Psychiatr Prax 2012; 39(04): 197
DOI: 10.1055/s-0032-1320111
Mitteilungen der BDK
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Patient als Partner: Spannungsfeld zwischen Autonomie und Gesetzgebung – Frühjahrstagung 2012 der Bundesdirektorenkonferenz –

Martin Driessen
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Publication Date:
22 June 2012 (online)

 
 

    Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Thomas Pollmächer, Ingolstadt

    Die diesjährige Frühjahrstagung fand vom 19.–20. April nach Einladung von H. Fleischmann im Bezirkskrankenhaus Wöllershof, Bayern, statt.

    Das Schwerpunktthemawar vor dem Hintergrund der zunehmenden rechtlichen Betonung der Patientenautonomie und insbesondere der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 gewählt worden. Die höchstrichterliche Entscheidung hat bundesweit zu Diskussionen über die Rechtmäßigkeit von Zwangsbehandlungen nicht nur im Maßregelvollzug, sondern auch in der stationären psychiatrischen Regelversorgung geführt. Viele psychiatrisch Tätige erleben die Rechtsunklarheit, die sie nicht davor schützt, im Alltag oft weitreichende Entscheidungen treffen zu müssen, als stark belastend.

    M. Koller, Richter am Landgericht Göttingen, stellte in seinem Übersichtsreferat die Rechtslage ausführlich dar und arbeitete heraus, dass das BVerfG Zwangsbehandlungen nicht grundsätzliche verbiete, aber die Grenzen ihrer Zulässigkeit neu ziehe und an dezidierte Bedingungen knüpfe: Es müsse ein definierter materieller d. h. inhaltlicher Grund vorliegen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse streng beachtet werden, die Bundesund Landesgesetze müssten die Bedingungen klar formulieren und es müssten explizite Verfahrensregeln existieren. Die beiden letzten Bedingungen seien in den bestehenden Landesgesetzen meist nicht erfüllt, sodass derzeit für die Betroffenen und die Kliniken rechtsunklare Situationen entstünden. Gefordert seien nun die Gesetzgeber, hier eine schnelle Klärung – und damit wieder Rechtssicherheit – herbeizuführen.

    J. Hübner, BAG der Träger psychiatrischer Kliniken, bestätigte diese Bewertung und führte die potenziellen Folgen für Ärztliche Berufsordnung und sozialrechtliche Regelungen aus (z. B. welcher Kostenträger ist zuständig, wenn die Kliniken Patienten unterbringen müssen, aber nicht behandeln dürfen?). Beide Referentenwaren sich einig, dass die UN-Behindertenrechtskonvention einer Unterbringung, aber auch einer Zwangsbehandlung nicht grundsätzlich entgegenstehe, da diese gerade zum Ziel habe, den Patienten wieder zu einem Zustand zu verhelfen, dass er autonom entscheiden könne. Anders sehe es wiederum aus,wenn der Patient im Zustand der Fähigkeit zur freien Willensbildung verfüge, in einem künftigen, nicht einwilligungsfähigen Zustand auch nicht behandelt werden zu wollen. In diesem Fall dürfe auch nicht behandelt werden (siehe auch Patientenrechtegesetz).

    P. Brieger, Bezirkskrankenhaus Kempten, stellte Daten vor, die sich mit der Entwicklung von Unterbringungen nach den Landesunterbringungsgesetzen (PsychKG) und dem Betreuungsrecht (BGB) beschäftigen. Zum einen führen unterschiedliche Ländergesetze sowie die regional unterschiedliche Handhabung von Bundesgesetzen zu unterschiedlichen Unterbringungsraten, zum anderen scheinen die Unterbringungszahlen zumindest in einigen Bundesländern leicht zu steigen. Andere Entwicklungen sind in Deutschland, in England und den Niederlanden deutlich erkennbar: Während die Zahl psychiatrischer Betten abnahm, stieg die Zahl der Haftinsassen, der Patienten des Maßregelvollzugs und der Bewohner von Heimen.

    Neben dieser besorgniserregenden Entwicklung gibt zu denken, dass die Häufigkeit von Zwangsmaßnahmen in deutschen psychiatrischen Kliniken erheblich varriiert, ohne dass dies primär durch Patientenmerkmale erklärbar wäre. Möglicherweise spielen die versorgungsrelevanten Kontextunterschiede hier eine erhebliche Rolle, also unterschiedlich ausgebildete gemeindepsychiatrische Versorgungssysteme und ambulante Kriseninterventionsmöglichkeiten.

    Zusammenfassend zeigten die Vorträge, dass die Themenfelder einer intensiven Beachtung sowie dringender gesetzlicher Klarstellungen bedürfen. Herr Möhrmann, Stellv. Vors. des BApk, ergänzte aus Sicht der Angehörigen, diese intensiv mit einzubeziehen.

    An den wissenschaftlichen Teil schloss sich die Mitgliederversammlung an. In ihrem Bericht des Vorstandes stellte die Vorsitzende Iris Hauth die Entwicklung der BDK in den letzten 12 Jahren dar und unterstrich den bereits mit W. Weig und M. Wolfersdorf begonnenen, von L. Adler und dann Iris Hauth energisch weitergeführten Paradigmenwechsel im Selbstverständnis der BDK von einem lockeren Plauderclub hin zu einem gesundheitspolitisch wahrgenommenen Verband.

    Nach Entlastung des Vorstands fand die Wahl des neuen Vorstands statt. Wahlleiter war M. Wolfersdorf, Protokollführerin Frau Hanna Pflug, Wahlhelfer die Herren Brunnhuber und Putzhammer. Der Wahlleiter skizzierte kurz die Vorgaben aus der Satzung. Anwesend waren 65 stimmberechtigteMitglieder. AlsWahlmodus wurde offen per Akklamation gewählt (64 Ja, 1 Enthaltung). Nach Vorstellung der Kandidaten erfolgte die Abstimmung einzeln für den Vorsitz und den Schatzmeister, dann en bloc für die 5 weiteren Vorstandsmitglieder.

    Gewählt wurden:

    Vorsitzender Prof. Dr. Thomas Pollmächer, Ingolstadt (64 Ja, 1 Enth., 0 Nein), Schatzmeister Prof. Dr.Wolfgang Schreiber, Deggendorf (63 Ja, 2 Enth. 0 Nein), dann als Beisitzer Frau Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis- Mayfrank, Köln, Prof. Dr. Martin Driessen, Bielefeld, Dr. Felix Hohl-Radtke, Brandenburg, Dr. Manfred Koller, Göttingen, Prof. Dr. Gerhard Längle (60 Ja, 5 Enth., 0 Nein). Die Gewählten nahmen die Wahl dankend an. Als Kassenprüfer wurden gewählt Dr. Joachim Müller, Jericho und PD Dr. Thomas Kraus, Engelthal. Herr Pollmächer dankte dem alten Vorstand und besonders Frau Iris Hauth für ihre unermüdliche Arbeit für die BDK.

    Der Abend gehörte der "Altneihauser Feierwehrkapelln" und dem "Derblecken". Dank an H. Fleischmann!


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