Gesundheitswesen 2013; 75(06): e95-e100
DOI: 10.1055/s-0032-1321776
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zigarettenpreise, Tabaksteuern und der Anteil an Schmuggelzigaretten in Deutschland

Cigarette Prices, Tobacco Taxes and the Proportion of Contraband Cigarettes in Germany
T. Effertz
1   Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Hamburg
,
R. Schlittgen
2   Institut für Statistik und Ökonometrie, Universität Hamburg
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Publication Date:
29 August 2012 (online)

Zusammenfassung

Tabaksteuern gelten als wirksames Präventionsinstrument gegen das Rauchen und die daraus erwachsenen gesundheitlichen Kosten. Das stärkste Argument der Zigarettenindustrie gegen Tabaksteuererhöhungen ist das angebliche Ausweichen der Raucher auf nicht in Deutschland versteuerte Schmuggelzigaretten. Diese Behauptung stützt sich auf eine in Deutschland von der Zigarettenindustrie selbst in Auftrag gegebene Studie, die den Anteil nicht in Deutschland versteuerter Zigaretten untersucht, den Zusammenhang mit Zigarettenpreisen aber nicht betrachtet. Bislang ist es unterblieben, die dokumentierten Daten der Zigarettenindustrie einer genauen statistischen Analyse zu unterziehen. Dieser Artikel untersucht deshalb den Zusammenhang von „nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten“ und Preiserhöhungen von Tabakprodukten. Es lässt sich feststellen, dass keinerlei Zusammenhang zwischen Zigarettenpreisen und der Menge nicht in Deutschland versteuerter Zigaretten besteht. In den Quartalen, in denen die Menge versteuerter Zigaretten stark abgenommen hat, sank ebenfalls die Menge nicht versteuerter Zigaretten. Hieraus lässt sich schließen, dass insgesamt kein Ausweichen der Raucher auf nicht versteuerte Zigaretten als Folge von Preis- oder Steuererhöhungen seit 2005 stattgefunden hat. Diese Ergebnisse haben eine wichtige Implikation für Gesundheits- und Fiskalpolitik: Für das Argument der Tabakindustrie, höhere Steuern würden ein erhöhtes Schmuggelaufkommen bewirken, gibt es keine empirische Grundlage. Der Gesundheitspolitik bleibt somit das wirksame Instrument der Lenkungssteuer erhalten, ohne es durch einen vermeintlichen Anstieg an illegalen Zigaretten teuer erkaufen zu müssen.

Abstract

Taxes on tobacco products are among the most efficient instruments against tobacco consumption and the arising cost of illness associated with them. The main argument of the tobacco industry against increases of excise taxes on cigarettes is a presumed substitution effect of smokers turning from consumption of legal cigarettes to smuggled ones. Besides deriving this proposition from the tobacco industry’s own funded research, it has never been tested empirically. This article analyses the interdependence between contraband cigarettes and cigarette prices in Germany. Using VAR-modelling on the time-series of the variables of interest, we find no empirically valid correlation or causation between prices and untaxed contraband cigarettes. Furthermore, we find a positive relationship between contraband and legal taxed cigarettes, i. e., when the demand for legal cigarettes decreased in amount, so did the quantity of untaxed cigarettes. We conclude that the proposed relationship between prices and smuggled cigarettes as well as an overall substitution effect among smokers is non-existent. This has important implications for public health policy. The proposition that higher taxes on tobacco products incur social costs from increased smuggling activity cannot be corroborated empirically. Furthermore, this finding should encourage public health policy to keep using tobacco taxes as an instrument for prevention.