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DOI: 10.1055/s-0032-1323575
In memoriam – Prof. Dr. Otto Heinrich Just (1922–2012)
Publication History
Publication Date:
23 August 2012 (online)
Am 21. April verstarb in Heidelberg wenige Wochen nach Vollendung seines 90. Lebensjahres nach langer Krankheit Prof. Dr. Otto Heinrich Just, Gründungsherausgeber der Zeitschrift „Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie“ (AINS) sowie Gründungsmitglied und 4. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anaesthesie (heute DGAI).
Mit seinem Tod verliert die Deutsche Anästhesiologie einen großen Mann der ersten Stunde. Er war ein herausragender Anästhesist, exzellenter Lehrer, Ordinarius und Herausgeber, ein national und international hochgeschätzter Arzt und Wissenschaftler mit einer beeindruckenden Persönlichkeit.
Otto Heinrich Just wurde am 27.01.1922 in Lauda geboren. Nach dem Abitur wurde er im August 1941 als Sanitätsoffiziersanwärter eingezogen und nahm nach einer Grundausbildung im Sommersemester 1942 an der Universität Berlin das Medizinstudium auf. An der Ärztlichen Akademie der Luftwaffe an der Universität Würzburg setzte er 1943 das Medizinstudium fort und legte 1944 das Physikum ab. Anschließend wurde er zu einem Fronteinsatz abkommandiert und sanitätsdienstlich eingesetzt. In Frankreich geriet er noch im gleichen Jahr in amerikanische Kriegsgefangenschaft und hatte – wie er im Lebenslauf seiner Dissertation vermerkte –„Gelegenheit, in einem erweiterten Krankenrevier mich praktisch zu betätigen“. 1946 setzte er das Medizinstudium in Würzburg fort und legte das medizinische Staatsexamen nach dem Wintersemester 1948/49 ab. Im gleichen Jahr promovierte er mit der Arbeit „Anwendung und Erfolg der Bluttransfusion an der Medizinischen Universitätsklinik zu Würzburg“ zum Dr. med.
Nach zwischenzeitlicher chirurgischer Assistenzarzttätigkeit in Würzburg wechselte Just 1949 an die Chirurgische Universitätsklinik in Heidelberg, um sich hier ganz der Anästhesie zu widmen. Der Heidelberger Ordinarius für Chirurgie Karl Heinrich Bauer hatte Rudolf Frey mit dem Aufbau und der Leitung einer Anästhesieabteilung beauftragt und ihn eine „Narkosestaffel“ einrichten lassen, zu der neben Just noch 3 in der Ausbildung befindliche Ärzte, zwei Narkoseschwestern sowie ein Narkosepfleger gehörten.
Nach einer knapp 2-jährigen Tätigkeit in Heidelberg wechselte Otto Heinrich Just 1951 zusammen mit dem als Ordinarius für Chirurgie berufenen Fritz Linder an die in West-Berlin neu gegründete Freie Universität Berlin (FU Berlin). Just wurde dabei die Aufgabe übertragen, an der neuen Universität eine Anästhesieabteilung aufzubauen. Da die medizinische Fakultät zunächst noch über keine eigene Universitätsklinik verfügte, wurde das ehemalige Städtische Krankenhaus Charlottenburg am Spandauer Damm zum Universitätsklinikum umfunktioniert. Im Laufe der nächsten 10 Jahre konnte Just an der zwischenzeitlich in Krankenhaus Westend umbenannten Klinik eine renommierte Anästhesieabteilung aufbauen.
Als Stipendiat des British Council verbrachte Just 1953 einen längeren Studienaufenthalt bei Robert Macintosh in Oxford. Weitere Studienreisen führten ihn in den folgenden Jahren an verschiedene Kliniken in den USA. 1956 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Anästhesiologie, die er nach seiner Rückkehr nach Deutschland auf verschlungenen Wegen von der Hamburger Ärztekammer ausgestellt erhielt. Im gleichen Jahr habilitierte er sich mit einer experimentellen Arbeit zum Thema „Die elektrischen Wiederbelebungsverfahren des Herzens – Anwendung des Elektroschocks und eines elektrischen künstlichen Herzschrittmachers“. Das persönliche Exemplar dieses ersten Schrittmachers wurde übrigens dem Bonner anästhesiehistorischen Museum zu seiner Eröffnung im Jahre 2000 von Otto Just überreicht.
Wissenschaftlich waren die Anfangsjahre in Berlin von den anästhesiologischen Fragestellungen geprägt, die sich aus der sich entwickelnden, von K. H. Bauer als „moderne Chirurgie“ bezeichneten Herzchirurgie ergeben haben. Bereits Mitte der 1950er-Jahre verfügte die Berliner Klinik über eine Herz-Lungen-Maschine und renommierte amerikanische Herzchirurgen wie William P. Longemire begleiteten die ersten herzchirurgischen Operationen, deren anästhesiologische Betreuung Otto Heinrich Just übernahm.
Vor diesem skizzierten Hintergrund wird verständlich, dass ein Schwerpunkt der frühen wissenschaftlichen Publikationen von Just sich thematisch mit Fragen der Narkoseführung, Untersuchungen zur Hypothermie, Kühlungs- und Wiederaufwärmungstechniken, Kreislauf-, Gerinnungs- und Stoffwechseluntersuchungen beschäftigten. Unmittelbar das Herz betreffend waren dies Untersuchungen zu hypothermiebedingten Rhythmusstörungen, zu Defibrillation und Wiederbelebung, eine Thematik, die er wissenschaftlich in seiner 1956 vorgelegten Habilitationsschrift ausführlich bearbeitet hat.
Die sich aus der täglichen klinischen Tätigkeit ergebenden Fragestellungen mündeten konsequenterweise in praxisorientierter Forschung. In diesem Zusammenhang war die Entwicklung technischer Hilfsmittel für Just ein wichtiges Anliegen. So entwickelte er Mitte der 1950er-Jahre in enger technischer Zusammenarbeit mit einem Berliner Ingenieurbüro den ersten in Deutschland hergestellten Schrittmacher und Defibrillator. Zur Oberflächenkühlung und Wiederaufwärmung herzchirurgischer Patienten konstruierte er ein vollautomatisch arbeitendes Gerät, das im In- und Ausland über Jahre erfolgreiche Verwendung fand. Später wurden dann Untersuchungen zur Effizienz verschiedener Oxygenatorformen zu einem neuen Schwerpunkt seiner Forschung. Hinzu kamen zahlreiche Publikationen, die sich mit der Überwachung des narkotisierten Patienten beschäftigten.
Zusammen mit dem Chirurgen Fritz Linder, der 1962 die Nachfolge seines Lehrers K. H. Bauer an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg antrat, kehrte auch Just aus Berlin nach Heidelberg zurück und übernahm die Leitung der Abteilung für Anaesthesie an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. 1963 erhielt Just einen Ruf als Extraordinarius und wurde zum Ärztlichen Direktor der Anästhesieabteilung ernannt. 1967 erfolgte die Berufung als Ordinarius für Anästhesiologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Von 1980 bis 1985 war er Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Vorsitzender des Zentrums Chirurgie der Universität Heidelberg.
Bei der Vielzahl der skizzierten Forschungsschwerpunkte überrascht es nicht, dass man von einer „Heidelberger Schule“ gesprochen hat, aus der 3 Lehrstuhlinhaber und zahlreiche Habilitanden, Chefärzte und Fachärzte hervorgegangen sind. Heidelberg war auch die erste Anästhesieabteilung an der gleichzeitig 3 habilitierte Oberärzte tätig waren – die späteren Ordinarien Horst Lutz, Jürgen Wawersik und Horst Stoeckel. Darauf war O. H. Just besonders stolz.
In dankbarer Erinnerung denken seine Mitarbeiter gern an einige wesentliche Facetten seiner Persönlichkeit, die eine kleine Parabel in hohem Maße kennzeichnet, weil er selbst sie mochte: wie der talentierte und gelehrige junge Trakehner, der gemeinsam mit seinem Meister an dessen dosierten Hilfen – durch Zügel, Sporen und das rhythmisch bewegte Körpergewicht im Sattel des Meisters geführt – über den fairen und sehr langen olympischen Parcours galoppiert, dem fast sicheren Sieg entgegen. Rationalität, konsequenter Führungsstil mit der Sorge um Entwicklung, Förderung und persönliche Nöte, freundliche Direktheit bei der Arbeit, hohe Organisationsqualitäten, Großzügigkeit bei Erfolg und Freundschaft. Das kann aus dem Gleichnis herausgelesen werden.
Die Forschungsschwerpunkte seiner Tätigkeit in Heidelberg knüpften an zahlreiche in Berlin erstmals bearbeitete Fragestellungen an: Pathophysiologie des hypovolämischen Schocks und seine Therapie mit Blutersatzmitteln, Flüssigkeitshaushalt und Atemphysiologie bei Neugeborenen und Säuglingen, mögliche protektive pharmakologische Interventionsmöglichkeiten vor und nach neurochirurgischen Eingriffen oder nach Schädel-Hirn-Trauma.
1966 gründete Otto Heinrich Just die „Zeitschrift für Praktische Anästhesie und Wiederbelebung“, wobei die neue Fachzeitschrift seinen Vorstellungen entsprechend einen Fokus auf praxisorientierte Veröffentlichungen legen und besonders jungen Wissenschaftlern und Klinikern eine Plattform für ihre Publikationen bieten sollte. Bis 1990 zeichnete er als Herausgeber für die mehrfach umbenannte und heute als AINS fortbestehende Zeitschrift verantwortlich.
Auch heute atmet die AINS – zwar in neuem und modernen Gewand – den ursprünglichen Geist der von Professor Just gegründeten Zeitschrift: mit den Zielen einer soliden praxisrelevanten Weiterbildung und Vermittlung der Begeisterung für das Fachgebiet für junge und junggebliebene Anästhesisten. Auch im Namen von Dr. Albrecht Hauff, dem Verleger der Thieme Verlagsgruppe, möchten wir hiermit Dank und Anerkennung für die Leistungen von Professor Just als Gründungsherausgeber ausdrücken.
Als Beispiel seiner stets praxisorientierten Denkweise kann auch die Entwicklung der von Just Anfang der 1960er-Jahren beschriebenen Kunststoffverweilkanüle angesehen werden, deren Herstellung 1962 die Firma B. Braun in Melsungen übernommen hat. Die neue Kanüle verdrängte die bis dahin weit verbreitete Infusionstherapie mit Edelstahlkanülen. Die einfache Handhabung der gewebeverträglichen „Braunüle“ hat nicht nur im deutschsprachigen Raum nachhaltig zur Verbreitung der perioperativen intravenösen Infusionstherapie beigetragen.
Von 1959 bis 1960 leitete Otto Heinrich Just als Vorsitzender, von 1961 bis 1962 als Präsident die Geschicke der Fachgesellschaft. Während seiner Präsidentschaft kulminierte 1961 die Auseinandersetzung um die Selbstständigkeit der Anästhesiologie in dem juristischen Gutachten von Karl Engisch, der die Verantwortung des Operateurs für so „allumfassend“ hielt, „dass sie ungeachtet der Geltung des Vertrauensgrundsatzes niemals in irgend einem Sektor schlechthin entfällt“. Das hieß, dass es zwischen Chirurg und Anästhesist keine geteilte Verantwortung geben könne. Erst dem Gutachten von Walther Weißauer gelang 1962 die nicht mehr widersprochene Lösung in Form einer horizontalen, nicht mehr hierarchisch gebundenen Arbeitsteilung.
Otto Just hat vielseitige hohe Ehrungen und Auszeichnungen erfahren. So wurde er 1995 zum Ehrenmitglied der DGAI ernannt und erhielt beim Jubiläumskongress 2003 für seine langjährigen außergewöhnlichen Verdienste um die Entwicklung der Anästhesiologie von der Fachgesellschaft die Heinrich-Braun-Medaille verliehen. Ein Jahr zuvor hatte er das Verdienstkreuz Erster Klasse am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten.
In unserem Fach schrieb Otto Heinrich Just Medizingeschichte – doch er ist nie der Versuchung erlegen, aufgrund der vielen Ehrungen und Auszeichnungen die Bodenhaftung zu verlieren. Er besaß eine unglaubliche Energie und Tatkraft und war ausgestattet mit einem geerdeten Humor und Optimismus.
Professor Dr. med. Otto Heinrich Just wurde 1990 emeritiert und lebte seither weiter in seinem schönen Haus in Ziegelhausen bei Heidelberg.
Unsere Zeitschrift „Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie“ ist ihrem Gründungsherausgeber in Dankbarkeit bleibend verpflichtet.