- Anmerkung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 14.01.2013 - Az.: 16 Sa
1213/12) -
Einführung
Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Honorarärzten in Krankenhäusern ist auf
Grund der damit verbundenen nicht nur arbeitsrechtlichen, sondern auch sozialversicherungsrechtlichen
sowie steuerrechtlichen Konsequenzen in der Praxis von großer Bedeutung. So können
sich aus der arbeitsrechtlichen Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft eines Honorararztes
Rechtsfolgen wie die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, des Bundesurlaubsgesetzes
oder von Tarifverträgen ergeben. Bei einer Einstufung der honorarärztlichen Tätigkeit
als sozialversicherungspflichtig können Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken, Renten
und Pflegeversicherung, sowie zur Unfallversicherung anfallen. Steuerrechtlich gesehen
stellt sich die Frage der Abführung von Lohnsteuer.
Mit der aktuellen Neuregelung des § 2 Abs. 1 KHEntgG, durch die nunmehr festgeschrieben
wird, dass Krankenhausleistungen auch durch nicht am Krankenhaus angestellte Ärzte
erbracht werden können, hat der Gesetzgeber auf die divergierende Rechtsprechung der
Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit reagiert und klargestellt,
dass grundsätzlich die Erbringung und Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen
nicht vom Status des ärztlichen Personals im Krankenhaus abhängt (vgl. Gesetzesbegründung,
BT-Drs. 17/9992, S. 26). Auch wenn nach dieser gesetzgeberischen Tätigkeit die Frage
der Arbeitnehmereigenschaft des Honorararztes unter krankenhausrechtlichen Gesichtspunkten
keine entscheidende Rolle mehr spielen mag, so wird sich die arbeitsgerichtliche sowie
sozialgerichtliche Rechtsprechung auch zukünftig weiterhin mit der Problemstellung
auseinandersetzen müssen.
Ein aktuelles Beispiel ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hessen vom 14.01.2013
- Az.: 16 Sa 1213/12, welches in dem konkret zu entscheidenden Einzelfall die Arbeitnehmereigenschaft
eines als Honorararzt in einem Krankenhaus tätigen Radiologen verneint hat. Anhand
der Entscheidungsgründe des LAG sollen nachfolgend die aus arbeitsrechtlicher Sicht
für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft wesentlichen Merkmale herausgearbeitet
werden.
Arbeitnehmerbegriff des BAG
Arbeitnehmerbegriff des BAG
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist der durch die ständige Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelte Arbeitnehmerbegriff, wonach Arbeitnehmer
im arbeitsrechtlichen Sinn derjenige ist, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages
im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in
persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Wie das LAG Hessen in seinen Entscheidungsgründen
ausführt, ist die geschuldete Leistung dabei im Rahmen einer von Dritten bestimmten
Arbeitsorganisation zu erbringen.
Die Einordnung als Arbeitnehmer werde, so das LAG Hessen, insbesondere dadurch geprägt,
dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht seines Vertragspartners (des Arbeitgebers)
hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit unterliegt. Ein
Arbeitnehmer könne seine Tätigkeit und Arbeitszeit nicht frei gestalten, was demgegenüber
jedoch wesentliches Charakteristikum des Selbstständigen sei.
Wie das LAG Hessen noch einmal hervorhebt, kommt es für die Frage, ob Selbstständigkeit
oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, nicht auf den Wortlaut der vertraglichen
Vereinbarung, sondern allein auf den tatsächlich gelebten Geschäftsinhalt an.
Tätigkeit in Räumlichkeiten des Krankenhauses kein Indiz für Arbeitsverhältnis
Tätigkeit in Räumlichkeiten des Krankenhauses kein Indiz für Arbeitsverhältnis
Bezogen auf den konkret zu entscheidenden Fall sprach nach Ansicht des LAG Hessen
die Tatsache, dass der Honorararzt seine Tätigkeit örtlich gesehen nur im Krankenhaus
ausüben konnte, nicht zwingend für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft. Dies
entspreche der Tätigkeit eines freiberuflichen Belegarztes, der auch die Räumlichkeiten
eines Krankenhauses nutze und mit den dortigen Mitarbeitern zusammenarbeite. Ebenso
sei es unbeachtlich, dass die Tätigkeit des Honorararztes zuvor durch einen angestellten
Arzt ausgeübt wurde.
Tageshonorar indiziert kein zeitliches Direktionsrecht
Tageshonorar indiziert kein zeitliches Direktionsrecht
Darüber hinaus weist das LAG Hessen in seiner Entscheidung darauf hin, dass ein vereinbartes
Tageshonorar (im vorliegenden Fall 1.000 Euro) kein Direktionsrecht in zeitlicher
Hinsicht bedeute. Dies gelte insbesondere auch dann nicht, wenn verbunden mit dem
Tageshonorar ein Zeitfenster für die Tätigkeit, beispielsweise „max. 8 bis 16:00 Uhr,
für Überstunden der durchschnittliche Stundensatz“, vereinbart wurde. Dadurch würde
nicht die zeitliche Lage der Arbeitszeit verbindlich festgeschrieben, sondern vielmehr
nur geregelt, für welche Tätigkeitsdauer das Tageshonorar anfallen solle. Selbst bei
der Annahme einer Regelung der täglichen Dienstzeit, handele es sich dabei nicht um
ein einseitiges Direktionsrecht des Arbeitnehmers, sondern um eine entsprechende einvernehmliche
vertragliche Vereinbarung.
Bemühung um Zuweiserstrukturen
Bemühung um Zuweiserstrukturen
In dem vom LAG Hessen zu entscheidenden Fall oblag es dem Honorararzt u.a., die Zuweiserstrukturen
des Krankenhauses auszubauen. Dazu hatte der Radiologe Kontakt zu möglichen zuweisenden
Ärzten aufgenommen, sich ihnen vorgestellt und um Zuweisung von Patienten gebeten.
Das LAG Hessen wertet diese Tätigkeit nicht als eine Stabsfunktion, die nur von Arbeitnehmern
des Krankenhauses wahrgenommen werden könne.
Unbefristeter Honorararztvertrag möglich
Unbefristeter Honorararztvertrag möglich
Schließlich sieht das LAG Hessen zudem kein Argument für ein Arbeitsverhältnis darin,
wenn die Vereinbarung zwischen Honorararzt und Krankenhaus unbefristet abgeschlossen
wird. Durch eine unbefristete Gestaltung ergebe sich kein zwingender Hinweis für eine
persönliche Abhängigkeit des Honorararztes.
Fazit
Das dargestellte Urteil des LAG Hessen zeigt mögliche Gestaltungsvarianten im Rahmen
von Honorararztvereinbarungen auf, die aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht zur Annahme
einer Scheinselbstständigkeit und damit eines Arbeitsverhältnisses bei honorarärztlichen
Strukturen führen. So spreche insbesondere ein an bestimmte Arbeitszeiten geknüpftes
Tageshonorar, die unbefristete Vertragsgestaltung und die Aufgabe des Aufbaus von
Zuweiserstrukturen nicht zwingend für eine Arbeitnehmereigenschaft des Honorararztes.
Wie bereits einleitend erwähnt, ist jedoch bei der statusrechtlichen Einordnung von
Honorarärzten neben der arbeitsrechtlichen Betrachtung auch das Sozialversicherungsrecht
zu beachten. Dabei sind die Sozialgerichte bei der Prüfung sozialrechtlicher Fragestellungen
nicht an die arbeitsrechtliche Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft gebunden, so
dass voneinander abweichende Beurteilungen der beiden Gerichtsbarkeiten im Hinblick
auf die Statusfrage von Honorarärzten denkbar sind. Unter sozialversicherungsrechtlichen
Gesichtspunkten hängt die Statusentscheidung vorrangig davon ab, inwiefern der Honorararzt
in die fremde Arbeitsorganisation eingebunden ist und inwieweit der Honorararzt selbst
ein nennenswertes unternehmerisches Risiko trägt. So sehen die Sozialgerichte z.B.
eine Vergütung auf Stundenbasis, die Aufnahme des Honorararztes in Dienstpläne oder
die regelmäßige Tätigkeit an bestimmten Tagen in der Woche als Indiz für eine abhängige
Beschäftigung an (vgl. SG Münster, Urt. v. 18.12.2012 - Az.: S 14 R 180/12).
Zur Vollständigkeit sei an dieser Stelle auf ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts
(LSG) Stuttgart vom 17.04.2013 (Az.: L 5 R 3755/11) hingewiesen, in welchem das LSG
Stuttgart nicht nur die grundsätzliche Zulässigkeit der honorarärztlichen Tätigkeit
im Krankenhaus in Frage stellt, sondern darüber hinaus zumindest die Niederlassung
des Arztes als zwingende Voraussetzung für die selbstständige Tätigkeit als Honorararzt
im Krankenhaus fordert. Nach Ansicht des LSG Stuttgart beziehe sich der neue Wortlaut
des § 2 Abs. 1 KHEntgG, wonach Krankenhausleistungen auch Behandlungen durch nicht
fest angestellte Ärztinnen und Ärzte sind, allein auf Ärzte im zeitlich befristeten
Arbeitsverhältnis und nicht auf gar nicht angestellte bzw. niedergelassene Ärzte.
Diese Auslegungsweise widerspricht jedoch dem bereits einleitend erwähnten Willen
des Gesetzgebers und dem eindeutigen Wortlaut der Gesetzesbegründung. Es bleibt abzuwarten,
inwiefern dieses Urteil des LSG Stuttgart einer Überprüfung im Revisionsverfahren
vor dem Bundessozialgericht (BSG) Stand hält.
Die aktuelle arbeitsgerichtliche sowie sozialgerichtliche Rechtsprechung machen deutlich,
dass trotz der jüngsten gesetzgeberischen Entwicklungen die honorarärztliche Tätigkeit
im Krankenhaus weiterhin eine Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen aufwirft, die
auch in Zukunft weiterhin einzelfallabhängig zu beurteilen sein werden. Im Rahmen
der vertraglichen Ausgestaltung einer selbstständigen honorarärztlichen Tätigkeit
sollte darauf geachtet werden, dass der Honorararzt nach dem individuellen Bedarf
und nicht regelmäßig wiederkehrend beauftragt wird. Insbesondere sollten regelmäßige
Beauftragungen nicht in einem Rahmenvertrag festgehalten werden.
Urs Frigger, Rechtsanwalt
Dr. Ulrike Tonner, Rechtsanwältin
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