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DOI: 10.1055/s-0032-1319427
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Bedarfsplanung und des Nachbesetzungs-verfahrens – Auswirkungen auf die Radiologie
Publication History
Publication Date:
24 April 2013 (online)
- Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinie
- Zustimmung zur Ausschreibung einer radiologischen Zulassung
- Missbrauch des Nachbesetzungsverfahrens
- Festlegung des Verkehrswertes durch den Zulassungsausschuss
- Gemeinschaftspraxis – Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Praxispartner
- Fehlerhafte Gesellschaft im Nachbesetzungsverfahren
- Fazit
Am 01.01.2013 trat die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses in Kraft. Neben der erstmaligen Berücksichtigung der Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten in der Bedarfsplanung erfuhren die Versorgungsregionen räumliche Veränderungen, von denen die in der vertragsärztlichen Versorgung tätigen Radiologen unmittelbar betroffen sind. Ebenfalls zum 01.01.2013 trat eine wesentliche Änderung hinsichtlich der Durchführung von Nachbesetzungsverfahren über vertragsärztliche Zulassungen in Kraft. Nach § 103 Abs. 3a SGB V erfolgt die Ausschreibung einer vertragsärztlichen Zulassung erst dann, wenn der Zulassungsausschuss dem Ausschreibungsantrag entsprochen hat.
Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinie
Die Änderungen in der Bedarfsplanung durch die Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20.12.2012, in Kraft getreten zum 01.01.2013, betreffen u. a. die Gebietskulisse der Bedarfsplanung. Der Mittelbereich, die Kreisregion und die Raumordnungsregion in der Abgrenzung des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung haben neben den bekannten räumlichen Zuordnungen wie Landkreis oder kreisfreie Städte Einzug in die Bedarfsplanung erhalten. Die Tätigkeit des vertragsärztlichen Radiologen unterfällt nach § 13 Bedarfsplanungs-Richtlinie der spezialisierten fachärztlichen Versorgung – nicht zu verwechseln mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung im Sinne des § 116b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Für die Radiologen gilt nach § 13 Abs. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie die Raumordnungsregion. Dieser Bereich umfasst regelmäßig mehrere Landkreise, so umfasst z. B. die Raumordnungsregion Hamburg-Umland-Süd die Landkreise Harburg, Stade und Rotenburg / Wümme. Die Städte Bremen, Hamburg und Berlin sind eigene Raumordnungsregionen und für das Ruhrgebiet gelten besondere Regelungen. Die erstmalig eingeführte Bedarfsplanung bei den häufigen Gemeinschaftspraxispartnern der Radiologen, den Nuklearmedizinern und den Strahlentherapeuten, die nach § 14 der Bedarfsplanungs-Richtlinie zur gesonderten fachärztlichen Versorgung gehören, erstreckt sich nach § 14 Abs. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie auf den gesamten Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung. Bei diesen Arztgruppen sind Verlegungen im gesamten Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung möglich, sofern Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Sitzverlegung nicht entgegenstehen. Für die vertragsärztlich tätigen Radiologen bestehen diese Verlegungsmöglichkeiten dagegen nur innerhalb der Raumordnungsregion.
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Zustimmung zur Ausschreibung einer radiologischen Zulassung
Aufgrund des Versorgungsstrukturgesetzes, dessen wesentliche Vorschriften bereits zum 01.01.2012 in Kraft traten, trat die Einführung des § 103 Abs. 3a SGB V erst zum 01.01.2013 in Kraft. Diese gesetzliche Regelung wird Versuche bestärken, einen Nachfolger einer radiologischen Praxis möglichst ohne Nachbesetzungsverfahren zu einer Zulassung zu verhelfen und zugleich die Praxis zu veräußern. Nach § 103 Abs. 3a SGB V entscheidet der Zulassungsausschuss über den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens eines abgabewilligen Vertragsarztes, bevor es zu einer Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in einem KV-Journal kommt. Wird die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens durch den Zulassungsausschuss abgelehnt, erfolgen der Einzug der Zulassung und eine wirtschaftliche Entschädigung des Vertragsarztes in Höhe des Verkehrswertes durch die Kassenärztliche Vereinigung. Sinn der Vorschrift soll sein, dass die Überversorgung abgebaut wird. Woher die Kassenärztliche Vereinigung das Geld für die Zahlung der Entschädigung nehmen soll, regelte der Gesetzgeber mit der Einführung der Vorschrift nicht. Nicht weniger unpräzise regelte der Gesetzgeber die Frage, ob der Zulassungsausschuss auch im Falle eines Antrages auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens in einer Berufsausübungsgemeinschaft über den Antrag auf Durchführung zu entscheiden hat. Nach seinem Wortlaut findet § 103 Abs. 3a SGB V nur auf eine Einzelpraxis Anwendung. § 103 Abs. 6 SGB V regelt dagegen das Nachbesetzungsverfahren in einer Berufsausübungsgemeinschaft. In dieser Vorschrift erfolgt kein Verweis auf die entsprechende Anwendung des Absatzes 3a, sondern nur auf die Absätze 4 und 5, sodass eine Entscheidung des Zulassungsausschusses über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nicht erforderlich sein dürfte. In den Gründen, die der Gesetzgebung zugrunde liegen, heißt es allerdings, dass bei einer Entscheidung über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens durch den Zulassungsausschuss die Interessen der verbleibenden Praxispartner angemessen berücksichtigt werden sollen. Je nach Handhabung der Zulassungsausschüsse wird es in kürzester Zeit erste Entscheidungen über diese Rechtsfrage durch die Sozialgerichte geben müssen.
Im Weiteren soll es weniger um die rechtliche Frage der Entschädigung für eine eingezogene Zulassung gehen, die von einiger Brisanz ist, sondern um den zeitlichen Aspekt, der mit der zusätzlichen das Nachbesetzungsverfahren einleitenden Entscheidung des Zulassungsausschusses verbunden ist. Derzeit ist damit zu rechnen, dass ein durchschnittliches Nachbesetzungsverfahren z. B. in Hamburg ungefähr ein dreiviertel Jahr in Anspruch nehmen wird, bis ein Nachfolger bestimmt wurde. Für einen Vertragsarzt und einen häufig seitens des abgebenden Arztes gesuchten und gefundenen Bewerber ist das ein kaum zumutbarer zeitlicher Rahmen für die Verfahrensdurchführung. Die Selbstverwaltung könnte diese Belastung für ihre Mitglieder selbst entschärfen, wenn die Sitzungen der Zulassungsausschüsse wie z. B. in Mecklenburg-Vorpommern alle 2 Wochen erfolgen würde und nicht seltener als bei den meisten Zulassungsausschüssen. Daneben wäre es möglich, die Sitzungstermine mit den Druckterminen der KV-Journale abzustimmen, um nicht aufgrund einer misslungenen Termintaktung einen Monat alleine deswegen zu verlieren, weil der Erscheinungstermin des KV-Journals unmittelbar vor dem Sitzungstermin des Zulassungsausschusses liegt und der nächste, erreichbare Drucktermin erst im nächsten Monat ansteht.
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Missbrauch des Nachbesetzungsverfahrens
Aufgrund der sozialrechtlichen Ausgangslage und den vorstehend beschriebenen Änderungen überrascht es nicht, wenn die Versuche, dass Nachbesetzungsverfahren möglichst vollständig zu umgehen, weiter zunehmen werden.
In einigen Nachbesetzungsverfahren über Einzelpraxen zeigte sich, dass sich, insbesondere nach der Aufhebung der Altersgrenze für Vertragsärzte, Bewerber für Zulassungen meldeten, denen man nur schwerlich abnehmen konnte, dass diese ernsthaft auf Dauer die vertragsärztliche Tätigkeit ausüben wollten. Solche Bewerber schlossen mit einer bestehenden Praxis zugleich einen Gesellschaftsvertrag ab oder verzichteten zugunsten einer Anstellung auf die vertragsärztliche Tätigkeit bei einem Vertragsarzt oder einem Medizinischen Versorgungszentrum. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied (Urteil vom 12.09.2012, Az.: L 7 KA 70/11, nicht rechtskräftig, Revision beim BSG anhängig, Az.: B 6 KA 49/12 R), dass bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in einem gesperrten Planungsbereich eine Missbrauchskontrolle durch den Zulassungsausschuss zulässig und ggf. auch geboten ist. Hintergrund war ein Sachverhalt, in dem die Erklärung einer verbliebenen Partnerin einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, nur mit einer über 70-jährigen Bewerberin, die seit 7 Jahren im Ruhestand war, zusammen arbeiten zu wollen, vorlag. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wich von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.12.2011, Az.: B 6 KA 13/11 R) ab, nach der im Falle der Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes in einer Gemeinschaftspraxis zur Nachbesetzung kein Arzt zugelassen werden kann, der nicht in der Gemeinschaftspraxis tätig werden will. In Fällen des Missbrauchs komme eine Durchbrechung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Betracht, wenn die Gründung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft nur deshalb erfolgte, damit die Nachbesetzung einer Einzelpraxis umgangen werden soll und auf diesem Wege auf die Auswahl des Nachfolgers stärkerer Einfluss genommen werden soll.
Die Missbrauchskontrolle wird in entsprechend gelagerten Fällen dazu führen, dass ein anderer Bewerber, als der Wunschkandidat, seitens des Zulassungsausschusses ausgewählt wird.
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Festlegung des Verkehrswertes durch den Zulassungsausschuss
Für den eine vertragsärztliche radiologische Praxis abgebenden Vertragsarzt und den sich um die Zulassung bewerbenden Arzt ist der Praxiswert ein entscheidendes Kriterium. Im Nachbesetzungsverfahren kommt dem Praxiswert regelmäßig nur eine geringe Rolle zu. In § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V heißt es, dass die wirtschaftlichen Interessen des abgebenden Vertragsarztes oder seiner Erben nur bis zur Höhe des Verkehrswertes zu berücksichtigen sind. Jeder Bewerber, der sich verpflichtet, den Verkehrswert zu zahlen, wird daher den übrigen Bewerbern bevorzugt, die nicht zu dieser Zahlung bereit sind. Eine höhere Zahlungsbereitschaft ist für die Auswahl durch den Zulassungsausschuss unerheblich, für den abgebenden Vertragsarzt aber gemeinhin von wesentlicher Bedeutung. Um ein Nachbesetzungsverfahren zu steuern und den Wunschbewerber zu einer Zulassung zu verhelfen, werden gelegentlich überhöhte Praxiswerte in den Kaufverträgen vereinbart. Potentielle Bewerber schrecken solche überhöhten Kaufpreisforderungen schnell ab; zumal bei finanzierten Praxiskäufen die Banken nicht (mehr) zu solchen wirtschaftlich riskanten Käufen beitragen. Allerdings ist nach § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V nicht der Wunschpreis des abgebenden Arztes oder seiner Erben maßgeblich, sondern alleine der Verkehrswert. Wenn in einem Zulassungsverfahren der Verdacht aufkommt, dass der Kaufpreis überhöht ist und eher dem Ausschluss potenzieller Bewerber dient, kann der Zulassungsausschuss seinerseits den Verkehrswert festsetzen. Dafür besteht allerdings nach dem Bundessozialgericht (Urteil vom 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R) dann kein Raum, wenn der ausscheidende Vertragsarzt sich mit allen Bewerbern über einen Kaufpreis geeinigt hat. Als Ermittlungsmethode erachtet dabei das Bundessozialgericht eine modifizierte Ertragswertmethode als grundsätzlich geeignet. Zu beachten ist, dass die Sozialgerichte die Verkehrswertermittlung der Zulassungsgremien voll überprüfen können, was in der Regel durch einen öffentlich vereidigten und bestellten Sachverständigen zur Bewertung von Arztpraxen erfolgt.
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Gemeinschaftspraxis – Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Praxispartner
Im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens, das durchgeführt werden soll, wenn ein Vertragsarzt auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtet, hatten nicht nur die vertragsärztlich tätigen Radiologen, sondern auch die Zulassungsgremien erkannt, dass ein erhebliches Risiko in den Nachbesetzungsverfahren bestand, wenn der Vertragsarzt bereits am Beginn des Verfahrens auf seine Zulassung verzichten musste. Eine beachtliche Zahl von Konstellationen trat ein oder war denkbar, in denen der abgabewillige Vertragsarzt das Nachbesetzungsverfahren stoppen musste oder aus wirtschaftlichen Gründen stoppen sollte. Dies konnte aber nur gelingen, wenn der abgabewillige Vertragsarzt den Verzicht auf seine radiologische vertragsärztliche Zulassung noch nicht erklärt hatte. Daher hat sich, wenn auch in unterschiedlichen Formen innerhalb der Zulassungsausschüsse, ein Prozedere entwickelt, in dem der Vertragsarzt seinen Verzicht nur anzukündigen braucht und den Verzicht sodann erst in dem Termin, in dem über seine vertragsärztliche Zulassung entschieden werden soll, den Verzicht tatsächlich erklärt oder der Verzicht steht unter der Bedingung einer bestandskräftigen Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes. Unzulässig ist nach der Rechtsprechung die Bedingung, dass der Verzicht nur abgegeben werde, wenn ein namentlich bezeichneter Nachfolger zugelassen werde, weil dies das Nachbesetzungsverfahren vollständig untergraben würde. Die rechtliche Problematik rührt daher, dass der Verzicht im Zivilrecht als bedingungsfeindlich gilt und daher, wenn er mit einer Bedingung versehen wird, als nicht erfolgt angesehen wird. Das vorbeschriebene Vorgehen soll dem Vertragsarzt die Verwertungsmöglichkeit seiner Zulassung erhalten und somit dessen Eigentum schützen.
Findet das Nachbesetzungsverfahren im Rahmen einer bestehenden Gemeinschaftspraxis statt, hat nicht nur der abgebende und ausscheidende vertragsärztlich tätige Radiologe ein Interesse an einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung der Zulassung und des Praxisanteils, sondern die verbleibenden Partner haben ein eigenes Interesse an dem Erhalt und Fortbestand der Gemeinschaftspraxis. Es gilt nicht nur den ausscheidenden Vertragsarzt, sondern auch die verbleibenden Vertragsärzte zu schützen. § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V verlangt daher, dass in einem Nachbesetzungsverfahren die Interessen der verbleibenden Praxispartner angemessen zu berücksichtigten sind. In seinem Urteil vom 14.12.2011 entschied das Bundessozialgericht (Az.: B 6 KA 13/11 R), dass nur ein Arzt in dem Fall eines Nachbesetzungsverfahrens einer Gemeinschaftspraxis zugelassen werden kann, der gewillt ist, in der Gemeinschaftspraxis tätig zu werden. Ein Bewerber in einem Nachbesetzungsverfahren einer Gemeinschaftspraxis, der zu keinem Zeitpunkt Verbindung zu den verbleibenden Partnern aufnimmt, um die zukünftige Zusammenarbeit zu erörtern, bewirbt sich nach Auffassung des Bundessozialgerichts nicht um eine vertragsärztliche Zulassung in einer Gemeinschaftspraxis. Einem solchen „Bewerber“ unterstellt die Rechtsprechung, dass dieser zwar die Zulassung erhalten will, aber nach dem Erhalt der Zulassung zeitnah einen Verlegungsantrag stellen wird und die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht fortsetzen will. Faktisch gelangt regelmäßig in einem Nachbesetzungsverfahren innerhalb einer Gemeinschaftspraxis nur der Bewerber zu einer Zulassung, der einen Beitrittsvertrag zu der Gemeinschaftspraxis nachweisen kann.
Hinsichtlich des Zeitraums, über den Bestand der Gemeinschaftspraxis nach oder aufgrund einer Nachbesetzung erhalten bleiben soll, äußerte das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 05.11.2003 (B 6 KA 11/03 R), dass die Berufsausübungsgemeinschaft nicht bei der nächsten gesellschaftsvertraglich zulässigen Gelegenheit beendet wird soll. Darüber hinaus müsse der Nachfolger nach einer jüngeren Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.10.2011 (Az.: B 6 KA 20/11 R) gewillt sein, langfristig an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.
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Fehlerhafte Gesellschaft im Nachbesetzungsverfahren
Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.06.2010 (Az.: B 6 KA 7/09 R) wurde es fraglich, ob die Interessen der verbleibenden Gemeinschaftspraxispartner zu berücksichtigen sind, wenn der ausscheidende Vertragsarzt nach Ausfassung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis geworden war und eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt wurde. Ausgangspunkt des Urteils vom 23.06.2010 war für das Bundessozialgericht ein Verfahren über die sachlich-rechnerische Berichtigung einer radiologischen Praxis, die nach den Zulassungs- und Genehmigungsbescheiden als Gemeinschaftspraxis bestand, in der aber ein Gesellschafter tatsächlich als freier Mitarbeiter tätig war, weil er die Kriterien für einen Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft nicht erfüllte. Im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtung forderte die Kassenärztliche Vereinigung von den beteiligten radiologischen Vertragsärzten einschließlich des Juniorpartners rund 880 000,- Euro Honorar zurück. Hieraus resultierte die Rechtsfrage, wie in einem Nachbesetzungsverfahren über eine solche Gemeinschaftspraxis, die nicht selten noch heute besteht, zu verfahren ist. Nach § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V werden die Interessen der in einer Gemeinschaftspraxis verbliebenen Partner berücksichtigt, wenn ein Partner ausscheidet. Nach der vorstehenden Entscheidung stellten sich Bewerber, die nicht gewollt waren, in der Gemeinschaftspraxis tätig zu werden, sondern sich mit der Zulassung einer anderen Praxis anschließen wollten, auf den Standpunkt, dass nicht über eine Nachbesetzung innerhalb einer Gemeinschaftspraxis zu entscheiden wäre, sondern über eine Einzelzulassung, weil die Voraussetzungen einer Gemeinschaftspraxis nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht vorgelegen hätten. Das Bundessozialgericht stellte allerdings klar, dass der formale Zulassungsstatus durch die Rechtsprechung über die sachlich-rechnerische Berichtigung nicht verändert wird. Die Zulassungsgremien sind und bleiben an die Zulassungsentscheidung gebunden, sodass in dem Nachbesetzungsverfahren die Interessen der verbleibenden Partner zu berücksichtigen sind.
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Fazit
Die Änderungen durch das Versorgungsstrukturgesetz und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bieten gute Chancen für den abgebenden radiologischen Vertragsarzt und einen bevorzugungswürdigen Nachfolger, dass letzterer die vertragsärztliche Zulassung erhält und die radiologische Praxis oder einen Gesellschaftsanteil an einer radiologischen Praxis übernehmen kann. Entscheidend für ein Gelingen eines solchen Vorhabens ist, dass frühzeitig mit der Planung der Schritte gegenüber dem Zulassungsausschuss begonnen wird und die Termine des Zulassungsausschusses frühzeitig bekannt sind. Die Sorge in radiologischen Praxen, bei denen ein Scheingesellschafter seine vertragsärztliche Zulassung ausschreiben soll, dass die Interessen der verbleibenden Partner unberücksichtigt bleiben könnten, weil die Gesellschaft nicht korrekt besteht, sind zulassungsrechtlich unbegründet. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die Kassenärztliche Vereinigung kann indes nicht ausgeschlossen werden. Da es aber für das Zulassungsverfahren auf die Altverträge für den Zulassungsausschuss nicht ankommt, ist nicht zu erkennen, dass ein Nachbesetzungsverfahren seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen zum Anlass genommen wird, die Gesellschafterstruktur zu überprüfen. Bewerber, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass diese nur kurzfristig den Versorgungsauftrag, um den sie sich beworben haben, wahrnehmen wollen, haben wenig Chancen auf eine vertragsärztliche Zulassung. Allerdings müsste der Zulassungsausschuss im Streitfalle den begründeten Verdacht nachweisen können, was nicht ohne Weiteres gelingen wird und somit die Gefahr einer Amtshaftung dem Zulassungsausschuss droht. Bei Bewerbern, die erst gar nicht mit den in einer Gemeinschaftspraxis verbliebenen Partnern Kontakt aufnehmen, bestehen annähernd keine Chancen, dass diese die begehrte radiologische Zulassung erhalten. Ob durch die Zulassungsausschüsse die Durchführung von Nachbesetzungsverfahren verhindert werden, die im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis oder eines Medizinischen Versorgungszentrums erfolgen, wird letztlich durch die Sozialgerichte entschieden werden. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Interessenlage der verbleibenden Praxispartner im Nachbesetzungsverfahren berücksichtigt werden muss, dürfte eine Verweigerung der Nachbesetzung durch den Zulassungsausschuss regelmäßig rechtswidrig sein und vor dem Hintergrund der Amtshaftung des Zulassungsausschusses für eine rechtswidrige Entscheidung nicht zu befürchten sein.
René T. Steinhäuser
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