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DOI: 10.1055/s-0032-1322489
Harnblasenkarzinom – Wie lange zystoskopisch kontrollieren nach BCG?
Publication History
Publication Date:
06 August 2012 (online)
Die Instillation von Bacillus Calmette-Guérin (BCG) wird schon lange in der Therapie von Carcinomata in situ der Harnblase eingesetzt sowie zur Rezidivprophylaxe bei Karzinomen im Stadium Ta / T1. Laut dieser aktuellen Studie sollte die Nachsorge tumorfreier Patienten nach einer BCG-Behandlung länger als 5 Jahre erfolgen sowie bei Patienten mit einem Rezidiv oder hochgradigen Läsionen vor der BCG-Behandlung > 10–15 Jahre.
Eur Urol 2012; 61: 503–507
mit Kommentar
Die Autoren Sten Holmäng und Viveka Ströck, Sahlgrenska University Hospital, Göteborg / Schweden, gingen der Frage nach, wie lange das Follow-up im Anschluss an eine BCG-Behandlung bei tumorfreien Patienten nach einem Harnblasenkarzinom fortgeführt werden soll. Dafür analysierten sie die Daten von 542 Patienten mit einem die Muskulatur nichtinfiltrierenden Harnblasenkarzinom, die zwischen 1986 und 2003 mit mindestens einer intravesikalen BCG-Instillation behandelt worden waren. Die regulären Nachsorgeuntersuchungen beinhalteten eine Zystoskopie mit Zytologie alle 3–6 Monate in den ersten 2–3 Jahren, gefolgt von jährlichen Endoskopien. Ein Rezidiv war dabei definiert als das erneute Auftreten eines Tumors im unteren oder oberen Harntrakt mit Nachweis einer urothelialen Malignität oder als Nachweis von malignen Zellen in der Harnblasenzytologie. Als Progression galt ein Fortschreiten des Tumors in ein Stadium T2 oder die Bildung von Metastasen. Die Autoren verglichen mindestens 5 Jahre nach BCG-Behandlung tumorfreie Patienten und nicht tumorfreie Patienten im Hinblick auf:
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Alter,
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Geschlecht,
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Tumorgrad,
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Tumorstadium,
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Anzahl und Größe der Tumoren oder
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vorausgegangene Chemotherapie.
Die Rezidivrate aller Patienten lag bei 0,36 pro Jahr, berechnet vom Zeitpunkt der BCG-Behandlung bis zum letzten Followup. Von den 542 Patienten der Ursprungskohorte hatten 204 (37,6 %) ein tumorfreies Intervall von mindestens 5 Jahren während irgendeines Zeitraums im gesamten Follow-up. 74 der 204 Patienten (36,3 %) entwickelten dabei zunächst ein Rezidiv innerhalb der ersten 5 Jahre nach der BCGTherapie, zeigten anschließend aber ein mindestens 5-jähriges tumorfreies Intervall. 10,8 % (n = 24) der 204 Patienten, die mindestens 5 Jahre tumorfrei waren, entwickelten nach 5 Jahren ein Rezidiv, was einer Rate von 0,04 Rezidiven pro Jahr entspricht.
Zehn Jahre nach der ersten BCG-Instillation waren noch 82,3 % der Patienten mit einer initialen TaG1-TaG2-Läsion und 91,3 % mit einer initialen TaG3/CIS / T1-Läsion tumorfrei, nach 15 Jahren 65,4 % vs. 86,0 %. Das Rezidivrisiko nach 10 Jahren lag für die mindestens 5-Jahre-tumorfreien Patienten bei 12,5 %, das nach 15 Jahren bei 20,5 %. Spätrezidive kamen dabei 8,5-mal häufiger bei Patienten vor, die vor der BCG-Behandlung bereits ein Rezidiv erlitten hatten. Von den 338 Patienten, die nicht für mindestens 5 Jahre tumorfrei waren, kam es bei 24 % (n = 81) zu einer Progression in ein Stadium T2 und höher. Eine direkte BCG-Behandlung nach der Diagnose des ersten Blasentumors verringerte das Risiko für ein Spätrezidiv im Vergleich zu Patienten, die mehrere Tumorepisoden vor der der BCG-Therapie hatten.
Innerhalb der ersten 5 Jahre nach der intravesikalen BCG-Behandlung verstarben 10,5 % der Patienten (n = 57) infolge eines Urothelkarzinoms und 17,7 % (n = 96) an einer hinzukommenden Krankheit. Zwischen dem 6. und 25. Jahr verstarben 5,9 % der Patienten (n = 32) infolge eines Urothelkarzinoms und 27,7 % (n = 150) an einer anderen Krankheit. Am Ende des Analysenzeitraums (Juni 2011) waren noch 38,2 % der Patienten (n = 207) am Leben.
Eine tumorfreie Periode von ≥ 5 Jahren nach einer BCG-Instillation ist bei Patienten mit Harnblasenkarzinom ein prognostisch günstiges Zeichen, wenngleich Rezidive in dieser Studie auch nach mehr als 10 Jahren auftraten. Es wäre zwar denkbar, bei Patienten mit TaG1-G2-Tumoren die Kontrolluntersuchungen nach der 5-jährigen, tumorfreien Periode einzustellen und diese auf das Auftreten einer Hämaturie zu sensibilisieren, so die Autoren. Da die Zystoskopie ein einfaches Verfahren und leicht 2-jährlich durchführbar sei, raten sie jedoch zu einem Follow-up > 5 Jahre. Für Patienten mit einem Rezidiv oder hochgradigen Läsionen vor der BCG-Behandlung scheint dagegen ein Langzeit-Follow-up von > 10–15 Jahren indiziert.
Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen
Kommentar
Nach wie vielen tumorfreien Jahren ist man "auf der sicheren Seite"


In ihrer aktuellen Arbeit untersuchten Holmäng und Ströck die Inzidenz und Charakteristik von Rezidivtumoren, die nach mehr als 5 tumorfreien Jahren nach initialer BCG-Therapie auftreten. Ihre Aussage ist: prognostisch ist eine Tumorfreiheit von > 5 Jahren günstig, aber eine Garantie für eine weitere Rezidivfreiheit ist sie nicht. Was sagen uns die Autoren aber neben dieser knappen Kernbotschaft wirklich und ist es für unsere tägliche Arbeit interessant?
In ihrer Arbeit analysierten die Autoren 542 Patienten, die zwischen 1986 und 2003 mit BCG behandelt wurden. 38 % (n = 204) der Patienten waren länger als 5 Jahre rezidivfrei. Das erscheint auf den ersten Blick relativ viel. Aber von den 542 Patienten hatten initial 291 Tumoren ein mittleres Rezidivrisiko gemäß der EORTCKriterien und 283 einen initialen Differenzierungsgrad G1 und G2. Somit hätte etwa die Hälfte der Patienten nach der hierzulande gängigen Praxis wohl kein BCG erhalten. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf unsere Arbeit ist eingeschränkt, da die Daten zeigen, dass BCG andernorts durchaus häufiger verwendet wird.
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Wie ist das Ergebnis einer BCG-Behandlung?
Bei den klassischen Hochrisikopatienten, die nach der hier üblichen Praxis BCG erhalten, ist die Rate tumorfreier Patienten nach 5 Jahren erwartungsgemäß gering. So sind etwa nur je ein Drittel der Patienten mit CIS, T1 oder gering differenzierten (G3) Tumoren nach 5 Jahren tumorfrei. Dies spricht erneut dafür, nicht muskelinvasive Harnblasenkarzinome mit höherem Progressionsrisiko engmaschig zu betreuen. Und die Patienten mit Tumoren niedrigerer Risikoprofile? Auch hier ist das Ergebnis nicht gerade überragend: nur etwa 40 % der Patienten mit gut und mittelgradig differenzierten (G1/G2) Tumoren sind nach 5 Jahren tumorfrei.
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Muss man Tumorrezidive nach > 5 tumorfreien Jahren erwarten?
Ja, man muss Tumorrezidive nach > 5 tumorfreien Jahren erwarten und sie sind auch nicht so selten. Die nach Kaplan-Meier kalkulierte 20-Jahres-Rezidivrate beträgt etwa 20 %. Von den Patienten mit initialen TaG1/G2-Befunden waren 14 % im hier überblickten Zeitraum von einem Spätrezidiv betroffen. Und was überrascht: etwa 8 % der Patienten mit TaG3, Cis und T1. Wer also mit einem Hochrisikotumor 5 Jahre rezidivfrei bleibt, hat eine relativ gute Chance, auch darüber hinaus tumorfrei zu bleiben. Wenn es aber in diesen Hochrisikofällen zu Rezidiven kommt, sind diese zur Hälfte muskelinvasiv, etwa wieder zur Hälfte nicht muskelinvasiv und betreffen auch den oberen Harntrakt. Wobei man freilich aufpassen muss: Die Zahl dieser speziellen Fälle von Hochrisikopatienten mit Rezidiven nach > 5 tumorfreien Jahren beträgt 11 und lässt eine klare Aussage eigentlich nicht zu. Eine gewisse Tendenz zeigt sich allemal: diese Spätrezidive sind unberechenbar.
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Wie lange soll man Patienten nach BCG nachsorgen?
Beim typischen BCG-Patienten erfolgt nach dem hierzulande üblichen Verständnis eigentlich eine lebenslange Nachsorge, die zumindest einen jährlichen Urinstatus zum Ausschluss einer Hämaturie umfasst. Diese Praxis sollte man nach den hier gezeigten Zahlen auch bei Patienten mit initial niedrigem Rezidivrisiko beibehalten. Allerdings beträgt die jährliche Rezidivrate nach 5 tumorfreien Jahren lediglich 0,04 und entsprechend kritisch muss man invasivere Maßnahmen zumindest bei Niedrigrisikopatienten diskutieren.
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Fazit
Harnblasenkarzinome aller Risikogruppen sind unter BCG selten über 5 Jahre hinaus rezidivfrei. Obwohl das Rezidivrisiko nach den ersten 5 tumorfreien Jahren gering ist, sollte eine Nachsorge, zumindest mit nicht invasiven Maßnahmen, auch darüber hinaus erfolgen.
PD Dr. Maximilian Burger, Würzburg
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