Psychiatr Prax 2012; 39(04): 195-196
DOI: 10.1055/s-0032-1320109
Media Screen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abschiedsrituale:
Lernen, leichter loszulassen

Contributor(s):
Melanie Lang
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 June 2012 (online)

 
Zoom Image

Das Buch "Abschiedsrituale" von Onno van der Hart, einem der führenden europäischen Traumaforscher, in den Niederlanden herausgegeben, wurde im Jahr 2010 in die deutsche Sprache übersetzt.

Das Buch ist nach der Einleitung in drei Teile gegliedert, denen ein Epilog folgt.

Jeder von uns hat wahrscheinlich schon einmal in seinem Leben einen Verlust erfahren, sei es durch Tod oder Scheidung, oder andere traumatische Erlebnisse. Wenn es dann nicht gelingt, quasi mit einem Kapitel des Lebens abzuschließen – damit ist nicht Verdrängen gemeint, sondern ein Aufarbeiten und Auseinandersetzen – muss oft therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.

In dem Buch "Abschiedsrituale" wird ein besonderer therapeutischer Ansatz aufgezeigt, um mit den quälenden Erinnerungen abschließen zu können. Hierbei verabschiedet sich der Klient von sogenannten Kernsymbolen, die seine Erinnerung repräsentieren und die dann zum Beispiel begraben werden. Andere schreiben Fortsetzungsbriefe, die nach Beendigung verbrannt werden können oder trennen sich von Erinnerungsstücken, die immer mehr zu einer Belastung im Alltag wurden.

Wichtig ist eine gute Vorbereitung und Begleitung durch den zuständigen Therapeuten, um durch ein abschließendes Ritual des Abschiedsnehmens einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können.

Dazu kann der Klient das Erlebte ausführlich beschreiben und zu Papier bringen, er kann aber auch Gegenstände auswählen die das traumatische Erlebnis symbolisieren. Von diesen Symbolen oder seiner eigenen Beschreibung des Geschehens nimmt er dann rituell Abschied – beispielsweise indem er das Papier oder anderweitige Objekte verbrennt, begräbt oder insWasser wirft.

Auch für einen Laien ist dieses Buch sehr interessant zu lesen, insbesondere sind die zahlreichen Fallbeispiele, aufschlussreich, die aufzeigen wie vielfältig Rituale eingesetzt werden können und dass der Abschied eine höchst individuelle Sache ist.

Es geht in diesem, für alle Therapeuten und Seelsorger empfohlenen Buch, nicht nur um den Abschied im Zusammenhang mit erlebtem und erfahrenem Tod etwa von Angehörigen –, sondern es geht auch um Abschiedsrituale im Zusammenhang von Misshandlungen oder posttraumatischen Störungen.

Anhand von Beispielen aus der Praxis und mit Übungen verbunden, zeigen die Autoren konkret worauf es ihnen vor allem ankommt: "Der Klient nimmt Abschied von einem Gegenstand, der einem verstorbenen geliebten Menschen oder auch dem Täter gehört, oder er distanziert sich von einem Symbol, das mit den betreffenden Personen oder mit der emotional belasteten Situation assoziiert ist. Durch ein solches Ritual kann der Betroffene ein neues Leben nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen beginnen." Die Autoren greifen dabei auf einen reichen Schatz an Traditionen aus den Mythen und Religionen dieser Welt zurück und zeigen dem Leser, wie man Abschlussrituale erfolgreich in die therapeutische Praxis integrieren kann.

Melanie Lang, Ravensburg
E-Mail: melanie.lang@zfp-zentrum.de