, sowie administrative Probleme wie die Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Auch die Sterbehilfe wird ausführlich diskutiert. Die aktive Sterbehilfe ebenso wie eine unsinnige Verlängerung des Lebens lehnt der Autor als unnötig ab. Ziel ist eine Balance zwischen medizinischer Überversorgung und der palliativmedizinischen Versorgung.

Für Borasio selbst ist die Tätigkeit des Palliativmediziners sowohl Geschenk als auch Berufung. Dieses Engagement ist in seinem Buch zu spüren. Es wendet sich an alle, die sich mit dem Sterben befassen, wozu auch Mediziner gehören sollten. Er holt das Thema Sterben aus dem Mystischen heraus und gibt auf viele Fragen wertvolle Informationen. Das Buch macht Mut, das Sterben nicht zu verdrängen, sondern zu akzeptieren und informiert zu erleben. Dank der Palliativmedizin müssen wir am Lebensende nicht vor dem medizinindustriellen Komplex kapitulieren, sondern kommen dem menschlichen Sterben einen großen Schritt näher. Diesem wegweisenden Buch über das Sterben wird die große Leserschaft gewünscht, die es verdient.

Prof. Dr. med. Udo Schumacher
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

  • 1 Borasio G D. Über das Sterben. Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen. C.H. Beck; 17,95 € ISBN: 10340661785