Sportverletz Sportschaden 2012; 26(02): 64
DOI: 10.1055/s-0032-1316392
Für Sie notiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Insertionstendopathien am Tuber ischiadicum – Verdacht auf Hamstring-Tendopathie? Schmerzen provozieren!

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

 

Die direkte und korrekte Diagnose einer chronischen Insertionstendopathie am Tuber ischiadicum bei Athleten ist eine große Herausforderung. Angelo Cacchio, L‘Aquila/Italien, et al. haben in diesem Kontext drei Schmerzprovokationstests auf ihren diagnostischen Nutzen getestet. Sie halten vor allem die passiven Tests für einen guten Indikator im Vorfeld zu weitergehenden Untersuchungen.
Br J Sports Med 2012; doi10.1136/bjsports-2011-090325

Die Hamstrings sind vergleichsweise anfällig für Verletzungen und 2,5-mal häufiger betroffen als bspw. der Quadriceps. Hamstring-Verletzungen machen laut einer UEFA-Studie etwa 17 % aller Verletzungen im Fußball aus. Das Hauptsymptom der proximalen Hamstring-Tendopathie ist ein diffuser Schmerz beim Sport im Bereich des Tuber ischiadicum, der theoretisch auch durch andere Probleme verursacht werden kann. Cacchio et al. überprüften daher die folgenden Schmerzprovokations-Tests auf ihre Verlässlichkeit eine Hamstring-Tendopathie zu diagnostizieren:

  • aktiver Puranen-Orava-Test (aktives Stretching der Hamstrings im Stand; Fuß auf einer Bare o. ä. abgelegt, das Knie vollständig gestreckt, Hand greift zum Fuß, Hüfte ca. 90° angewinkelt),

  • passiver "Bent-Knee Stretch"-Tests (BKTest; der Patient liegt auf dem Rücken und winkelt Knie und Hüfte maximal an, der Untersucher streckt das Bein langsam)

  • passiver modifizierter Bent-Knee-Stretch-Test (MBK-Test; der Patient liegt auf dem Rücken mit gestreckten Beinen, der Untersucher greift das symptomatische Bein mit einer Hand unter der Ferse und mit der anderen am Knie, winkelt Knie und Hüfte maximal an und streckt das Bein dann relativ schnell)

An der Studie beteiligten sich 92 Athleten mit und ohne Insertionstendopathie am Tuber ischiadicum (jeweils n = 46). Alle hatten mindestens während der letzten 3 Jahre regelmäßig und professionell Sport ausgeübt. Ein Mediziner und zwei Physiotherapeuten wurden mit den Techniken der einzelnen Schmerztests vertraut gemacht und untersuchten die Athleten. Sie waren verblindet für die Symptome und Identität der Athleten. Als Referenz diente die klinische Untersuchung und Beurteilung der Krankengeschichte durch einen erfahrenen Mediziner, sowie eine Bestätigung der Ergebnisse durch eine von einem erfahrenen Radiologen durchgeführte MRT.

Alle Tests gut reproduzierbar

Intraklassenkoeffizienten, die auf der Varianzanalyse wiederholter Messungen basierten, wurden dazu genutzt, um sowohl die Intra- als auch die Inter-Observer-Reliabilität zu bestimmen. Dabei zeigten alle 3 Tests eine hohe Korrelation der Inter-Observer-Zuverlässigkeit (Range 0,82 – 0,88) und sogar eine hohe bis sehr hohe Korrelation der Intra-Observer-Zuverlässigkeit (Range 0,87–0,93).


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Passiver Test verlässlicher

Alle 3 Tests lieferten eine moderate bis hohe Validität, wobei der MBK-Test das beste Ergebnis erzielte. Er war bei 89 % der Athleten positiv, die unter einer chronischen Insertionstendinopathie litten. Die Sensitivität der anderen beiden Tests lag bei 84 % für den passiven BK-Test und 76 % für den Puranen-Orava-Test. Die Spezifität des MBK-Tests lag bei 91 %, d. h. dass nur 9 % der gesunden Athleten positiv getestet worden waren. Die Spezifität der anderen beiden Tests betrug 87 % für den BK-Test und 82 % für den Puranen-Orava-Test.

Zoom Image
Empfindet der Athlet bei den hier beschriebe- nen passiven Provokationstests Schmerzen, steht die Chance etwa 10 zu 1, dass er eine chronische Insertionstendopathie am Tuber ischiadicum hat.(©DrAndyMedina/istockphoto)

Die positiven und negativen Vorhersagewerte betrugen 91 und 89 % für den MBKTest, 86 und 85 % für den BK-Test sowie 81 und 77 % für den Puranen-Orava Test. Damit zeigt sich, dass Athleten mit chronischer Tendinopathie genauer identifiziert werden als solche, die gesund sind.

Fazit

Alle 3 Schmerzprovokationstests erwiesen sich zur Diagnose einer chronischen Tendopathie der Hamstringsehne bei den Athleten als eine potenziell wertvolle und schnelle Screeningmethode. Die passiven Tests waren sensitiver und verlässlicher als das aktive Stretching. Für eine genaue Abklärung empfehlen die Autoren weiterhin das MRT hinzuzuziehen.

Britta Brudermanns, Köln


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Empfindet der Athlet bei den hier beschriebe- nen passiven Provokationstests Schmerzen, steht die Chance etwa 10 zu 1, dass er eine chronische Insertionstendopathie am Tuber ischiadicum hat.(©DrAndyMedina/istockphoto)