Bisher standen v.a. alte, funktionell eingeschränkte und komorbide Patienten bei der
ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) im Fokus der Forschung. Junge Patienten gerieten
dabei in Vergessenheit. Anhand der CAPNETZ-Datenbank wurden von nun altersspezifische
Charakteristika der CAP untersucht.
Eur Respir J 2012; 39: 1156–1161
In die CAPNETZ-Studie wurden im Zeitraum von Januar 2002 – Juni 2009 deutschlandweit
7803 ambulant und stationär behandelte CAP-Patienten eingeschlossen. Rund die Hälfte
der Patienten war jünger als 65 Jahre. Diese Patienten stellten sich häufiger mit
klassischen Symptomen wie Fieber (61,4 vs. 54,2 %) und Pleuraschmerzen (49 vs. 31,9
%) vor.
Stationäre vs ambulante Behandlung
Insgesamt verlief die CAP bei jungen Patienten milder als bei Patienten ≥ 65 Jahre.
So war der Anteil der ambulant behandelten Patienten deutlich höher (44,3 vs. 16,8
%), und 74 % der Patienten unter 65 Jahre wiesen einen CRB-65-Score = 0 auf. Der Anteil
der Patienten, die im Laufe ihrer Behandlung beatmet wurden, war bei den jungen niedriger
(2,8 vs. 4,0 %). Komorbiditäten lagen bei Patienten < 65 Jahre nur etwa halb so oft
vor (46,6 vs. 88,2 %).
Trotz der häufig milden CAP wurden etwa 50 % der jungen Patienten stationär behandelt.
Dies galt sogar für die Gruppe der 18- bis < 30-Jährigen. Außerdem wurden zur antimikrobiellen
Therapie häufig Fluorchinolone (28 %) verwendet. Beides widerspricht deutschen und
europäischen Leitlinien. Die Gründe für dieses Vorgehen sind unklar. Mycoplasma pneumoniae war bei Patienten < 65 Jahren der zweithäufigste Erreger (25 % der Patienten mit
Erregernachweis), bei ambulant behandelten und Patienten ohne Komorbidität sogar der
häufigste.
Bei jungen Patienten mit einer initialen antimikrobiellen Therapie, die nicht wirksam
gegen M. pneumoniae war, wurde die antimikrobielle Therapie nicht häufiger gewechselt als bei denen mit
wirksamer Therapie. Insgesamt verstarb nur ein Patient < 65 Jahre mit Mycoplasmennachweis.
Möglicherweise ist eine antimikrobielle Erfassung von M. pneumoniae hinsichtlich der Letalität nicht erforderlich. Enterobakterien und Pseudomonas spp. sind bei jungen Patienten als Erreger einer CAP praktisch nicht zu finden und brauchen
daher von der kalkulierten antimikrobiellen Therapie i. A. nicht erfasst zu werden.
Dennoch sollte bei jedem einzelnen Patienten das individuelle Risiko für ungewöhnliche
Erreger abgeschätzt und bei der Therapie berücksichtigt werden.
Komorbidität entscheidend
Sowohl die Kurz- (innerhalb von 30 Tagen) als auch die Langzeitletalität (innerhalb
von 180 Tagen) war bei jungen Patienten deutlich niedriger und stieg erst bei Patienten
≥ 65 Jahre erheblich an (1,7 vs. 8,2 % bzw. 3,2 vs. 15,9 %). Bei Patienten ohne Komorbidität
waren Kurz- und Langzeitletalität sowohl bei jungen als auch bei alten Patienten deutlich
niedriger. Trotzdem war die Sterblichkeit bei Patienten ≥ 65 Jahre immer noch 8-mal
bzw. 6-mal so hoch wie bei jungen Patienten. Ursächlich für die Todesfälle ist folglich
v.a. die Komorbidität der Patienten. Aber auch das Alter scheint zu einem kleinen,
aber relevanten Anstieg des mit der Pneumonie assozierten Versterbens zu führen.
Zusammenfassend rechtfertigen die beschriebenen Unterschiede, CAP bei jungen Patienten
als eigene Entität aufzufassen. Diese Patienten weisen deutlich weniger Komorbitität
auf und stellen sich häufiger mit klassischen Symptomen, wie Fieber und Pleuraschmerz,
sowie einer milden CAP vor. M. pneumo-niae spielt als Erreger vor allem bei ambulant
behandelten Patienten und Patienten ohne Komorbidität eine große Rolle, und die Letalität
ist sehr niedrig. Ein Alter von < 65 Jahren scheint geeignet zu sein, um „CAP in younger
patients" zu definieren.
Benjamin Klapdor, Bochum