Axitinib ist ein selektiver VEGFR-Inhibitor (VEGFR: vaskulärer Endothelwachstumsfaktor-Rezeptor) der 2. Generation. Eine aktuelle US-amerikanische Studie hat gezeigt, dass Axitinib das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patienten mit Zytokin-refraktärem Nierenzellkarzinom gegenüber Sorafenib verlängert.
Lancet 2011; 378: 1931–1939
mit Kommentar
In der Phase-III-Studie AXIS behandelten Brian Rini, Cleveland Clinic Taussing Cancer Institute/USA, und Kollegen 723 Patienten mit klarzelligem, metastasiertem Nierenzellkarzinom mit den Tyrosinkinase-Inhibitoren Axitinib oder Sorafenib in einer Zweitlinientherapie (1:1-randomisiert). Die Patienten erhielten Axitinib 2 x 5 mg/Tag (bei guter Verträglichkeit Option zur Dosissteigerung bis auf 2 x 10 mg/Tag) oder Sorafenib 2 x 400 mg/Tag. Die Studie wurde unter maßgeblicher Beteiligung von Pfitzer Inc. durchgeführt. Stratifiziert wurde nach Allgemeinzustand (ECOG Performance Status 0–1) und Art der systemischen Vortherapie. Diese war in beiden Studienarmen bei jeweils 54 % der Patienten mit Sunitinib erfolgt, bei 35 % mit Zytokinen, bei 8 % mit Bevacizumab und bei 3 % mit Temsirolimus. Die Behandlung endete bei Krankheitsprogress, inakzeptabler Toxizität, Tod oder auf Patientenwunsch. Der primäre Endpunkt war das Progressionfreie Überleben (PFS). Sekundäre Endpunkte waren die Gesamtüberlebenszeit, die objektive Ansprechrate, die Ansprechdauer und die Progression.
Nierenzellkarzinom, klarzelliger Typ (Vergr. 1:150). Laut der aktuellen Studie verlängerte Axitinib gegenüber Sorafenib das progressionsfreie Überleben von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom um bis zu 6 Monate bei vergleichbarem Sicherheitsprofil.(Bild: Riede U-N, Schäfer H-E, Werner M, aus: Allgemeine und spezielle Pathologie; Thieme 2004)
Axitinib wirksamer als Sorafenib bei gleicher Verträglichkeit
Das PFS war im Axitinib-Arm signifikant länger als im Sorafenib-Arm (6,7 vs. 4,7 Monate; Hazard Ratio: 0,665; p < 0,0001). Das PFS war bei Zytokin-vorbehandelten Patienten am deutlichsten erhöht (12,1 bei Axitinib vs. 6,5 Monate bei Sorafenib). Bei Patienten, die als Erstlinientherapie Sunitinib erhielten, verbesserte sich das PFS unter Axitinib nur wenig gegenüber Sorafenib (4,8 vs. 3,4 Monate). Für die Bevacizumab- und Temsirolimus-Gruppe waren die Ergebnisse aufgrund der geringen Fallzahl nicht aussagekräftig.
Bezüglich der sekundären Endpunkte war die objektive Ansprechrate unter Axitinib signifikant höher als unter Sorafenib (19 vs. 9 %) bei einer medianen Ansprechdauer von 11,0 (Axitinib) vs. 10,6 Monaten (Sorafenib). Die Rate der stabilen (27 unter Axitinib vs. 21 % unter Sorafenib) und der progressiven Erkrankungen (22 vs. 21 %) unterschied sich nicht wesentlich. Im Axitinib-Arm war die Zeitspanne bis zu einer Verschlechterung der Krankheit länger. Die mittlere Dosisintensität, definiert als Quotient von tatsächlicher und geplanter Gesamtdosis, lag bei 99 % in der Axitinib- und bei 92 % in der Sorafenib-Gruppe. Aufgrund toxischer Nebenwirkungen wurde die Axitinib-Therapie bei 4 % (n = 14) und die Sorafenib-Therapie bei 8 % der Patienten (n = 29) abgebrochen. Das Sicherheitsprofil beider Substanzen war vergleichbar. Bei mehr als 30 % der Patienten traten unter Axitinib unerwünschte Nebenwirkungen auf, am häufigsten Diarrhö, Fatigue, Hypertonie, Appetitverlust, Übelkeit und Dysphonie. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Sorafenib waren neben Diarrhö und Fatigue das Hand-Fuß-Syndrom, Alopezie und Exantheme.
Bei vergleichbarer Sicherheit führte Axitinib gegenüber Sorafenib in der aktuellen Studie zu einem längeren progressionsfreien Überleben und bietet somit eine weitere Option für die Zweitlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Weitere Vergleichsstudien seien erforderlich, um die zielgerichtete Therapie des Nierenzellkarzinoms zu optimieren, so die Autoren.
Renate Ronge, Münster
Kommentar
Gutes Ansprechen auf Axitinib nach Tumorprogression
PD Dr. Frederik Roos ist Oberarzt der Urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Kleinmolekulare Angiogeneseinhibitoren
In den letzten Jahren hat sich die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNZK) von immunologischen Therapieansätzen, die über die letzten 2 Jahrzehnte den Therapiestandard bestimmt haben, weitestgehend entfernt [
1
]. Nach dem besseren Verständnis der Tumorbiologie des NZK und der Identifikation der mit den zytogenetischen Alterationen in Verbindung stehenden Mutationen von Tumorsuppressor- und/oder Proto-Onkogenen konnten kleine Moleküle (zielgerichte Inhibitoren) synthetisiert werden, die gezielt in die Signaltransduktionswege der Tumorzelle eingreifen [
2
]. Insbesondere VEGF als potenter Wachstumsfaktor der Angiogenese des NZK bietet gute Möglichkeiten zur Entwicklung kleiner Moleküle, die in die VEGF-Signalkaskade eingreifen [
3
]. Hierzu zählen die bisher zugelassenen und in der klinischen Praxis verwendeten Thyrosinkinaseinhibtoren (TKI) Sunitinib, Sorafenib und seit Kurzem Pazopanib, die gezielt den VEGF-Rezeptor und gleichermaßen den PDGF-Rezeptor inhibieren [
4
]. Diese Therapieformen sind effektiv in der Behandlung des mNZK und mit einem insgesamt tolerablen Nebenwirkungsspektrum verbunden. Allerdings sind die Vorteile im Gesamtüberleben gegenüber den Kontrollarmen in den Phase-III-Studien größtenteils statistisch nicht signifikant [
5
] oder belaufen sich auf 2–4 Monate [
6
].
Zielgerichtete, patientenorientierte, individualisierte Therapie
Welche medikamentöse Therapie für welchen Patienten am besten geeignet ist, wird zurzeit in Subanalysen einiger klinischer Studien untersucht [
7
], [
8
]. Hierbei ist es auch unerlässlich im Rahmen der patientenorientierten individualisierten Therapie auf die Tumorcharakteristika (z. B. histologischer Subtyp, sarkomatoide Differenzierung) und auf Patientenwünsche, Begleitmedikation und Komorbiditäten zu achten. Folglich sind mehrere Studien in der klinischen Anwendung, die Patientenakzeptanz und Nebenwirkungsspektrum zweier Angiogeneseinhibitoren testen [
9
], [
10
]. Einen direkten Vergleich zwischen zwei TKIs unternimmt aktuell die COMPARZ-Studie (Pazopanib vs. Sunitinib) untersucht [
11
]. Die Erfahrungen zeigen im Allgemeinen, dass es nach der Erstlinientherapie nach ca. 6 Monaten wieder zu einem Tumorprogress kommt und eine Zweitlinientherapie notwendig ist. Zur Erst- und Zweitlinientherapie sind Richtlinien von der EAU und der EORTCGU publiziert worden [
12
], [
13
].
Sequenztherapie
Eine Sequenztherapie für Patienten mit metastasiertem NZK in Richtung Drittund Viertlinientherapie gewinnt immer mehr an Bedeutung, da hierdurch der Tumorprogress über mehrere Monate weiter herausgezögert werden kann. Welche Sequenz (VEGF-Antikörper und/oder TKITKI-mTOR vs. TKI-mTOR-TKI) gewählt wird, ist von vielen Faktoren und v. a. vom Patienten selbst abhängig.
In dieser Vergleichsstudie wurde Axitinib, das die VEGFR 1–3 inhibiert, als Zweitgeneration TKI gegen Sorafenib getestet [
14
]. Eine interessante und wichtige Information birgt die Randomisierung, in der unterschiedlichste Erstlinientherapien berücksichtigt werden konnten. Hierbei ist erwähnenswert, dass das progressionsfreie Überleben unter Axitinib nach zytokin- und mTOR-basierter Erstlinientherapie fast doppelt so lang war, wie unter Sorafenib. Die Ergebnisse nach Therapie mit Bevacizumab und Sunitinib waren dagegen vergleichbar. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass nur eine geringe Anzahl der Patienten mit Bevacizumab und Temsirolimus in der Erstlinientherapie behandelt wurde.
Eine 19 %ige gegenüber einer 9 %igen objektiven Ansprechrate spricht für Axitinib, wobei die Dauer des Ansprechens mit 11 Monaten unter Axitinib vs. 10,6 Monaten unter Sorafenib fast identisch waren. Die Autoren sprechen von einem tolerablen und einem vergleichbarem Nebenwirkungsprofil unter Axitinib gegenüber Sorafenib. Genauer betrachtet ist der prozentuale Anteil der ≥Grad-3-Nebenwirkungen für Nausea, Vomitus, Fatigue, Durchfall und Asthenie unter Axitinib größer als unter Sorafenib. Die Lebensqualität der Patienten unter den Therapeutika wurde nicht dokumentiert, was eine bedeutende Schwäche der Studie ist, da es für eine individualisierte, patientenorientierte Therapie unerlässlich ist, zu wissen für welchen alltagseinschränkenden Preis eine Progressionsverlängerung erkauft wird.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass ein gutes Ansprechen auf Axitinib nach Tumorprogression unter einem mTOR-Inhibitor beobachtet werden konnte, was bei einigen Patienten für eine Resensibilisierung des Tumors gegenüber TKIs spricht [
15
]. Ob Axitinib in der Zweit- oder Drittlinientherapie verwendet wird, werden weitere Studien klären. Meineserachtens könnte Axitinib in der Sequenztherapie nach einem mTOR-Inhibitoren angewendet werden.
PD Dr. Frederik Roos, Mainz