Pneumologie 2012; 66(06): 326
DOI: 10.1055/s-0032-1316416
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kompetenznetzwerk CAPNETZ – Nursing home-acquired pneumonia

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

 
 

    Unterschiede des Erregerspektrums und der Letalität von im Pflegeheim erworbener (NHAP: Nursing home-acquired pneumonia) und ambulant erworbener Pneumonie (CAP: Community-acquired pneumonia) werden immer noch kontrovers diskutiert. In der vorliegenden Arbeit von S. Ewig et al. wurden diese anhand der CAPNETZ-Datenbank untersucht.
    Thorax 2012; 67: 132–138

    Alle Patienten der CAPNETZ-Datenbank (Januar 2002–Juni 2009), die im Rahmen einer CAP initial stationär behandelt wurden und 65 Jahre oder älter waren (n = 3087) wurden in die Analyse eingeschlossen. Verglichen wurden Patienten mit CAP (n = 2569) und Patienten mit NHAP (n = 518). Patienten mit NHAP hatten, gemessen am CRB-65 Score, eine schwerere Pneumonie als Patienten mit CAP. Der Anteil der Patienten mit einem CRB-65-Score 3–4 war in der NHAP-Gruppe 3-mal so hoch (26,7 vs. 7,7 %) und es lagen häufiger Komorbiditäten vor (97,1 vs. 90,2 %). Trotzdem wurde dieser Patientengruppe offensichtlich weniger Aufmerksamkeit zuteil. In beiden Gruppen war der Anteil der beatmeten Patienten gleich (etwa 5 %). Eine antimikrobielle Kombinationstherapie erfolgte in der NHAP-Gruppe seltener (23 vs. 42 %). Außerdem war die mikrobiologische Diagnostik bei NHAP-Patienten weniger umfangreich.

    Kurzzeit- und Langzeitletalität (innerhalb von 30 bzw. 180 Tagen) waren bei NHAP-Patienten 3-mal so hoch (26,6 vs. 7,2 % bzw. 43,8 vs. 14,6 %). Auch bei NHAP-Pa-tienten ohne Komorbidität waren Kurzzeit- und Langzeitmortalität sehr hoch (23,1 vs. 2,6 % bzw. 30,8 vs. 6,8 %). In beiden Gruppen war das Erregerspektrum ähnlich, mit Streptococcus pneumoniae als häufigsten Erreger. 11 von 12 Patienten mit NHAP und dem Nachweis von Staphylococcus aureus hatten eine neurologische Erkrankung. Dies ist ein bekannter Risikofaktor für eine Staphylokokken-Pneumonie. Potenziell multiresistente Erreger (MDR) waren selten und methicillinresistente Staphylokokken aureus (MRSA) wurde insgesamt in nur 2 Fällen nachgewiesen.

    Die Letalität nach Erregern war bei allen führenden Erregern in der NHAP-Gruppe 3- bis 4-mal so hoch. Folglich kann die Exzessletalität nicht durch ein unterschiedliches Erregerspektrum erklärt werden. Vielmehr ist sie vermutlich ein Ergebnis von Komorbidität und Einschränkungen der Behandlung bei Patienten, deren Pneumonie aufgrund von fortgeschrittenem Alter und eingeschränktem funktionellem Status als terminales Ereignis eingeschätzt wird. Folglich ist es nicht erforderlich, bei NHAP generell eine antimikrobielle Breitspektrum-Kombinationstherapie anzuwenden, vergleichbar der Behandlung einer nosokomialen Pneumonie.

    Fazit
    • Das Erregerspektrum bei NHAP- und CAP-Patienten ≥ 65 Jahren ist ähnlich, und potenziell multiresistente Erreger sind selten. Dennoch sollte jeder Patient sorgfältig auf Risikofaktoren für bestimmte Erreger untersucht werden.

    • Kurzzeit- und Langzeitmortalität sind bei NHAP 3-mal so hoch wie bei CAP ≥ 65 Jahren. Diese Exzessmortalität kann nicht durch ein unterschiedliches Erregerspektrum erklärt werden.

    • Eine generelle Erfassung von MRSA, ESBL und P. aeruginosa durch die initiale antimikrobielle Therapie ist bei NHAP-Patienten nicht zu rechtfertigen. Individuelle Risikofaktoren sollten jedoch berücksichtigt werden.

    • Eine Pneumonie stellt bei Pflegeheimbewohnern oftmals ein terminales Ereignis dar. Das Behandlungsziel sollte aufgrund von Prognose und Patientenwillen festgelegt werden.

    Benjamin Klapdor, Bochum


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