Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0032-1322493
Prostatakarzinom – Kombinationstherapie senkt Mortalitätsrate
Publication History
Publication Date:
06 August 2012 (online)
Bei Patienten mit frühen, lokal begrenzten Prostatakarzinomen ist nicht abschließend geklärt, welchen Einfluss eine kurzzeitige Androgen-Entzugstherapie vor und während einer Strahlenbehandlung auf die Krebskontrolle und die Gesamtüberlebensrate von Patienten mit frühen, lokal begrenzten Prostatakarzinomen hat. Laut einer aktuellen Studie aus den USA senkte die Kombinationsbehandlung die Mortalität und Metastasierungsrate, v. a. bei Patienten mit intermediärem Risiko.
N Engl J Med 2011; 365: 107–118
mit Kommentar
Christopher Jones, University of Pennsylvania / USA, und Kollegen untersuchten in der aktuellen Studie, welchen Effekt eine kurzzeitige Androgen-Entzugstherapie in Kombination mit einer Strahlenbehandlung auf das Gesamt- und krankheitsspezifische Überlebensrate von Patienten mit Prostatakarzinom hat. Dafür schlossen sie 1979 Patienten in Stadium T1b–T2b und mit einem prostataspezifischen Antigen (PSA) von < 20 ng / ml in ihre Studie ein. In 212 amerikanischen und kanadischen Zentren erhielten 987 der Patienten die Kombinationsbehandlung in Form von 4 Monaten Antiandrogen-Therapie und ab Woche 9 die Bestrahlung des kleinen Beckens (Prostata und lokale Lymphknoten) mit insgesamt 46,8 Gy sowie der Prostata mit 19,8 Gy. Ausschließlich bestrahlt wurden 992 Patienten der Studie. Der primäre Endpunkt war definiert als Gesamtüberlebensrate. Die sekundären Endpunkte beinhalteten die krankheitsbezogene Mortalität, Fernmetastasen, ansteigendes PSA und positive Befunde bei Rebiopsien nach 2 Jahren.
Krankheitsbezogene Mortalität in Kombinationsgruppe lag bei 4 %
Die 10-Jahres-Überlebensrate betrug 62 % in der Gruppe mit der Kombinationsbehandlung aus Bestrahlung und Hormontherapie und 57 % in der Gruppe mit der Monotherapie in Form von Bestrahlung (Hazard Ratio 1,87; 95 %–Konfidenzintervall [KI] 1,27–2,74; p = 0,001). Die krankheitsbezogene Mortalität lag bei 4 vs. 8 % (Kombinations- vs. Strahlentherapie). Auch Fernmetastasen traten in der Kombinationstherapie-Gruppe signifikant seltener auf (6 vs. 8 %; p = 0,04). Nach 2 Jahren erfolgte bei 44 % der Patienten (n = 439) in der Kombinationstherapiegruppe und 41 % (n = 404) in der Bestrahlungsgruppe eine Rebiopsie. Bei 20 % der Patienten der Kombinations- und bei 39 % der Strahlentherapiegruppe fanden die Autoren weiterhin Karzinomzellen.
Ein Anstieg des PSA-Spiegels, Fernmetastasen und positive Befunde bei Rebiopsien waren in der Gruppe mit Kombinationstherapie signifikant geringer. Die akute und Langzeit-Radiotoxizität war in den Gruppen nicht wesentlich verschieden und stärkere Hormon-Nebenwirkungen traten bei weniger als 5 % der Patienten auf.
Die Kombinationsbehandlung verlängerte das Gesamt- und das krankheitsspezifische Überleben in erster Linie bei Patienten mit intermediärem Risiko. Die Analyse zeigte, dass ein Gleason-Score ≥ 7 ein negativer prognostischer Faktor für die Gesamtüberlebensrate, die krankheitsbezogene Mortalität, Fernmetastasen und den Anstieg des PSA-Spiegels war. Andere Risikofaktoren waren
-
eine höhere Altersgruppe und eine nicht weiße ethnische Zugehörigkeit auf die Gesamtüberlebensrate,
-
T2-Stadium auf die krankheitsbezogene Sterblichkeitsrate und
-
ein PSA ≥ 4 ng / ml für ein biochemisches Rezidiv.
Die Kombination aus Bestrahlung und 4-monatiger Hormontherapie verlängere bei Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom die Gesamtüberlebensrate und senke die krankheitsbezogene Mortalität, so die Autoren. Laut der Post-hoc-Analyse gelte dies nur für Patienten mit mittlerem Risiko, jedoch nicht für Niedrigrisikopatienten.
Dr. Susanne Krome, Melle
#
Kommentar
Kombination aus Hormontherapie und Radiatio bringt Überlebensvorteil
In einer großen Studie aus dem NEJM wird der Effekt der begleitenden kurzzeitigen hormonablativen Therapie untersucht, die vor bzw. während der Radiatio bei Prostatakarzinompatienten eingesetzt wird. Bei Patienten mit einer Hochrisikokonstellation, sowie bei Vorliegen eines lokal fortgeschrittenen Tumors wurde in unterschiedlichen vorherigen Studien ein Überlebensvorteil der Kombination aus hormonablativer Therapie und Radiatio im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung gezeigt [ 1 ], [ 2 ].
#
Vorteile für Patienten mit intermediärem Risiko
In der aktuellen Arbeit sank die krankheitsspezifische Mortalität bei Betrachtung aller Risikogruppen (niedrig, mittel, hoch) bei zusätzlichem Einsatz einer hormonablativen Therapie zur Radiatio. Allerdings ergab die Subgruppenanalyse, dass dieser Überlebensvorteil nur für Patienten der intermediären Gruppe signifikant ist. In der Niedrigrisikogruppe fanden die Autoren keinen Unterschied bez. der krankheitsspezifischen- und Gesamtmortalität zwischen denjenigen Patienten, die eine Radiatio und hormonablativen Therapie bzw. nur eine Radiatio erhielten. Möglicherweise werden diese Ergebnisse durch das langsame Wachstum der Niedrigrisikotumoren beeinflusst, sodass evtl. trotz der langen Studiendauer von 10 Jahren erst bei einer längeren Nachbeobachtungszeit ein Effekt der hormonablativen Therapie sichtbar wäre.
Die fehlende Signifikanz des Einflusses der Kombination aus hormonablativer Therapie und Radiatio in der Hochrisikogruppe bestätigt die Ergebnisse aus anderen großen Serien und führt zu der allgemeinen Empfehlung einer längeren hormonablativen Therapie zur Radiatio für diese Patienten [ 3 ], [ 4 ]. Die aktuelle S3-Leitlinie rät zu einer mindestens 2- besser 3-jährigen hormonablativen Therapie in Kombination mit der Radiatio [ 5 ].
#
Empfohlene Bestrahlungsdosis liegt bei 70–72 Gy
In der vorliegenden Studie wurde perkutan eine Gesamtdosis von 66,6 Gy appliziert. Die Weiterentwicklung der Bestrahlungstechniken führte in den vergangenen Jahren jedoch zu einer Veränderung der Nebenwirkungen und Höhe der eingesetzten Dosis. Basierend auf dem Nachweis einer besseren onkologischen Wirksamkeit, werden heutzutage höhere Strahlungsdosen mit gleichen oder niedrigeren Toxizitäten im Bereich des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts erreicht [ 6 ]. Daher besteht die heutzutage empfohlene Bestrahlungsdosis in den aktuellen S3-Leitlinien bei 70–72 Gy [ 5 ]. Für diese Dosis wurde in mehreren großen Serien eine bessere onkologische Wirksamkeit gezeigt.
Aufgrund der besseren Wirksamkeit dieser Dosis bleibt es fraglich, ob mit der heutigen Bestrahlungstechnik die Wirkung der hormonablativen Therapie nicht ebenfalls durch die höhere Strahlendosis erreicht wird und somit auch der positive Effekt der hormonablativen Therapie auf das krankheitsspezifische- sowie das Gesamtüberleben ausgeglichen wird.
#
Nebenwirkungen der hormonablativen Therapie
Bei der Prüfung der Indikation zur Durchführung einer begleitenden kurzfristigen hormonablativen Therapie zum Erreichen des beschriebenen Überlebensvorteils sind die zu erwartenden Nebenwirkungen dieser Therapie zu beachten. Neben der höheren Impotenzrate, einer gesteigerten Hepatotoxizität und weiteren typischen Nebenwirkungen einer hormonablativen Therapie (Hitzewallungen und Libidoverlust), sind aufgrund der häufig bestehenden kardialen Komorbiditäten, die von einigen Autoren unter hormonablativer Therapie beschriebene höhere Inzidenz von Herzinfarkten, Schlaganfällen, aber auch Diabetes mellitus zu beachten [ 7 ], [ 8 ].
#
Fazit
Die vorliegende Arbeit zeigt deutlich den Vorteil der kurzzeitigen hormonablativen Therapie über 4 Monate für Patienten mit einer intermediären Risikokonstellation. Vergleichbare Ergebnisse existieren auch für die Therapiedauer von 6 Monaten [ 9 ]. Somit stellt diese Kombinationstherapie eine gut evaluierte Therapieoption für Patienten der intermediären Risikogruppe dar. Allerdings ist zu beachten, dass die heutzutage eingesetzten modernen Strahlentherapieformen eine erhöhte Bestrahlungsdosis (> 70 Gy) bei einem gleichen oder geringeren Nebenwirkungsspektrum erlauben. Somit bleibt ungeklärt, ob bei den heutigen höheren Strahlendosen eine zusätzliche hormonablative Therapie tatsächlich notwendig ist.
Daher sollte die Entscheidung zur adjuvanten hormonablativen Therapie bei Patienten aus der intermediären Risikogruppe bzw. Anwendung einer höheren Strahlendosis unter Abwägung der potenziellen Risiken einer erhöhten Strahlendosis bzw. des potenziellen Nutzens der hormonablativen Therapie gemeinsam mit dem Patienten, Strahlentherapeuten und den behandelnden Urologen im Rahmen einer individuellen Entscheidung gefällt werden.
Dr. Burkhard Beyer,
Dr. Lars Budäus und
Prof. Markus Graefen, Hamburg
#
#
#
-
Literatur
- 1 Bolla M, Van Tienhoven G, Wande P et al. External irradiation with or without long-term androgen suppression for prostate cancer with high metastatic risk: 10-year results of an EORTC randomised study. Lancet Oncol 2010; 11: 1066-1073
- 2 Widmark A, Klepp O, Solberg A et al. Endocrine treatment, with or without radiotherapy, in locally advanced prostate cancer (SPCG-7/SFUO-3): an open randomised phase III trial. Lancet 2009; 373: 301-308
- 3 Bolla M, Gonzalez D, Warde P et al. Improved survival in patients with locally advanced prostate cancer treated with radiotherapy and goserelin. N Engl J Med 1997; 337: 295-300
- 4 Bolla M, de Reijke TM, Van Tienhoven G et al. Duration of androgen suppression in the treatment of prostate cancer. N Engl J Med 2009; 360: 2516-2527
- 5 Wirth M, Weißbach L, Ackermann R et al. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Version 2.0–1. Aktualisierung 2011 Leitlinie (Langversion).
- 6 Budäus L, Bolla M, Bossi A et al. Functional outcomes and complications following radiation therapy for prostate cancer: a critical analysis of the literature. Eur Urol 2012; 61: 112-127
- 7 Taylor LG, Canfield SE, Du XL. Review of major adverse effects of androgen-deprivation therapy in men with prostate cancer. Cancer 2009; 115: 2388-2399
- 8 Nanda A, Chen MH, Braccioforte MH, Moran BJ, D’Amico AV. Hormonal therapy use for prostate cancer and mortality in men with coronary artery disease-induced congestive heart failure or myocardial infarction. JAMA 2009; 302: 866-873
- 9 D’Amico AV, Chen MH, Renshaw AA, Loffredo M, Kantoff PW. Androgen suppression and radiation vs radiation alone for prostate cancer: a randomized trial. JAMA 2008; 299: 289-295
-
Literatur
- 1 Bolla M, Van Tienhoven G, Wande P et al. External irradiation with or without long-term androgen suppression for prostate cancer with high metastatic risk: 10-year results of an EORTC randomised study. Lancet Oncol 2010; 11: 1066-1073
- 2 Widmark A, Klepp O, Solberg A et al. Endocrine treatment, with or without radiotherapy, in locally advanced prostate cancer (SPCG-7/SFUO-3): an open randomised phase III trial. Lancet 2009; 373: 301-308
- 3 Bolla M, Gonzalez D, Warde P et al. Improved survival in patients with locally advanced prostate cancer treated with radiotherapy and goserelin. N Engl J Med 1997; 337: 295-300
- 4 Bolla M, de Reijke TM, Van Tienhoven G et al. Duration of androgen suppression in the treatment of prostate cancer. N Engl J Med 2009; 360: 2516-2527
- 5 Wirth M, Weißbach L, Ackermann R et al. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Version 2.0–1. Aktualisierung 2011 Leitlinie (Langversion).
- 6 Budäus L, Bolla M, Bossi A et al. Functional outcomes and complications following radiation therapy for prostate cancer: a critical analysis of the literature. Eur Urol 2012; 61: 112-127
- 7 Taylor LG, Canfield SE, Du XL. Review of major adverse effects of androgen-deprivation therapy in men with prostate cancer. Cancer 2009; 115: 2388-2399
- 8 Nanda A, Chen MH, Braccioforte MH, Moran BJ, D’Amico AV. Hormonal therapy use for prostate cancer and mortality in men with coronary artery disease-induced congestive heart failure or myocardial infarction. JAMA 2009; 302: 866-873
- 9 D’Amico AV, Chen MH, Renshaw AA, Loffredo M, Kantoff PW. Androgen suppression and radiation vs radiation alone for prostate cancer: a randomized trial. JAMA 2008; 299: 289-295